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Freckenfelder Gemeindesratsbeschluss: Keine Sammelunterkunft für Flüchtlinge in der Gräfenberghalle

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Gemeinderat Freckenfeld, Sitzung am 26. Oktober 2015.
Foto: pfalz-express.de/Licht

Freckenfeld – Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 26. Oktober mit großer Mehrheit beschlossen, keine Sammelunterkunft für Flüchtlinge in der Gräfenberghalle zuzulassen.

Von der SPD kamen drei Gegenstimmen, eine davon von Ortsbürgermeisterin Gerlinde Jetter-Wüst, die zuvor nochmals ihre Haltung für eine Unterkunft deutlich gemacht hatte.

Zu Beginn der Sitzung hatte Richard Schindler (FWG) beantragt, einen zusätzlichen Punkt „Nachlese zur Bürgerversammlung“ auf die Tagesordnung zu nehmen.

Peter Neubauer (SPD) sagte, eine Sammelunterkunft in Freckenfeld sei nicht machbar. Man sei aber gerne bereit, 20 bis 25 Flüchtlinge willkommen zu heißen, wenn diese in Wohnungen untergebracht würden.

Martin Thürwächter (CDU) betonte, die Bürgerversammlung [2] – „eher Bürgerbeteiligung“ – habe bestätigt, dass die Einwohner mehrheitlich gegen eine Sammelunterkunft seien. Diese Haltung richte sich aber definitiv nicht gegen die Flüchtlinge selbst.

Wohnraum suchen

An dieser Stelle appellierte Jetter-Wüst nochmals an Räte und Bürger, mit allen Personen zu sprechen, die möglicherweise Wohnraum zu vermieten hätten. „Es ist erschütternd. Die Häuser stehen da, der Gemeinderat ist aufgefordert, Wohnungen zu suchen und mit den Leuten zu sprechen“, so die Bürgermeisterin.

Sie selbst habe bei eigener und wiederholter Nachfrage mindestens zehn Absagen bekommen.

Jetter-Wüst und Kersten Beyer (CDU) lieferten sich einen kurzen Schlagabtausch, nachdem Beyer angemerkt hatte, dass seiner Wahrnehmung nach erst nach der letzten Ratssitzung der Dialog mit mit potenziellen Vermietern Fahrt aufnehme.

Dem widersprach Jetter-Wüst vehement und verwies auch auf ihre Kenntnisse, die sich sie bei einer Lehrveranstaltung der Universität Kaiserslautern zum Thema „Leerstandslotse“ angeeignet habe: „Ich bin immer da, wenn ich erfahre, dass ein Haus oder eine Wohnung vermietet wird.“

Die Gemeinde habe eine 50-Quadratmeter-Wohnung, die aber natürlich zu wenig Platz biete.

Beigeordneter Otto Kuhn (CDU) berichtete von zwei Zweifamilienhäusern, bei denen noch geprüft werden müsse, ob diese zur Vermietung anstünden. Eines der Häuser habe man vor Wochen der Verbandsgemeinde angetragen, die damals aber noch keinen Bedarf daran gesehen habe. Nun interessiere sich derzeit ein anderer Mieter für das Objekt.

Einig waren sich alle Räte: Man könne „Einiges machen“, wenn denn nur Wohnungen frei würden.

„Freckenfeld hat keine Angst“

Richard Schindler beklagte eine teils unzutreffende mediale Berichterstattung. Freckenfeld habe keine Angst vor Flüchtlingen. Man habe im Gegenteil in der Vergangenheit Flüchtlinge aus dem damaligen Balkankrieg oder dem Libanon beherbergt – und das gerne.

Es sei ein sehr gutes Verhältnis gewesen. Die Familien hätten sich hervorragend integriert, ihr eigenes Geld verdient und seien somit niemandem „auf der Tasche gelegen“. Seinerzeit habe man versucht, mit einer Unterschriftenaktion die Abschiebung einer jahrelang in Freckenfeld ansässigen Familie zu verhindern.

„Halt dein Maul“ – Michael Hutfluss soll sich entschuldigen

Nicht gut weg bei Schindler kam Michael Hutfluss, ehemaliges Gemeinderatsmitglied (SPD). Dieser hatte bei der Bürgerversammlung das Wort ergriffen und sich über das „Verhalten des Rats“ (bei der Sitzung vor der Bürgerversammlung) mit teils derben Worten beschwert.

