- Pfalz-Express - https://www.pfalz-express.de -

50 Jahre Verbandsgemeinde Kandel – Großes Fest in der Bienwaldhalle

Hat den Rhythmus raus: Bürgermeister Volker Poß trommelte zur Musik aus den 70ern, die von der Musikschule Kandel gespielt wurde.
Fotos: Pfalz-Express/Licht – Fotostrecke am Textende

VG Kandel – Mit einem großen Fest in der Kandeler Bienwaldhalle hat die Verbandsgemeinde am Freitagabend mit geladenen Gästen ihren 50. Geburtstag gefeiert. Die VG besteht seit 1. Oktober 1972 und entstand um Zuge der damaligen Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. 

Gleich vorneweg: Die Feier war mehr als gelungen, die Gäste schwärmten in höchsten Tönen von der superben Musik der Musikschule Kandel, dem hervorragenden Buffet und der guten Stimmung. Im September soll dann noch ein Mitarbeiterfest gefeiert werden, um auch alle Mitarbeiter der Verwaltung an den Festivitäten teilhaben zu lassen.

 

Bürgermeister Volker Poß (SPD) hielt eine umfangreiche Ansprache. Jeder wurde begrüßt, entweder als Gruppe oder einzeln, und viele altgediente und aktive Bürgermeister, Mitarbeiter, Stadtrat- und Verbandsgemeinderatsmitglieder und kommunal Tätigen wurden gewürdigt.  

Ehrengäste waren Staatsminister Alexander Schweitzer (SPD), der auch die Festrede hielt, die Landtagsabgeordneten Thomas Weiner (CDU) und Martin Louis Schmidt (AfD) Schmidt oder Prof. Dr. Hannes Kopf, Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd. Grüße ließ Ex-Ministerpräsident Kurt Beck ausrichten, der an diesem Tag in München war und – man staune – Horst Seehofer (CSU) als ehemaligem Ministerpräsidenten-Kollegen eine Verdinestmedaille überreichte. 

Nicht fehlen durfte natürlich auch Ex-Bürgermeister Günther Tielebörger. 1981 kam er nach Kandel und war bis 2009 der Chef des heutigen Bürgermeisters Poß. Der lobte seinen ehemaligen Vorgesetzten: „Er hat mich gefordert und gefördert. Er hatte viele Ideen, Tatkraft, Beharrlichkeit und Tatkraft und hat die Verbandsgemeinde und Kandel weit vorangebracht.“

Oskar Böhm war der erste Bürgermeister der neuen Verbandsgemeinde: „Er bleibt uns unvergessen“, sagte Poß, denn er habe die Entwicklung der VG entscheidend geprägt. Böhm starb 2001 im Alter von 85 Jahren.

Poß dankte auch Feuerwehr und Polizei („der gesamten Blaulicht-Familie“) für ihren Einsatz am Gemeinwohl. Vor Ort vertreten waren die Wehrführer der jeweiligen Ortsgemeinden-Feuerwehren. Für die Polizeiinspektion nahmen deren Leiter, 1. Polizeihauptkommissar Thomas Lederer, und Hauptkommissar Joachim „Joe“ Hoffmann an den Feierlichkeiten teil. Gerade die Polizei habe in den Jahren, als Rechtsextreme Kandel heimgesucht hätten, sehr viel leisten müssen, sagte Poß, der selbst häufig bedroht und im Netz beschimpft wurde. 

Auch die Kirchen leisteten hervorragende Arbeit zum Beispiel mit Geflüchteten, so Poß weiter, der das Pfarrer-Ehepaar Dembek (Prot. Kirchengemeinde) und Stanislaus Mach (Kath. Kirche) willkommen hieß.

„Es geht uns um das Wohl der Bürger“

Vor 50 Jahren war man ein wenig skeptisch, ob das „denn alles so klappt mit den Verbandsgemeinden“, erinnerte Poß an die Anfangszeit. Die Übergangszeit sei allerdings gut gemeistert worden und die von Kritikern befürchtete fehlende Bürgernähe sei nicht aufgetreten. Und heute? „Auch wenn das ein oder andere mal länger dauert – wir sind alle nur Menschen – oder es unterschiedliche Meinungen gibt, geht es uns nicht um Rechthaberei, sondern um das Wohl aller unserer Bürger.“

Drei Wünsche äußerte Poß zum Ende seiner Rede. „Erstens: Dass wir in Zukunft in Frieden miteinander leben und zu einer Weltgemeinschaft werden, die von Respekt und Achtung geprägt ist. Zweitens: Dass wir ein Corona-freies und weitestgehend gesundes Leben führen dürfen. Drittens: Dass wir all unser Tun dem Schutz des Klimas widmen und unser Leben danach ausrichten. Lassen Sie uns als Verbandsgemeinde unseren bescheidenen Anteil daran leisten.“

Schweitzer: Viele neue Aufgaben für Verbandsgemeinden dazugekommen

Der Hauptredner des Abends, Alexander Schweitzer, freute sich, „dass man wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen kann. Ich bin froh, dass die VG bei der Planung etwas gewagt hat.“ Schweitzer richtete Grüße von Ministerpräsidentin Malu Dreyer aus – und auch nochmals von Kurt Beck. Es sei gut, dass sich  ehemalige Ministerpräsidenten mit Respekt begegneten.

