- Pfalz-Express - https://www.pfalz-express.de -

Germersheim: Stadtrat appelliert an DITIB: Moscheebau verschieben

Stadtratssitzung am 8. September: Der Appell wurde beschlossen. Foto: Pfalz-Express/Licht [1]

Stadtratssitzung am 8. September: Der Appell wurde beschlossen.
Foto: Pfalz-Express/Licht

Germersheim – Der Stadtrat hat auf Antrag der Fraktionen von CDU, FWG, FDP und Republikanern einen offiziellen Appell an die DITIB Germersheim beschlossen.

Der Inhalt: Die DITIB (Türkisch Islamischer Kulturverein e.V.) soll den Bau der geplanten Moschee [2] in der Hans-Sachs-Straße verschieben.

Der Bauantrag wurde schon Anfang Juli von der Kreisverwaltung genehmigt. CDU-Spitzen im Kreis haben inzwischen Widerspruch [3] eingelegt, formal wegen zu wenigen Parkplätzen.

FWG: „Deutliche Geste“

Andreas Müller (FWG) sagte, es gebe eine „große Verunsicherung in der Bevölkerung, auch wegen politischen Lage in der Türkei.“

DITIB sei der verlängerte Arm von Staatspräsident Erdogan. Viele hätten Angst vor Indoktrination, besonders bei Jugendlichen. Auch die Landesregierung habe den Dialog mit dem Moscheenverband ausgesetzt. Eine Verschiebung seitens des Vereins sei eine „deutliche Geste“, dass die Vereins-Verantwortlichen die Sorgen der Bevölkerung ernst nähmen. Den Dialog wolle man natürlich weiter pflegen.

CDU: „Dampf aus dem Kessel“

CDU-Fraktionchef Dr. Wolfgang Sorge betonte das jahrzehntelange gute Zusammenleben mit allen Nationen: “Es klappt in Germersheim.“

Die Diskussion über die Moschee habe ein erschreckendes Ausmaß erreicht: So sei eine Ratskollegin sogar telefonisch bedroht worden. „Das geht gar nicht“, stellte Sorge klar.

Die Religionsausübung der Muslime sei seit 30 Jahren problemlos möglich gewesen. Indes: DITIB sei heute „anders als vor zwei Jahren“. Seit dem Putschversuch in der Türkei habe man ein „schlechtes Bauchgefühl“, dass es dort nicht mehr rechtsstaatlich zugehe. „Wer so schnell eine Liste aus der Schublade zieht mit 2000 Richtern, die verhaftet werden – da kommt Misstrauen auf.“

Deshalb müsse erst mal „Dampf aus dem Kessel“. Die Verschiebung sei kein Zeichen gegen die muslimischen Mitbürger, nur wolle man Situation nicht eskalieren lassen.

Der Stadtrat hätte im Übrigen nichts verbieten können, wie von einigen Moschee-Gegnern gefordert. Den Widerspruch der Stadt bezeichnete Rechtsanwalt Sorge als „logisch und nachvollziehbar“. Aus Fristgründen müsse man zuerst Widerspruch einlegen, nach genauerer Akteneinsicht die Begründung nachliefern.

Grüne: „Appell reißt Gräben auf“

Die Grünen lehnten den Antrag ab. Jens Schafberg sagte, die Begründungen der antragstellenden Fraktionen sei „sehr vage“.

Den Antrag halte er nicht für sinnvoll – im Gegenteil: „Er ist eher schädlich, denn es werden Gräben aufgerissen.“

SPD: „Es sind Ihre Nachbarn“

Auch die SPD war dagegen. Reinhard Werner befürchtete, dass sich der Appell nachhaltig negativ auf die Integration auswirken werde.

Auch ihn beunruhige eine Großdemonstration von Erdogan-Anhängern in Deutschland und gewisse Entwicklungen in der Türkei.

