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Weihnachtspredigt im Speyerer Dom: Bischof Wiesemann: Nicht von Angst dominieren lassen

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann bei der Predigt. Foto: is [1]

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann bei der Predigt.
Foto: is

Speyer – Beim Pontifikalamt am ersten Weihnachtsfeiertag rief Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann die Gläubigen dazu auf, sich nicht von der Angst bestimmen zu lassen, sondern „Tag für Tag die Liebe zu wagen“.

Dabei bezog er sich auch auf die Terroranschläge in Paris: „Sie zielten in den offenen, freiheitlichen Kern unserer Lebenswelt und wollten uns bewusst dort verunsichern, erschüttern, verletzen, wo unser Lebensnerv, unsere demokratischen Werte liegen.“

Er lenkte den Blick zugleich auf die mehr als 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind. „Viele von ihnen fliehen vor Terror und Krieg, aus lebensbedrohlichen und hoffnungslos erscheinenden Situationen. Sie kommen nicht selten unter unsäglichen Strapazen zu uns mit der Hoffnung, hier der Todesangst entfliehen und ein menschenwürdiges Leben führen zu können.“

Die Globalisierung sei immer mehr auch eine Globalisierung der Nöte, Ängste und Konflikte auf der Welt. „Keine noch so hohen Grenzzäune, Sicherheitsmaßnahmen und Schutzwälle können uns aus dieser weltweiten Schicksalsgemeinschaft herausnehmen. Wir müssen mit dem Fremden unser Leben teilen“, betonte Bischof Wiesemann.

In dieser Situation bedeute die Weihnachtsbotschaft, das Denken, Urteilen und Handeln nicht durch Angst entstellen zu lassen. „Freiheit kann nur durch Freiheit bewahrt werden, Menschlichkeit niemals durch Unmenschlichkeit erhalten bleiben“, warnte Bischof Wiesemann davor, dass die Angst vor Überfremdung das humanitäre Angesicht der Gesellschaft raube.

„Keine Bedrohung oder gar Verletzung unserer Sicherheit darf uns in unserer Liebe zur Freiheit und unserem Einsatz für die Unantastbarkeit der Menschenwürde eines jeden, wer und wie er auch sein mag, einschüchtern.“

Die Spiralen von Hass und Gewalt an vielen Orten der Welt zeigen aus Sicht des Bischofs: „Hass sät neuen Hass, Gewalt neue Gewalt, Misstrauen neues Misstrauen.“

Aus diesem Dilemma gebe es keinen anderen Weg als den der Menschlichkeit. „Wir brauchen Gott als Schöpfer und Grund des Lebens als letzten und entscheidenden Garanten für diesen Weg, damit wir ihn immer wieder neu wagen können.“ Die Angst sei ein wichtiges Warnsignal im Leben, aber als Ratgeber tauge sie nichts.

Der Zuspruch „Fürchtet euch nicht!“ durchziehe die Heilige Schrift wie ein roter Faden. „Gott weiß, welche zerstörerische Macht die Angst im Leben der Menschen haben kann.“

Verletzungen im Großen wie im Kleinen verleiteten immer wieder dazu, sich in das „Schneckenhaus der Angst, Enttäuschungen und Verwundungen“ zurückzuziehen, so der Bischof. „Und doch können wir in dieser Höhle höchstens überwintern, niemals aber die Frühlingsluft des Lebens, den Atem der Liebe spüren.“

Er sprach den Gläubigen Mut zu, sich neu hinauszuwagen und sich dem Leben auszusetzen: „Wir müssen das Leben miteinander teilen, Versöhnung wagen, Menschlichkeit bewahren, auch wenn wir Gefahr laufen, missverstanden und abgelehnt zu werden.“

Gott selbst nehme alle Verletzungen auf sich, damit „wir neu die Segel unseres Lebens setzen können und wir das Zutrauen gewinnen, die Gefährdungen des Lebens mit ihm meistern zu können.“

Christmette mit Weihbischof Otto Georgens

Am Heiligen Abend feierte Weihbischof Otto Georgens die Christmette mit den Gläubigen. In seiner Predigt rief er dazu auf, sich darauf zu besinnen, was Weihnachten wirklich bedeute.

Viele Menschen fühlten sich durch das Fest unter Druck gesetzt, feierten Weihnachten nur, weil es im Kalender stehe und wünschten sich eher, dass ihnen das Fest erspart bliebe.

Anderen, die gerade eine schlechte Diagnosen bekommen hätten, in einer Notlage steckten oder den Verlust eines Menschen beklagten, komme es so vor, als „werde Gott für alle Mensch – nur halt für sie nicht“.

Jesus sei aber in der Heiligen Nacht nicht Mensch geworden „um uns noch ein weiteres Päckchen an Erwartungen und Leistungsdruck aufzuladen“, so Georgens. Weihnachten bedeute vielmehr, dass Gott Achtung und Ehrfurcht vor dem oft mühevollen Lebensweg jedes Menschen habe. Weihnachten feiern heiße nicht das Glück, die Stimmung oder Festtagsfreude von außen zu erwarten, „sondern das Dunkel des Lebens mit dem Licht der Weihnacht zu beleuchten suchen – so zaghaft und klein die Flamme auch sein mag.“

Wer sich vor dem Kind in der Krippe klein mache, der beuge auch vor dem Wunder Mensch die Knie. „Den Menschen mit all seinen Schwächen, seinen Fehlern, seiner Schuld ernst zu nehmen, ihn zu lieben, wie er ist– und nicht wie er sein sollte: Das ist der wirkliche und wahre Gottesdienst an Weihnachten“, erklärte der Weihbischof.

Weihnachten ändere die Verhältnisse: „Der große Gott wird klein, der kleine Mensch groß.“

Für die musikalische Gestaltung der Christmette sorgten unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori und Domkantor Joachim Weller Mitglieder des Domchores Speyer, Instrumentalisten des Domorchesters und Domorganist Markus Eichenlaub. Beim Pontifikalamt am ersten Weihnachtsfeiertag sangen und musizierten der Mädchenchor, die Domsingknaben, der Domchor und die Dombläser. (is/red)

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