„Politisch mutige Taten“

Ein Exkurs Schweitzers führte in die Anfänge der Verwaltungsreform. Die habe durchaus etwas mit dem Aufbruch der 60er Jahre zu tun gehabt, so Schweitzer, der einen Umriss über die Entwicklung gab. Die tradierten Strukturen zu einem gemeinsamen RLP zusammenzufügen, sei keine leichte Aufgabe gewesen. Die Verbandsgemeinden seien nun wie eine Klammer, die organisatorische Aufgaben abnehme, aber die Ortsgemeinden nicht einwickele. „Die Identitäten der Ortsgemeinden bleiben erhalten.“

Unter anderem auch Helmut Kohl als damals junger Ministerpräsident habe die unpopuläre Reform stringent vorangetrieben. Und so seien die Verbandsgemeinden heute eine Erfolgsgeschichte. „Das waren politisch mutige Taten.“ 

Mittlerweile seien zu den Ursprungsaufgaben der Verbandsgemeinden (Schulen, Feuerwehr, Wasserversorgung etc.) noch weitere hinzugekommen. „Es gibt jetzt Aufgaben, die man sich zur Gründungszeit nicht hätte vorstellen können“, sagte Schweitzer. „Zum Beispiel das Thema Klima – das kann man nur vor Ort umsetzen. Auch die Digitalisierung muss die Verwaltung der Zukunft prägen. Da haben wir noch ein Stück Arbeit vor uns, das darf man wohl sagen.“ Es sei ein „sehr deutscher Ansatz“, erst einmal alle Risiken ausschließen zu wollen, zu schauen, welche Bedenken man noch formulieren könne. Die meisten anderen Länder probierten eher aus und legten los. 

Auch das Thema Demografie sei ein immens wichtiges. „Wir alle leben länger und das hat Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben.“ Die Fragestellungen müssten neu gedacht werden, zum Beispiel: „Wie baue ich Dörfer, welche Angebote mache ich, wie wird die Pflege organisiert. Die Aufgaben von 1972 sind noch da, aber es kommen ständig neue dazu.“ Immerhin: „50 Jahre – das ist ein Jubilar, der noch jung ist, aber schon ein bisschen Erfahrung hat.“

„Hass im Netz muss Tabu werden“

Scharfe Worte fand Schweitzer gegenüber den „Hatern“ im Internet. „Kommunalpolitiker sind nichts anderes als Architekten der Demokratie. Dass man sich beschimpfen lassen muss, wenn man sich für seine Gemeinde einsetzt, das muss ein gesellschaftliches Tabu werden.“ Es sei einfach, auf Social Media vom Sofa aus zu schimpfen, aber selbst nichts zur Gesellschaft beizutragen. „Berechtigte Kritik ja, aber persönliche Angriffe und Hassreden darf es nicht geben“, betonte Schweitzer. Und: „Es ist kein Zufall, dass ich das hier in der VG Kandel sage.“

An Poß Volker gewandt sagte er: „Wer wie du angegriffen wurde, hat viel mitgemacht. Ich habe bis heute für dich ein gerüttelt Maß an Bewunderung, was du auf dich genommen und ausgehalten hast. Das darf dir niemals vergessen werden.“

Hannes Kopf und der Erste Kreisbeigeordnete Christoph Buttweiler (in Vertretung von Landrat Dr. Fritz Brechtel, der sich noch im polnischen Partnerlandkreis Krotoszyn aufhält [1]) hielten ihre Reden kurz – den Gästen zuliebe, denen bereits der Magen knurrte und die sich dann dankbar am warm-kalten Buffet der Lebenshilfe stärkten. Danach saß man noch lange beisammen – und an so manchem Tisch wurde wohl schon wieder Kommunalpolitik betrieben. (cli)

Termin: 50 Jahre Verbandsgemeinde Kandel – Tag der offenen Türen am [2]15. Mai 2022. Ausführliches Programm hier [3].  

 

Print Friendly, PDF & Email [7]