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Hitzige Diskussion um Hauptstraßen-Sperrung bei Demos in Kandel: Brechtel: „Kreisverwaltung lügt nicht“

Der Stein des Anstoßes: Die Kreuzung war blockiert, der Verkehr konnte nicht durch die Hauptstraße fließen.
Foto: Pfalz-Express

Kandel – Die Kreisverwaltung steht derzeit medial in der Kritik. Der Grund: Bei den Kundgebungen am 1. Dezember [1] in Kandel wurde für etwa eine Stunde die Hauptstraße für den Verkehr gesperrt [2], was ursprünglich nicht vorgesehen war. Der Kreisverwaltung und Landrat Dr. Fritz Brechtel wurde gar bewusstes Lügen vorgeworfen.

Der Verkehr wurde umgeleitet, weil an der Kreuzung Hauptstraße/Rheinstraße/Marktstraße/Bahnhofstraße das „Frauenbündniss Kandel“ auf seiner Route an dieser Stelle stoppte und einen Redebeitrag abhielt.

In der Zwischenzeit waren Teilnehmer der Kundgebung von „Kandel gegen Rechts“ (KgR) zu Fuß in die Hauptstraße gegangen.

In einer ersten Stellungnahme auf Anfrage des Pfalz-Express hatte die Kreisverwaltung erklärt, dass die Sperrung der Hauptstraße auch dadurch zustande gekommen sei, dass sich KgR-Mitglieder in die Hauptstraße begeben hätten und das „obwohl im zweiten Kooperationsgespräch vom 26.11.2018 zugesichert wurde, dass sich die Teilnehmer von Kandel gegen Rechts aus Rücksicht auf die Gewerbetreibenden nicht zu Demonstrationszwecken auf die Hauptstraße begeben und dort in diesem Zusammenhang auch keine Aktionen stattfinden sollen.“

„Kandel gegen Rechts“: Keine Kenntnis von Zwischenkundgebung des „Frauenbündnisses“ gehabt

„Kandel gegen Rechts“ hat das komplett anders gesehen. „Im Kooperationsgespräch hatte uns die KV Germersheim zu unserer Verwunderung den Spot an der Kreuzung angeboten. Da wir aber – im Gegensatz zu ihnen – ernsthaft darum bemüht waren, die Hauptstraße frei zu lassen, haben wir abgelehnt“, so Sprecherin Sarah Boos.

Damals habe man nicht gewusst, dass eine Zwischenkundgebung des „Frauenbündnisses“ an der Kreuzung genehmigt wurde und die Kreuzung somit ohnehin dafür gesperrt werden musste. „Dass bei einer abgesperrten Kreuzung automatisch der Zugang in die Hauptstraße blockiert ist, ist wohl überflüssig zu erklären. Zudem standen dort bereits Hamburger Gitter, bevor auch nur ein Gegendemonstrant vor Ort war.“

Kandel gegen Rechts sei darüber vorher nicht informiert worden und habe damit auch nicht gerechnet. „Erst vor Ort merkten wir, dass die Zwischenkundgebung dort stattfindet und der Weg zur Kreuzung frei begehbar ist“, schildert Boss. Aus diesem Grund hätten sich „nach und nach Antifaschist*Innen dorthin begeben, um den rechten Parolen etwas entgegen zu setzen.“

Dadurch sei die Hauptstraße aber nicht mehr oder weniger blockiert worden, als es ohnehin schon der Fall gewesen sei. Das wisse auch die Kreisverwaltung ganz genau, sagt Boos.

Brechtel: „Unterschiedliches Wissen am Demonstrationstag führte zu unterschiedlichen Auffassungen“

„Die Kreisverwaltung lügt nicht“, weist Landrat Brechtel den Vorwurf deutlich zurück, „Was inzwischen nach vielen Gesprächen, u.a. mit der Polizei, deutlich wurde, ist, dass die verschiedenen beteiligten Behörden mit unterschiedlichem Detailwissen und damit in der Konsequenz mit unterschiedlicher Wahrnehmung in das Demonstrationsgeschehen gegangen sind. Das hat leider zu unterschiedlichen Interpretationen einzelner Momente geführt“, so der Landrat weiter.

