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Flüchtlinge bedanken sich mit Arbeitseinsatz auf dem Kandeler Friedhof

Mandouh (li.) und Mohammad hat die Arbeit auf dem Friedhof Spaß gemacht. Fotos: pfalz-epress.de/Licht [1]

Mandouh (li.) und Mohammad hat die Arbeit auf dem Friedhof Spaß gemacht.
Fotos: pfalz-epress.de/Licht

Kandel: Die unruhige Stimmung um das Thema Flüchtlingszustrom und Unterbringung haben auch die Asylsuchenden in Kandel wahrgenommen.

Besonders die Diskussion in Freckenfeld zur Sammelunterkunft [2] für Asylbewerber habe die Flüchtlinge betroffen gemacht, berichteten Anette Knauth und Annette Schoppmann von der Unterstützergruppe „Kandel aktiv“.

Die Asylbewerber wollten sich daraufhin erkenntlich zeigen, ihre Dankbarkeit für die Aufnahme in den Gemeinden sichtbar zum Ausdruck bringen.

So entstand die Idee, mit einen gemeinsamen Arbeitseinsatz den Kandeler Friedhof zu reinigen, von Herbstblättern zu befreien und Unkraut zu jäten. Derzeit ist Jörg Trauth vom Friedhofsamt allein für das Gelände zuständig und kann Hilfe gut gebrauchen.

Am Samstagmorgen schwärmten die jungen Männer, etwa 25 an der Zahl und mehrheitlich Muslime (aus Syrien, Pakistan, Afghanistan, Somalia und Ägypten) aus und packten kräftig an: Mit Harken, Besen, Hacken und Schubkarren ausgestattet ging es an die Arbeit.

Zu tun gab und gibt es reichlich. Ganze Berge von Herbstlaub wurden von Wegen und Gräbern geräumt, die Wegsäume von Unkraut befreit.

Dass Muslime einen christlichen Friedhof beackern, ist kein Problem für die Flüchtlinge. Sie wissen, dass es für Christen ein wichtiger Ort ist und betraten den Friedhof mit Respekt. Auch zum vieldiskutierten Thema Toleranz äußerten sich die Asylsuchenden positiv: Man begegne ihnen mit Toleranz, und so würden sie ebenfalls Toleranz üben.

Hoffen auf ein friedliches Leben

Mohammad (23) kommt aus dem Nordosten Syriens, aus der kurdischen Stadt Qamischli an der Grenze zur Türkei. Er ist im März diesen Jahres nach Deutschland gekommen. Seine Universität in der Stadt sei nur noch Schutt und Asche, erzählt der Chemiestudent, der kurz vor seinem Abschluss fliehen musste. Inzwischen sei sein Asylantrag anerkannt, sagt er.

Mohammad konnte nicht zu Ende studieren. [3]

Mohammad konnte nicht zu Ende studieren.

Qamischli gehört zum syrischen Gouvernement Al-Hasaka, von dem große Teile unter der Kontrolle des sogenannten Islamischen Staats stehen. Deshalb sind auch Bshar (22), seine beiden jüngeren Brüder und sein Cousin geflohen und hoffen auf Asyl in Deutschland.

Mandouh (29) kommt aus Ägypten. Er möchte gerne hierbleiben, aber für ihn wird es möglicherweise kein Bleiberecht geben.

Der Syrer Mohammad (22) ist schon zwei Jahre hier. Auch er ist mittlerweile anerkannt. In Deutschland hat er Asyl beantragt, nachdem seine kleine Heimatstadt in der Nähe von Damaskus von Kämpfen nahezu zerstört wurde.

Deutschland gefalle ihm außerordentlich gut, in Kandel seien alle nett und freundlich zu ihm, sagt er. Mohammad spricht bereits gut Deutsch, auch Englisch kann er flüssig. Momentan absolviert er ein Praktikum in einem Friseursalon in Wörth und spielt Fußball in Kandel.

Ahmed (35) stammt aus Somalia und lebte mit seiner Frau in Mogadischu. In Somalia tobt seit über 20 Jahren der Bürgerkrieg. Auch in der Hauptstadt werde immer noch ständig gekämpft, es sei gefährlich dort, erzählt Ahmed.

Sollte er seinen Asylantrag bewilligt bekommen, will er seine Frau schnellstmöglich nachholen: Einige wenige individuelle Schicksale, die der großen anonymisierten Masse der Flüchtlinge ein Gesicht geben und eine Geschichte erzählen.

Respekt und Gruppengefühl

In Kandel im Feuerwehrgerätehaus (das die Verbandsgemeinde zur Verfügung stellt), bekommen die Flüchtlinge Deutschunterricht. Man habe das „Jockgrimer Modell“ von Pfarrer Kalka eins zu eins übernommen, erzählen Knauth und Schoppmann.

Momentan unterrichten vier Lehrerteams ehrenamtlich im Rotationsverfahren, so dass der Unterricht immer fortlaufend ist, auch wenn die Asylbewerber wegen Ämtergängen oder anderen Erledigungen einmal nicht teilnehmen können.

Die „Schule“, wie die Flüchtlinge den Unterricht nennen, dient auch noch einem anderen Zweck. Es entsteht ein Gruppengefühl, auch bei Ethnien, die sich möglicherweise nicht immer ganz „grün“ sind. Die Lehrer predigen gegenseitigen Respekt, die Botschaft kommt an. Das tue auch den Kommunen gut, sagt Anette Knauth.

Auch bei der Reinigungsaktion auf dem Friedhof war von Spannungen nichts zu spüren. Die Stimmung war gelöst und freundschaftlich. Verbandsbürgermeister Volker Poß und die Monika Schmerbeck, Beigeordnete der Stadt Kandel, statteten den fleißigen Arbeitern einen Besuch ab.

Familie Daub, ebenfalls aus Kandel, organisierten ein Frühstück und berücksichtigten die Wünsche der Flüchtlinge – die recht bescheiden waren: Äpfel, Bananen, Brezeln, Wasser und Cola standen auf dem Tisch in der Fahrradhalle bei der katholischen Kirche.

Auch Henriette Bohlender, eine Besucherin auf den Friedhof, war überrascht und erfreut über die Aktion, besorgte spontan nochmals Obst und will am 14. November bei der Fortsetzung der Aktion zum Volkstrauertag Suppe für alle bringen.  Um 14 Uhr war die Arbeit getan, mit dem Ergebnis waren Flüchtlinge und Betreuer äußerst zufrieden.

Die Bürger, die derweil ihre Gräber pflegten, reagierten positiv.  „Des sin jo so nette junge Männer, so freundlich un hilfsbereit“, sagte eine Bürgerin. Eine andere lobte: „Ich finde es sehr sehr gut, dass sie (die Flüchtlinge) sich hier einbringen.“ (cli)

Information

Wer ehrenamtlich mithelfen will, kann freitags von 16 bis 18 Uhr im „Bistro International“ in den Räumen des Frauen- und Familienzentrums vorbeischauen und sich informieren.
Derzeit gibt es Überlegungen, die Unterstützergruppe in eine offizielle Initiative umzubauen.

Verbandsbürgermeister Volker Poß, Beigeordnete Monika Schmerbeck. [4]

Verbandsbürgermeister Volker Poß, Beigeordnete Monika Schmerbeck.

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