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Zweibrücker Wahlkrimi – mit Folgen? Zum ersten Mal gibt es in Zweibrücken mit Christina Rauch eine Beigeordnete

21. September 2019 | Kategorie: Politik regional, Regional, Südwestpfalz und Westpfalz

Der unterlegene Kandidat Norbert Pohlmann gratuliert Christina Rauch.
Foto: Ziemerle

Zweibrücken. Eine Wahl wie keine andere gabt es in Zweibrücken bei der dritten Sitzung des Stadtrates. Die Wahl war nötig, da der jetzige hauptamtliche Beigeordnete Henno Pirmann am 31.12.2019 in den wohlverdienten Ruhestand geht.

Über mangelnde Vielfalt und Auswahl konnten sich die Frauen und Männer des Stadtrates nicht beschweren. Sieben Kandidaten aus den eigenen Reihen standen zur Wahl.
Außergewöhnlich war auch das Interesse der Zweibrücker Bürger. Die zur Verfügung gestellten Plätze reichten weder für das Publikum noch für die Presse aus.

Die erste Bewerbungsrede hielt die einzige Frau und jüngste Bewerberin, die 38-jährige Christina Rauch (CDU).

Christina Rauch.
Foto: Ziemerle

Sie wies in ihrer Rede daraufhin hin, dass vor 99 Jahren die ersten beiden Frauen in den Zweibrücker Stadtrat gewählt wurden und es nun an der Zeit für eine Frau im Stadtvorstand sei. Sie sprach mit fester Stimme und wies darauf hin, dass der zu erwartende Altersdurchschnitt bereits im Jahre 2030 bei über 50 Jahren liegen wird, wenn die aktuelle Entwicklung so weitergeht.

Um dies zu vermeiden sieht sie einen ihrer Schwerpunkte in der Wirtschaftsförderung, damit sich zukünftig junge Familien in Zweibrücken ansiedeln. Passend dazu will sie das Essensangebot in den Schulen und Kindertagesstätten deutlich verbessern. Die Innenstadt will sie weiter Richtung „grüne Lunge“ der Stadt ausweiten.

Als nächstes trat der 56-jährige Thilo Huble (SPD) ans Rednerpult. Der Leiter des Kulturamtes hatte sich mit nur zwei Stimmen Vorsprung SPD-intern, gegenüber dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Thorsten Gries durchgesetzt.

Auszählung 1.Wahlgang.
Foto: Ziemerle

Wie seine Vorgängerin legte er einen souveränen Auftritt hin, der ihrem inhaltlich sehr ähnelte. Als seinen Trumpf sah er es an, dass er seit 1986 in der Stadtverwaltung arbeitet und inzwischen Leiter des Kulturamtes ist. Er wisse, wie die Verwaltung speziell in Zweibrücken funktioniert und sieht darin einen Vorteil für seine Aufgabe als erster Beigeordneter.

Als nächstes trat der Gerüstbauunternehmer Atilla Eren ans Pult. Fraktionslos sitzt er für die Wählergruppe „Bernhard Schneider“ im Stadtrat. Den Namensgeber der Liste ließ er wie alle anderen Kandidaten der Liste stimmentechnisch weit hinter sich.

Da sich Eren letztes Jahr auch als Oberbürgermeister beworben hatte, war seine Bewerbungsrede für viele keine Überraschung. Von seinen zehn Minuten Redezeit nutzte er nur vier Minuten. Er präsentierte sich als Mann der Praxis, der gut vernetzt ist und sehr nah am Bürger und deshalb auch sehr beliebt ist.

Dr. Norbert Pohlmann von den Grünen folgte mit seiner Bewerbungsrede. Der 63-jährige setzte voll und ganz auf die „grüne Karte“ und spielte seine langjährige kommunalpolitische Erfahrung aus. Nachdem seine Partei mit fünf Sitzen drittstärkste Kraft geworden ist, will sie ihre Farbe sowohl im Stadtvorstand als auch in der Stadtpolitik vertreten sehen.

„Mehr agieren als reagieren“ lautet seine Devise. Beim Verkehr sollen die Bedingungen für Fußgänger, Rad- und Busfahrer besser werden: „In der Stadt sind immer mehr größere Autos unterwegs, so geht es nicht weiter – wir brauchen mehr Raum für Menschen als für Autos!“. Dazu würde er auch gern die Gastronomie in der Innenstadt stärken.

Der 55-jährige Thomas Körner von der FWG sieht seine Stärken für das Amt darin, dass er aus der Baubranche kommt und das Bauamt im Aufgabengebiet des ersten Beigeordneten in Zweibrücken liegt.