Brechtel betont, dass die Mitarbeiter der Versammlungsbehörde „meine Aufforderung, die Hauptstraße frei von Demos zu halten, umgesetzt haben. Das war nicht einfach! Es gab im Vorfeld eine ungute Gemengelange. Nachträglich zum Kooperationsgespräch mit dem `Frauenbündnis Kandel´ kam der Wunsch der Verbandsgemeinde Kandel, die Hauptstraße von Demos freizuhalten. Dies wurde von der Kreisverwaltung unter hohem Zeitdruck in Form eines neuen Bescheides so umgesetzt und vom Verwaltungsgericht durch Urteil bestätigt.“ Trotz aller Spannungen im Vorfeld sei es gelungen, so Brechtel.

Es solle in Richtung aller Versammlungsteilnehmer doch betont werden, dass beide Versammlungen stattfinden konnten, beide weitgehend friedlich verlaufen seien und alle ihrem Recht auf Versammlung und Meinungsfreiheit hätten nachgehen können. „Dafür danke ich der Polizei und meiner Behörde ausdrücklich.“

Durch die nachträgliche kurzfristige Verlegung der Aufzugstrecke habe sich jede Behörde auf den 1. Dezember neu vorbereitet, erklärte Brechtel. „Es wurden dabei nicht – und werden nie – alle Details, darunter einsatztaktische Erwägungen und Notwendigkeiten besprochen. Meine Mitarbeiter sind in der Eile der Verlegung der Demostrecke des `Frauenbündnisses´ auf eine möglichst nicht anfechtbare Alternative und dem Bestreben, die Demos raus aus der Hauptstraße zu halten, daher von einer zeitlich überschaubaren Sperrung der Hauptstraße für den Verkehr ausgegangen. Für sie war klar, dass die Geschäfte frei von Demonstrationen, aber fußläufig erreichbar bleiben“, so Brechtel weiter. „Was meine Mitarbeiter definitiv nicht kannten, sind die für den Demo-Tag notwendigen polizeitaktischen Vorgehensweisen. So wussten sie nicht im Detail, wann genau und wie lange die Hauptstraße gesperrt wird. Für die Polizei war darüber hinaus völlig klar und übliches Vorgehen, dass der fließende und parkende Verkehr zurückgeleitet werden muss.“

Alles ein Missverständnis?

An dieser Situation erhitzten sich nun die Gemüter. Aus dem Kooperationsgespräch mit „Kandel gegen Rechts“ seien die Mitarbeiter der Kreisverwaltung mit dem Eindruck hinausgegangen, die Polizei bereite sich auf den Fall vor, dass wider der Absprache Gegendemonstranten auf die Hauptstraße gehen.

Als die Mitarbeiter der Versammlungsbehörde nun an der Kreuzung Bahnhofstraße/Rheinstraße angekommen seien, hätten sie diese Auffassung bestätigt gesehen, da die Hamburger Gitter bereits gestellt waren und sich „Gegendemonstranten an diesen befanden“.

„Diese Schilderungen sind glaubhaft. All dies erklärt mir nun auch, weshalb sich die Situation so zugespitzt hat, sich Vorwürfe gegen die Kreisverwaltung, meine Mitarbeiter und meine Person richten und wir von manchen sogar fälschlicherweise als Lügner dargestellt werden“, so Brechtel. „In Kenntnis dessen, dass sich jede Behörde in der angespannten Lage durch die kurzfristige Verlegung der Demostrecke des `Frauenbündnisses´ wohl sehr auf ihre ureigenen Aufgaben konzentriert hat, appelliere ich an alle, die Stimmung nicht weiter anzuheizen.“

Natürlich werde man wie alle beteiligten Behörden aus diesen Erfahrung lernen und künftig an Stellschrauben drehen, versichtert der Landrat. „Wir lassen uns aber nach wie vor nicht auseinanderdividieren. Stattdessen wünschen wir uns, dass wir nach vorne schauen und radikalen Kräften keinen Aufschub leisten. Eines sollte auch nicht vergessen werden: Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dieses zu gewährleisten, ist die gesetzliche Aufgabe der Versammlungsbehörde – ob es uns persönlich passt oder nicht.“ (red/cli/kv)

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