Die Forderungen der CDU, der Verein solle sich von DITIB unabhängig machen und in Deutschland ausgebildete Imame einsetzen, sei aber ein „Schimäre“: „Wenn der Staat es nicht einmal schafft, islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zu installieren – was soll dann diese Forderung.“

Auch die Begründung der fehlenden Parkplätze hält Werner für ein Fake: „Es werden keine zusätzlichen benötigt.“

Solange die Moschee in einem hässlichen Zweckbau untergebracht sei, habe trotz DITIB niemand Probleme damit gehabt, so Werner weiter. Auch flössen keine Gelder aus Ankara, der Bau finanziere sich rein durch Spenden und Kredite hiesiger Bankinstitute.

„Es sind Ihre Nachbarn, die sich ein ansprechendes religiöses Zentrum bauen wollen“, appellierte Werner nun seinerseits an die Ratskollegen. Dem dürfe man keine Steine in den Weg legen und nicht auf den „nationalistischen Zug“ aufspringen. Wer Verständnis fordere, müsse auch welches aufbringen.

Blockiere man den Bau, lockten womöglich die Verführer der islamistischen Szene :„Die sagen dann: Kommt doch zu uns, wenn sie euch dort nicht wollen.“

Bei der Abstimmung wurde der Antrag, den Appell zu stellen, aber dann doch mehrheitlich durchgewunken.

Muslime „enttäuscht und traurig“

Die Zuschauerplätze waren dieses Mal voll besetzt. Viele Muslime hatten die Sitzung verfolgt, darunter etliche junge Leute.

Ein 21-Jähriger mit türkischen Wurzeln, geboren in Germersheim und Mitglied bei der DITIB, ist enttäuscht: „Es macht einen traurig“, sagte er dem Pfalz-Express. „Wir sind nicht in der Türkei, sondern in Deutschland. Wir leben hier und ich bin Deutscher. Mit einer solchen Entscheidung fühlt man sich automatisch als Außenseiter.“

Ein anderer, 23 Jahre und ebenfalls Germersheimer, kein DITIB-Mitglied, aber regelmäßiger Moschee-Besucher, fühlt sich wie „ausgestoßen“.

„90 Prozent, die dagegen gestimmt haben, habe ich noch nie in der Moschee gesehen – da geben Leute eine Stimme ab, die wenig oder nichts mit türkischstämmigen Bürgern zu tun haben.“ Vielleicht wäre sogar eine Mehrheit der Germersheimer Bevölkerung für den Bau der Moschee, hofft er: „Aber nur wenige stimmen ab.“

Eine junge Frau versteht die ganze Aufregung nicht: „Es ist doch nur ein architektonisches Objekt, das sich ändert.“

Schriftliche Stellungnahme der SPD

Die Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Germersheim, Elke Bolz, und der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Markus Pfliegensdörfer, nannten zudem in einer schriftlichen Mitteilung weitere Gründe für die Ablehnung des Appell-Antrags.

Unter anderem heißt es darin: „(…) Die SPD Germersheim weist die den Antrag unterstützenden Fraktionen darauf hin, dass geltendes Baurecht nicht mit der Organisationsstruktur eines deutschen eingetragenen Vereins oder mit der politischen Situation in der Türkei zu vermischen ist. Es ist wichtig und wünschenswert, dass DITIB e.V. in Germersheim die Öffentlichkeit angemessen und transparent über seine Organisationsstruktur und sein Bauvorhaben informiert. (…)

Das gemeinsame Vorgehen von CDU, FWG, FDP und Republikanern zielt ausschließlich auf eine zeitliche Verschiebung des Moscheebaus ab. Eine zeitliche Verschiebung des Bauvorhabens beseitigt jedoch weder Ängste noch Unsicherheiten, die mit der Organisationsstruktur von DITIB in Verbindung stehen.

Eine Verzögerung des Neubaus hat keinerlei Auswirkungen auf die laufende kulturelle und religiöse Arbeit eines Vereins, der bereits seit mehreren Jahrzehnten in unserer Stadt ansässig ist. (…).“ (cli)

Print Friendly, PDF & Email [4]