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Pro und Contra: Windkraft auf dem Taubensuhl

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Windkraft in der Region, hier der Windpark Offenbach, ist ein Thema, das kontrovers diskutiert wird. Foto: Ahme

SÜW. „Als Exilpfälzer und Naturfreund verfolge ich mit Bestürzung und Trauer die Bestrebungen der Verbandsgemeinde Annweiler und der Stadt Landau, auf dem Taubensuhl und möglicherweise auch auf anderen Standorten im Bereich des Wellbachtales (z. B. auf dem Eiterberg Nähe Annweiler Forsthaus), einen oder sogar mehrere Windparks mit jeweils mehreren Anlagen – im Gespräch sind 6 bis 9 Kraftwerke – zu errichten“, schreibt Herbert Schreiber in einem Leserbrief an den Pfalz-Express. Herbert Schreiber beschäftigen vor allem Fragen zu Standort und Tourismus in der Region. Eine rege Diskussion zum Thema ist auch seitens des Pfalz-Express durchaus erwünscht.

Leser können gerne unsere Kommentarfunktion dazu nützen.

Contra Windkrafträder im Pfälzer Wald

Schreiber  bezieht sich in seinen nachfolgenden Anmerkungen auf unseren Bericht „Bürgermeister der VG Annweiler: Aus eigener Kraft Chance zur Energiewende nutzen“ [2] vom 15. Januar 2013.

„Das Reiz-Thema Windkraft lässt überall im Land die Gemüter hoch kochen. Nicht nur in der Pfalz, sondern auch an der Bergstraße wenden sich die Anwohner gegen eine Verspargelung ihres Lebensumfeldes, wie gestern eine Veranstaltung der pdv mit unabhängigen Wissenschaftlern in Weinheim unterstrich. Industrie- und Handwerksverbände schlagen Alarm. Bürgerinitiativen und Umweltschutzgruppen aus den betroffenen Gebieten im Odenwald und an der Bergstraße protestieren gegen den Bau von Windkraftanlagen. Neben besagter Verspargelung der Landschaft werden auch riesige Strompreisverteuerungen durch das EEG-Gesetz befürchtet.

* Zum Standort: Beim Taubensuhl handelt es sich um einen hochflächenartigen Gebirgsknoten aus Gesteinen des Mittleren Buntsandsteins (Karlstalschichten). Er bildet ein wichtiges Zentrum im Mittleren Pfälzerwald, da hier mehrere vom Eschkopf, Steigerkopf und Adelberg ausgehende Höhenzüge zusammentreffen.
* Biosphärenreservat: Das Gebiet gehört zur Schutzzone des internationalen Biosphärenreservates Pfälzerwald-Vosges du Nord. Als wesentliches Schutzziel wird dabei „die Erhaltung der landschaftlichen Eigenart und Schönheit des Pfälzerwaldes mit seinen ausgedehnten, unzerschnittenen, störungsarmen Räumen, Waldgebieten, Bergen, Wiesen und Bachtälern, seinen Felsregionen  usw….als definiert (§ 4, 1 der Landesverordnung über den „Naturpark Pfälzerwald“ als deutscher Teil des Biosphärenreservates Pfälzerwald-Nordvogesen vom 22. Januar 2007). Ich bin der festen Überzeugung, dass die Errichtung eines Windparks mit derart gigantischen Anlagen diesem Schutzziel grundsätzlich entgegensteht.
* Schutzzonen: In seinen Ausführungen zum Thema Windenergie betont Bürgermeister Wagenführer, dass „die Aufstellung von Windrädern unter Beachtung der relevanten Schutzzonen nur in wenigen Vorrangflächen überhaupt möglich sei, …“ Im Gegensatz dazu legt der 2. Entwurf des Landesentwicklungsplans IV (Fortschreibung des LEP IV) fest, dass zwar in den Kern- und Pflegezonen des Biosphärenreservates (zusammen ca 40% der Gesamtfläche) normalerweise keine Windkraftwerke gebaut werden können, in den sog. Entwicklungszonen mit dem Schutzstatus eines Landschaftsschutzgebietes (ca 60% der Gesamtfläche) die Errichtung dieser Anlagen im Gegensatz zur bisherigen Regelung aber prinzipiell möglich sein soll. Aufgrund dieser Neuregelung sind nach meinen Informationen von verschiedenen Gemeinden nicht „wenige“ sondern eine ganze Reihe von Windparks mit hochgerechnet mehr als 100 Anlagen geplant, was einer Zerstörung des Pfälzerwaldes, so wie wir ihn kennen und lieben, gleichkäme.
* Anzahl und Höhe der Anlagen: Da laut Fortschreibung des Landesentwicklungsplans IV keine isoliert stehenden Windturbinen sondern Windparks gebildet werden sollen, gehe ich für das Gebiet des Wellbaches bei einem möglichen Windparks von etwa 6 bis 9 Anlagen aus. Durch den Bau eines weiteren Windparks müsste man dann vermutlich mit insgesamt etwa 10 bis 15 Kraftwerke rechnen. Da gleichzeitig, wie oben schon ausgeführt, auch eine Reihe anderer Gemeinden ebenfalls planen, im Pfälzerwald Windparks zu errichten, werden in den nächsten 5 bis 10 Jahren bei Realisierung dieser Planungen schätzungsweise 100 bis 150 Windkraftwerke im gesamten Biosphärenreservat gebaut.