Er würde dafür sorgen, dass zukünftige Bauprojekte wie der Bahnhaltepunkt Rosengarten und die versenkbaren Poller in der Fußgängerzone nicht erneut so verunglücken wie zum Beispiel der „Überflieger“.

Thilo Huble.
Foto: Ziemerle

Als Dirk Schneider (SPD) seine Bewerbungsrede hielt wurde es turbulent. Ganz überraschend warf er am Anfang der Woche seinen Hut in den Ring. Schneider weicht oft von der linientreuen SPD-Meinung ab und war deswegen in früheren Wahlperioden schon von der SPD-Fraktion ausgeschlossen worden. Er ist seit 20 Jahren im Stadtrat und sorgt gern für ungewöhnliche Anregungen und Diskussionen.

Dass ihn die SPD von Wahl zu Wahl auf immer aussichtlosere Listenplätze setzt, hat seine Wiederwahl bisher nicht verhindern können.
Er prangerte das in seinen Augen undemokratische Auswahlverfahren der SPD an. In seiner etwas verworrenen Rede blieb er unter seinen Möglichkeiten. Abschaffung wiederkehrender Beiträge, Umweltschutz, Radwege; vieles sprach er an, ohne es nachvollziehbar aus zuformulieren.

Am Ende kokettierte er mit der AFD, als er forderte, die 55 Ausreisepflichtigen schnell abzuschieben, um so fast eine Million Euro zu sparen.

Den Abschluss der Bewerber machte Aaron Schmidt (DIE PARTEI) der einige Lacher bekam. Er würde das „Outlet“ per Staustufen an die Innenstadt anschließen. Damit endlich ein Teil der vielen Style Outlet Besucher auch wirklich etwas von Zweibrücken sehen.

Da in seinen Augen das Projekt „Stadt am Wasser“ schon lange „abgesoffen“ ist, will er stattdessen das Projekt „Stadt im Wald“ ausrufen, weil es in und um Zweibrücken zwar wenig Wasser aber viel Wald gibt. Und diesen Wald würde er gerne noch weiter ausweiten.

Ein paar Stadträte verließen vor den letzten beiden Rednern den Sitzungsaal, was letztendlich den ersten Wahlgang auch etwas hinauszögerte.

Grünen-Fraktion.
Foto: Ziemerle

Nach dem ersten Wahlgang führte Christina Rauch (CDU) mit 13 Stimme vor Thilo Huble (SPD) mit 8 Stimmen, wobei beide Parteien grundsätzliche gleichviele Sitze im Rat haben.
Dirk Schneider (SPD) landete mit 6 Stimmen knapp vor Norbert Pohlmann (Grüne) mit 5 Stimmen.

Aaron Schmidt (Die Partei) und Thomas Körner (FWG) konnten je 2 Stimmen sammeln. Allerdings waren zwei FWG-Stadträte wegen Urlaub nicht anwesend. Der fraktionslose Atilla Eren bekam eine Stimme.

In der Pause vor dem zweiten Wahlgang herrschte reges Treiben im Zweibrücker Rathaus. Die Stimmung war angespannt und auch wenn es niemand aussprach lagen viele Fragen in der Luft.

Das erkrankte Stadtratsmitglied Theresa Wendel (SPD) fand sich dann zum nächsten Wahlgang noch rechtzeitig vom Krankenbett ein.
Thomas Körner und Atila Eren zogen ihre Kandidatur zurück, dennoch hat der Rat die ungewöhnlich große Wahl aus immerhin noch fünf verbliebenen Kandidaten.

Nach dem zweiten Wahlgang verpasste Christina Rauch knapp die benötigten 20 Stimmen zur Mehrheit, landete aber mit 19 Stimmen sehr deutlich vorne. Thilo Huble und Norbert Pohlmann erreichten je 9 Stimmen. Dirk Schneider hatte nun nur noch eine Stimme und Aaron Schmidt gar null Stimmen.
Ratlosigkeit zeigte sich in vielen Gesichtern. Zum einen bestand etwas Unklarheit über das weitere Wahlverfahren, zum anderen auch über das vorliegende Ergebnis. Es folgte wieder eine lange Pause.

Ein letztendlich sehr enttäuschter Thilo Huble zog vor dem dritten Wahlgang seine Kandidatur zurück.

Im entscheidenden letzten Wahlgang traten nun Christina Rauch und Norbert Pohlmann gegeneinander an. Diesen konnte die Gymnasiallehrerin mit 20 zu 18 Stimmen für sich entscheiden, was einen riesigen Begeisterungsjubel der CDU-Fraktion hervorrief.

