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Kreis Germersheim: „Demonstrationen müssen nicht genehmigt werden“

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Demonstration am 7. April auf dem Marktplatz.

Kreis Germersheim – „Um einer irrigen Annahme wiederholt entgegenzutreten, weist die Kreisverwaltung Germersheim erneut darauf hin, dass die Kreisverwaltung nicht Genehmigungsbehörde für Versammlungen ist.“

Das teilte die Kreisveraltung am Samstagabend in einer Pressemitteilung mit. Immer wieder hatte es Diskussionen gegeben und auch in verschiedenen Facebook-Gruppen wurde das Thema immer wieder stark emotional behandelt.

Einerseits ging es darum, die „rechten Demonstrationen“ in Kandel zu verbieten, beispielsweise beim Gespräch von Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Kandel [2] mit Bürger-, Einzelhandels- und Kirchenvertretern.

Andererseits fühlen sich „linke Gruppen“ benachteiligt, die am 7. April nach den offiziellen Kundgebungen am Bahnhof noch Spontankundgebungen kurzfristig durchführen wollten, aber laut eigener Aussage nicht mehr anmelden durften.

Im Schreiben der Kreisverwaltung heißt es weiter: „Versammlungen müssen nicht genehmigt werden. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht, für dessen Ausübung keine Erlaubnis erteilt werden muss. Das Versammlungsgesetz sieht keine Genehmigung für Versammlungen unter freiem Himmel vor. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug veranstalten möchte, muss dies lediglich bei der zuständigen Behörde anmelden. Zuständig ist in Rheinland-Pfalz die Kreisverwaltung; in anderen Bundesländern ist diese Aufgabe vollständig der Polizei übertragen.“

Anmeldefrist soll für mehr Sicherheit sorgen

Durch die Anmeldung einer Versammlung – die innerhalb der gesetzlichen 48-Stunden-Frist erfolgen muss– werde die Behörde in die Lage versetzt, Auflagen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu prüfen und vor einer Versammlung zu erlassen, so die Kreisverwaltung.

Die Versammlungsbehörde könne das Versammlungsrecht einschränken, müsse dabei aber immer das mildeste Mittel wählen. Ein Verbot oder Auflagen seien nur möglich, wenn zum Zeitpunkt einer entsprechenden Verfügung klar zu erkennen sei, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch diese Versammlung unmittelbar gefährdet ist. „Es müssen konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Bloße Vermutungen und Befürchtungen reichen nicht aus.“

Behörde und Anmeldende sollen nach Versammlungsrecht und einschlägiger Rechtsprechung miteinander kooperieren. Das Procedere: In Kooperationsgesprächen weist die Versammlungsbehörde auf unterschiedliche Interessenlagen hin und sucht mit den Beteiligten nach Lösungen, um einen möglichst störungsfreien Verlauf zu gewährleisten.

„Es soll dabei ein Kompromiss gefunden werden, der allen Interessen und Beteiligten gerecht wird. Es ist dabei das Recht auf Durchführung einer Versammlung sowie das Recht auf Durchführung einer Gegen-Versammlung mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Ausgleich zu bringen“, schreibt die Kreisverwaltung.

Die nötige Gefahrenprognose obliege der Kreisverwaltung als Versammlungsbehörde: „Dabei bedient sich die Kreisverwaltung des Sachverstands der Polizei. Die Leitung des Polizeieinsatzes am Tag der Versammlung obliegt der Polizei.“

Die Grundrechte der Menschen in Kandel seien „natürlich betroffen.“ In Kandel finden mittlerweile regelmäßig und hauptsächlich in der Kernstadt mehrere Demonstrationen [3] statt.

Kollidieren verschiedene Grundrechte oder stehen sich unterschiedliche Interessenslagen gegenüber, muss die Versammlungsbehörde also abwägen und einen entsprechenden Kompromiss herbeiführen.

Beeinträchtigungen müssen ertragen werden

Beeinträchtigte Rechte Dritter können dann in die Abwägung mit einfließen, wenn dazu konkrete Tatsachen bekannt und nachgewiesen sind. „Bloße Störungen oder befürchtete Übergriffe genügen für behördliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit nicht“, betont die Kreisverwaltung.

Das BVerfG hat dazu entschieden, dass solche Beeinträchtigungen, die typischerweise mit der „Massenhaftigkeit der Ausübung der Versammlungsfreiheit“ einhergehen, von der Allgemeinheit ertragen werden müssen.

Über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinaus gibt es eine umfangreiche Einzelfallbesprechung, die sich mit den Aspekten „Auflagen“ und „Verbot“ befassen.

„Wir sehen die Problemlage der Menschen in Kandel und wollen ihnen helfen, damit auch ihre Grundrechte gewahrt werden“, so Landrat Fritz Brechtel. „Die Stadt Kandel mit ihren engen Gassen kann die Demonstrationen kaum mehr ertragen. Die Menschen in Kandel sind stark beeinträchtigt und haben aus Angst vor den Demonstranten schon Veranstaltungen abgesagt. Handel und Gewerbe ist betroffen. Soweit dies rechtlich möglich ist, sollten Versammlungen in der Innenstadt verhindert werden – was allerdings äußerst schwierig sein dürfte“, erklärt Brechtel.

Der Erste Kreisbeigeordnete und Jurist Christoph Buttweiler sagt dazu: „Ob es im Einzelfall gelingen kann, zum Beispiel den Markplatz von Versammlungen freizuhalten, dürfte rechtlich umstritten sein. Hierzu brauchen wir unter anderem mehr konkrete Fakten. Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung sammeln derzeit sämtliche Fakten, die bei der Prüfung von künftigen Auflagen mit einbezogen werden.“

Mit den betroffenen Bürgern und Gewerbetreibenden habe man bereits Gespräche aufgenommen, so Buttweiler. (red)

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Gegendemo in der Bahnhofstraße mit Polizeieinsatz.

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