Da im Wald und in Luftschichten, die sich direkt oberhalb des Waldes befinden, die Windstärke durch Reibung zwangsläufig verringert ist, müssen, um stärkere Luftströmungen nutzen zu können, nach meiner Einschätzung auf dem Taubensuhl Anlagen mit einer Höhe von 200 bis 250 Metern mit einem Rotorendurchmesser von etwa 100 Metern installiert werden. Sie sind damit etwa 3 bis 4mal so hoch wie der Speyrer Dom oder die Landauer Marienkirche und etwa 7mal so hoch wie das Hambacher Schloss.
* Landschaftsästhetik und Sichtbarkeit der Anlagen: Die Befürworter von Windparks auf dem Taubensuhl und im Bereich des Wellbachtales argumentieren, dass die Windturbinen durch ihre abgelegene Lage sowieso nur von wenigen Punkten aus zu sehen seien und deshalb die Bevölkerung auch kaum stören würden. Es trifft zu, dass die Kraftwerke von Landau oder Annweiler bzw. direkt aus dem Queichtal nicht zu sehen sind. Begibt man sich dagegen schon auf ein mittleres Gebirgsniveau (400 – 500 m ü. NHN) , so ist das Hochplateau des Taubensuhl von vielen Punkten aus gut zu erkennen; es bildet eines der Zentren des Gebirges und weist eine durchschnittliche Höhe von etwa 500 m ü. NHN auf. Hinzu kommt die vermutliche Höhe der Turbinen von 200 bis 250 Metern Höhe, so dass diese eine Gesamthöhe von 700 bis 750 m ü. NHN erreichen werden. Sie überragen damit jeden Berg des Pfälzerwaldes (höchster Berg ist die Kalmit mit 672,6 m ü. NHN) und werden deshalb auch von überall her wahrgenommen werden können. Die erhabene Landschaft des Naturreservats wäre nachhaltig beschädigt, eine Katastrophe für das einmalige Landschaftsbild! Die mit viel Mühe und ehrenamtlicher Arbeit vom Pfälzerwaldverein und den Tourismusverbänden angelegten Wanderwege, Aussichtstürme u. ä. wären in ihrem Erlebnis- und Erholungswert erheblich beeinträchtigt.
* Bauphase: Wie Bürgermeister Wagenführer mitteilt, werden während der Bauphase keine überbreiten Schwertransporte durch die Gemeinde Eußerthal fahren, was natürlich für ihre Bürger sehr wichtig und erfreulich ist. Dies bedeutet aber auch, dass an anderer Stelle entsprechende Transportmöglichkeiten zu schaffen sind. Im Klartext: Es müssen aufgrund der schwierigen orografischen Situation riesige Schotterpisten angelegt werden, die das bisher weitgehend unberührte Waldgebiet des Taubensuhls massiv zerschneiden werden.
* Rodungen: Pro Windkraftwerk wird ein Flächenbedarf von etwa einem Hektar zugrunde gelegt, auf dieser Fläche muss der Wald gerodet werden. Dies wäre bei 6 bis 9 Windrädern ein Flächenbedarf von etwa 6 bis 9 Hektar, was einer Fläche von bis zu 9 Fußballfeldern entsprechen würde. Jede Anlage muss zur Wartung jederzeit erreichbar sein, so dass die beim Bau angelegten überbreiten Schotterpisten dauerhaft erhalten bleiben. Entsprechende Stromleitungstrassen machen darüber hinaus zusätzliche Rodungen erforderlich, was zu einer weiteren Zerstückelung des Waldgebietes führen wird.