Aber auch der knapp unterlegene 63-jährige Norbert Pohlmann brauchte sich in dieser Konstellation nicht als Verlierer zu fühlen. Mit fünf Sitzen seiner Fraktion war dies für ihn mehr als ein Achtungserfolg.

Freude in den Reihen der CDU, die anders als die SPD die Realitäten im aktuellen Stadtrat erkannt hat.
Für die Rosenstadt bleibt es spannend wie sie sich politisch weiter entwickelt.

Gratulation an Christina Rauch.
Foto: Ziemerle

Eine Wahl mit Folgen?

Ein Kommentar von Stefan Ziemerle

Dass die SPD als immer noch in Prozenten stärkste Partei in Zweibrücken nicht mal ihren Kandidaten in die Stichwahl gebracht hat, zeigt den desaströsen Zustand indem sich die SPD wohl nicht nur in Zweibrücken befindet.

Das Ergebnis jetzt dem vermeidlichen Abweichler Dirk Schneider zuzuschreiben greift hier wohl viel zu kurz. Mit welchen Konsequenzen die SPD den nicht immer linientreuen Schneider auch bestraft, es wird Ihr mehr schaden als nützen.

Letztendlich hat es schon etwas tragisch-komisches, wenn die Genossen, die nur deshalb im Stadtrat sitzen, weil sie Plätze ganz vorne auf der Liste haben, diejenigen abwatschen, die sich alle fünf Jahre von recht weit hinten bis weit nach vorne vorschieben.

Wenn nun auch Schneider der SPD nach den neusten Vorfällen den Rücken kehrt, verliert die SPD nicht nur einen wichtigen Platz. Das Ganze kann noch weitere Kreise ziehen und in fünf Jahren gibt es noch eine Fraktion mehr im Rat.

Und welche Partei da weitere Stimmen verlieren würde ist leicht auszumalen. Auf die SPD wartet nun eine Mammut-Aufgabe, um sie zu früheren Stärken zurück zu führen. Wer dies tun soll, fragen sich wohl nicht nur altgediente Genossen.

Ganz anders sieht es bei der CDU aus. Das Ende der großen Koalition scheint erstmal kein Problem zu sein. Sie ist mit der neuen Situation gut zurechtgekommen. Dass z.B. mit Walter Buchholz ein ehemaliges Mitglied nun für die AFD im Stadtrat sitzt, hat ihr machtpolitisch zunächst mehr genützt als geschadet. FDP, FWG und wohl auch die Stimme von Atilla Eren konnten sie schnell auf sich vereinen.

Anscheinend haben auch ehemalige CDUler kein Problem damit, für ihre ehemalige Partei zu stimmen, wenn sie damit verhindern, dass Posten an Grüne oder SPD gehen. Bei ehemaligen SPDlern hingegen sitzt die Verbitterung wohl so tief, dass sie auf gar keinen Fall für ihre ehemalige Partei stimmen. Hier wäre es höchste Zeit, dass sich die SPD bewegt, statt sich nur mit dem immer kleiner werdenden Rest zu beschäftigen.

Die Grünen konnten mehr als einen Achtungserfolg erzielen. Sollten sie genug geeignetes junges Personal in Zweibrücken z.B. aus der „Friday for Future“ Bewegung bekommen, ist es abzusehen, dass sie sehr bald eine wichtige Rolle in der Zweibrücken Politik spielen.

Was ist jetzt nun mit der eigentlichen Wahlgewinnerin Christina Rauch?

Bis zum eigentlichen Amtsantritt sind es jetzt noch drei Monate und dies ist auf Grund dieser turbulenten Wahl auch gut so. Bis zum Januar haben sich die Gemüter beruhigt und die sicherlich aufkommende Diskussion, dass sie ja mutmaßlich mit Stimmen der AFD gewählt wurde, ist bis dahin dann auch längst Vergangenheit.

Letztendlich schadet so eine Diskussion sowohl der Person als auch dem Amt und der ganzen Stadt Zweibrücken. Lasst Frau Rauch ab Januar ihre Arbeit im Stadtvorstand machen, denn nur eine Sache ist wohl recht sicher: anders als ihr Vorgänger Henno Pirmann wird sie wohl nicht in der Position der Ersten Beigeordneten in den Ruhestand gehen, da sie schon in einem Alter Beigeordnete ist, in dem ihr Vorgänger noch gar keinen Gedanken daran verschwendet hat.

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