Ratsmitglieder anzugreifen und als Lügner zu bezeichnen, Zitate außerhalb des Kontextes anzuführen und Sachverhalte zu verwischen, so wie Hutfluss es getan habe, schüre nur weiteren Unmut, sagte Schindler.

Das schroffe „Halt doch dein Maul“, mit dem Hutfluss einen Widersprechenden angefahren habe, sei „kein Stil“. Jetter-Wüst hätte eingreifen und den Monolog Hutfluss´ beenden sollen. Dieser selbst müsse sich entschuldigen.

Beigeordneter Otto Kuhn berichtete vom Bemühen aller Räte, einen guten Umgang miteinander zu pflegen. Dies habe Hutfluss mit seinem Auftreten geradewegs wieder zunichte gemacht.

„Fragen nicht beantwortet“

Auch Landrat Dr. Fritz Brechtel bekam sein Fett weg. Man sei enttäuscht, sagten Vertreter aller Fraktionen. Die Ängste der Bürger seien weitestgehend ignoriert, die meisten Fragen nicht beantwortet worden.

Auch Helmut Thürwächter kritisierte den Landrat: Das sei „schwach“ gewesen. Er hätte von Brechtel erwartet, wenigstens ein paar der Fragen aufzuschreiben und darauf einzugehen. So seien keine Informationen angekommen.

War Knauth ursprünglich nicht vorgesehen?

Anette Knauth von „Kandel aktiv“ habe ihm leid getan an diesem Abend, so Schindler.

Knauth hatte in einem kleinen Vortrag um Verständnis für die Asylsuchenden geworben.

Sie zeige ein lobenswertes Engagement, jedoch sei die Bürgerversammlung nicht der rechte Ort für ihren Auftritt gewesen.

Überhaupt sei Knauths Auftritt im Vorfeld nicht geplant gewesen. Dann habe sie plötzlich doch gesprochen, kritisierten Schindler und Kersten Beyer mit Blick auf die Ortsbürgermeisterin.

„Bürgerversammlung zu früh abgebrochen“

Nächster Kritikpunkt, den Schindler anführte und auch die Zustimmung der CDU dazu erhielt: Die Bürgerversammlung sei vorzeitig abgebrochen worden, obwohl noch viele Bürger Fragen gehabt hätten. Ebenso hätten etliche Fragen der Freckenfelderin, deren Ehemann sich derzeit noch in den Krisengebieten im Nahen Osten aufhält (siehe Bericht), im Raum gestanden.

Jetter-Wüst entgegnete, es habe bereits Aufbruchstimmung geherrscht, es sei zu laut gewesen. Auch habe sie nicht die detaillierten Kenntnisse, um diese Fragen beantworten zu können.

Dann hätte sie die Fragen notieren und sich erkundigen sollen, ebenso der Landrat, war Schindlers Antwort.

Peter Neubauer schlug vor, die Fragen eventuell über das Amtsblatt zu beantworten. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, die entsprechenden Informationen zu bekommen.

 Bürgerfragestunde: Wie stark wiegen die kulturellen Unterschiede?

In der Bürgerfragestunde war (neben des Themas Windpark, Bericht dazu erfolgt gesondert) wiederum das Flüchtlingsthema Schwerpunkt.

Wieder sprachen Bürger ihre Sorgen, Bedenken und Meinungen aus.

Ein Bürger wollte wissen, warum man in den zahlreichen Hallen in Kandel keine Flüchtlinge unterbringe? Oder in den leerstehenden Gebäuden der Firmen Eichinger oder Obi?

Die Hallen gehörten alle der Stadt Kandel, erklärte Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD), und somit sei auch der dortige Stadtrat zuständig. Andere leere Gebäude seien anderweitig vermietet und nicht zu bekommen: „Es vergeht kein Tag ohne Gespräche über die Nutzung von freien Flächen“, betonte Poß.

Ob man denn Wünsche äußern könne bezüglich Geschlecht und Zusammensetzung der Flüchtlinge, fragte ein anderer Bürger.