* Geräuschentwicklung: Bei Betrieb der WKA`s werden je nach Technik durch die Rotoren ein breites Zischen oder Rauschen oder niederfrequente Geräuschemissionen und Resonanzerscheinungen (Vibrationen) erzeugt. Diese mechanischen, längere Zeit andauernden Geräuschemissionen können jedoch trotz möglicherweise gleicher Lautstärke nicht mit dem Geräuschpegel gleichgesetzt werden, der in der Umgebung einer Anlage herrscht. So besitzen aus Sicht der Wahrnehmungspsychologie natürliche Geräusche wie das Rauschen des Waldes, Vogelgezwitscher, Summen von Insekten usw. für den Betreffenden eine ganz andere positive Wahrnehmungsqualität und Akzeptanz, als dies bei industriell erzeugten Geräuschen eines Windkraftwerkes der Fall ist.
* Vögel und Fledermäuse: Speziell zum Taubensuhl sind mir hierzu keine Daten bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, dass analog zu anderen Waldgebieten bestimmte windkraftsensible Vogelarten (z. B. Rotmilan) und Fledermäuse (z. B. Kleiner Abendsegler) gefährdet sind (erhöhte Schlagopferzahlen). Laut einhelliger Meinung wichtiger Naturschutzverbände (z. B. BUND und NABU) gehört Windkraft deshalb nicht in den Wald.
* Tourismus: Der Taubensuhl ist ein beliebtes Ausflugs- und Wandergebiet mit Rundwanderwegen und überregionalen Routen des PWV (z. B. der Fernwanderweg „Franken-Hessen-Kurpfalz“, Markierung „rotes Kreuz“). Nach Bau des Windparks wird dieses idyllische Wanderzentrum für Erholungssuchende und Touristen zerstört sein. Auch von dem neu eingerichteten Premiumwanderweg „Pfälzer Waldpfad“ wird man die WKA´s von vielen Punkten aus sehen können, so dass sein Erlebniswert stark beeinträchtigt und gegebenenfalls eine Aberkennung des Gütesiegels zu befürchten ist.
* Energiewende aus eigener Kraft: Es ist sehr wichtig und ehrenwert, wenn sich Gemeinden für die Energiewende engagieren. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass der jeweilige Landschaftsraum – hier der Pfälzerwald – nicht an den Gemeindegrenzen endet. Eine regionale und überregionale Koordination und Steuerung beim Ausbau der Windenergie ist deshalb genauso wichtig wie gemeindeinternes Engagement; nur so kann einem Wildwuchs und einer „Verspargelung“ der Landschaft entgegengewirkt und Landschafts- und Naturschutz auch in Zukunft gewährleistet werden. Am Beispiel des Taubensuhls: Laut Information der regionalen Planungsgemeinschaften stehen außerhalb des Biosphärenreservates „Pfälzerwald“ genügend Flächen zur Verfügung, um die gesteckten Ziele des Klimaschutzes zu erreichen. Warum also ein dermaßen wertvolles Schutzgebiet zerstören?! Warum den Taubensuhl nicht von WKA´s freihalten?
* Fortschritte in der Windenergietechnik: Bereits in wenigen Jahren – nach Angaben der Betreiber etwa ab 2016 – soll eine neue Technik zur Verfügung stehen, die zur Zeit am Fraunhofer Institut Stuttgart entwickelt wird. Diese „Höhenwindanlagen mit Kite-Technik“ wären nach Informationen des Fraunhofer Instituts wesentlich effizienter, billiger und gleichzeitig erheblich weniger umwelt- und landschaftsschädigend als die Dinosauriertechnik der heutigen, überdimensionierten Windkraftanlagen. Mit Kite-Windanlagen könnten auch in der Rheinebene hohe Energieerträge produziert werden, so dass auch aus dieser Perspektive eine Nutzung des Pfälzerwaldes – hier des Taubensuhls – überflüssig wäre.
Die Refrainzeile des von Eduard Jost im Jahre 1869 in Bad Dürkheim verfassten „Pfälzerliedes“ lautet: „O Pfälzerland, wie schön bist Du“. Es wäre traurig, wenn wir zukünftig diese Zeile in „O Pfälzerland, wie schön warst Du“ umformulieren müssten.“

Gegenrede – Pro Windkraft:

Energiewende: Wir die Guten – ihr die Bösen

Wolfgang Thiel, Hergersweiler: „Die Energiewende spitzt sich in den letzten Monaten immer mehr zu einer Polarisierung zu: „ Wir, die Naturschutzverbände sind die Guten und ihr, die Akteure der Energiewende seid die Bösen“, so auch wieder im Pfalz-Express-Artikel „Waldidylle auf dem Taubensuhl – wie lange noch?“.
„Die „Guten“ wollen keine Atomenergie und keine fossilen Brennstoffe mehr für die Verstromung.  Genau das wollen die „Bösen“ auch!
Die „Guten“ wollen den Pfälzerwald vor den Windrädern der „Bösen“ schützen. Doch woher sollen denn die ca. 22 TWh in 2030 kommen, um die 100 % in Rheinland-Pfalz zu schaffen, wenn nicht von den Regenerativen?

Wollen wir unser Klima und damit auch unsere Wälder weiterhin mit CO2 und anderen Emissionen belasten, oder können wir an möglichst windhöffigen Stellen, mit Einhaltung akzeptierter Zonen (z.B. 6 km-Zone an der Weinstraße), so viel wie nötig Energie im Mix mit den anderen Regenerativen ernten?
Oder wollen wir den Anderen in Rheinhessen,  im Hunsrück, in der Eifel, im Nordpfälzer-Bergland  oder im Westerwald die Umsetzung der Energiewende in Rheinland-Pfalz überlassen – getreu dem St. Floriansprinzip? Ich selbst stamme aus dem Nordpfälzer-Bergland. Dort kann man seit mehr als 10 Jahren bei einem 360°-Rundblick viele Windräder-Anlagen sehen. Ist diese Landschaft  weniger Wert?
Oder wollen wir auf unseren Wohlstand verzichten und uns zurück zur Steinzeit entwickeln?

Diese nachdenklichen Fragen sollen keine Totschlagargumente sein, sondern mithelfen die Polarisierung zu entschärfen und den Dialog voranzutreiben.

Doch „Wasser predigen und Wein saufen“, scheint mir die Devise einiger „Naturschützer“ zu sein: Wie oft habe ich schon bei Wanderungen im Pfälzerwald die „Herren der Wälder“ mit bulligen, spritfressenden Offroadern patrouillieren gesehen. Das könnte man auch mit einem Pferd oder mit einem Mountainbike erledigen.
Oder noch schlimmer: die Forstwirtschaft fährt mit panzerähnlichen Geräten durch den Wald, um das Holz, mit einem ohrenbetäubenden Lärm und beträchtlichen Schäden durch neue Wegetrassen, zu ernten. Hier geht es doch auch nur um „Kohle“. Ist das Naturschutz?

Bei einer Veranstaltung von Attac-Landau brachte es ein junges Mädchen auf den Punkt, als es um die Ästhetik  von Windrädern und die daraus resultierenden möglichen Schäden für den Tourismus im Pfälzerwald  ging: „Mir ist die Sicht auf ein Windrad zehnmal lieber als der Anblick eines Atomkraftwerkes!“
Ich finde diese Haltung hat einen sehr guten Ansatz! Lassen sie uns –die Naturschutzverbände und die Akteure der Energiewende-  gemeinsam Lösungen erarbeiten, um die Energiewende in solidarischer Weise zu schaffen und zugleich die Natur zu schützen! Die Naturschutzverbände müssen Teil der Akteure für die Energiewende werden!
Die Energiewende ist eine epochal- notwendige Investition für die Natur, unsere Nachkommen, aber auch für die Sicherung unseres Wohlstandes!“

 

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Nicht oft gibt es Gelegenheit, sich über die Technik eines Windrads informieren zu können. Foto: Ahme

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