Poß sagte, er bekäme nur die Anzahl der zugewiesenen Personen mitgeteilt, aber nicht, ob es Männer, Frauen oder ganze Familien seien. Neun weitere Asylsuchende kämen noch diese Woche in Kandel an.

Runder Tisch Asyl Freckenfeld?

Eine Zuhörerin schlug vor, eine Arbeitsgemeinschaft Asyl zu gründen, damit die Gemeinde ihrer Verantwortung gerecht werden könne: Jeder habe doch Ideen, diese könne man sammeln. Man müsse vorbereitet sein, wenn der „Tag X“ käme, also eine plötzliche Zuweisung einer großen Anzahl Asylbegehrender.

Volker Poß verwies auf die schon abgehaltenen „Runden Tische Asyl“ in der Verbandsgemeinde und bot seine Hilfe an, über die grundsätzlich vorhandenen Strukturen zu informieren: „Ich komme gerne zu einem Runden Tisch Asyl Freckenfeld“.

Ein weiterer Bürger, der bereits bei der Bürgerversammlung viel Zuspruch erhalten hatte, sprach die kulturellen Unterschiede und die daraus möglicherweise resultierenden Probleme an.

Durch eine stark durch Religion und Patriarchat geprägte Gesellschaft, in der die Flüchtlinge verankert seien, wäre deren Toleranzschwelle wohl deutlich niedriger als die der Menschen im Westen. Auch könne durch die erlebte Gewalt während des Bürgerkriegs die Aggressionsschwelle niedriger liegen.

„Bürger machen Hauptteil der Integrationsarbeit“

„Aufgrund ihres Glaubens können die Flüchtlinge nicht so tolerant sei wie wir. Wir müssen selbst toleranter sein und werden.“ Man könne einen „Patriarchaten nicht mal schnell zu einem toleranten Demokraten umerziehen“. Da müsse die Politik ein Zeichen setzen, dass es sich für die Bürger lohne, so viel Toleranz aufzubringen.

“Respekt vor Frauen, freiheitliches Denken – das bekommen sie (die Flüchtlinge) so nicht hin. Die Bürger müssen den Hauptanteil an Integrationsarbeit leisten.“

Der Redner bat darum, bei kritischen Fragen nicht gleich den Kopf zu schütteln und diese zu verneinen, sondern fundiert zu erwägen und zu klären. Gleichzeitig gab es ein Lob für Volker Poß, der immer ein offenes Ohr habe.

Der Rechtsstaat müsse geschützt werden, das gehe aber nur, wenn Verstöße der Flüchtlinge auch geahndet würden. Es könne nicht sein, dass ein deutscher Bürger das Gefühl bekomme, er werde mehr bestraft als ein Flüchtling.

„Solche Dinge dürfen nicht passieren. Und man muss es aussprechen dürfen, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden. Sonst entsteht Unmut unter den Bürgern.“

Ob man denn auch die Polizei aufstocke, hakte der Bürger nach. Er selbst kenne einige Polizisten, die in Brennpunkten in Karlsruhe tätig seien: „Es ist sehr schwierig dort.“

Das wisse er nicht, sagte Poß, er sei nicht für die Polizei zuständig. Er können nur wiederholen, das es in Kandel mit 135 Asylsuchenden bis dato überhaupt keine Probleme gegeben habe. „Natürlich kann ich nicht versprechen, dass nicht irgendwann etwas passiert, ich bin kein Hellseher“, so Poß. Bislang sei jedoch nichts vorgekommen.

Ein anderer Freckenfelder äußerte sein Unverständnis darüber, dass abends nach 18 Uhr Asylbewerber seiner Kenntnis nach mit dem Taxi umsonst in Krankenhäuser gebracht würden. Das sei ungerecht: Jeder „kleine Rentner“ müsse die Fahrt selbst bezahlen.

Bei 50 Menschen in einer Halle kämen wohl Reibereien vor, warf ein weiterer Freckenfelder ein: „Egal, welche Menschen das sind.“ Hätte man früher über alles gesprochen, sei vielleicht Manches anders verlaufen.

In Freckenfeld ist die Diskussion nun wirklich in Gang gekommen. (cli)

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