- Pfalz-Express - https://www.pfalz-express.de -

Vertrauenskörperleitung Daimler Werk Wörth: Arbeitsbedingungen teilweise unerträglich – Offener Brief an Standortverantwortlichen Jurytko

Protestaktion bei Daimler.
Foto (Archiv!): Pfalz-Express

Wörth (aktualisiert) – Die IG Metall Vertrauenskörperleitung (VKL) im Daimler Werk Wörth klagt über zu anstrengende Arbeitsbedingungen im Werk – besonders während der Corona-Pandemie.

In einem offenen Brief an den Standortverantwortlichen Dr. Matthias Jurytko fordert die VKL unter anderem häufigere Pausen und die Schaffung von mehr Dusch-Kapazitäten. Schon seit zwei Jahren mache man auf die Situation bei Hitze, insbesondere bei Temperaturen über 30 Grad, in den Produktionshallen aufmerksam und verlange verbindliche Maßnahmen zur Entlastung und Abhilfe, schreiben Moritz Römmele, Vorsitzender der VKL, und sein Stellvertreter Heinz Wolge.

„Selbst Experten raten, bei höheren Temperaturen auf körperliche Anstrengungen zu verzichten, bzw. mal einen Gang runter zu schalten. In der der Produktion dagegen müssen, ob bei 20 oder 34 Grad, weiterhin Höchstleistungen erbracht werden. Das ist schlichtweg nicht leistbar und wird nur durch extreme Anstrengungen und auf Kosten der Gesundheit möglich gemacht“, so Römmele und Wolge.

Die Corona-Pandemie verstärke die Belastungen in diesem Jahr noch weiter. So seien im Werk viele Ventilatoren und die meisten Klimaanlagen in den Büros, die an heißen Arbeitstagen wenigstens ein bisschen Abhilfe schafften, stillgelegt worden oder dürften nicht benutzt werden. Das Duschen am Arbeitsende sei für die meisten Mitarbeiter wegen der Ansteckungsgefahr durch Aerosole verboten. In anderen Werken gebe es dagegen es funktionierende Konzepte.

„An etlichen Arbeitsplätzen, vor allem an den Bändern, wo der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, besteht zudem Maskenpflicht. Das ist nicht nur eine zusätzliche Belastung, sondern erfordert auch das regelmäßige und fachgerechte Erneuern des durchfeuchteten Mund-Nasenschutzes“, so Römmele und Wolge weiter. Für alle diese Belastungen gebe es keinen bzw. nur unzureichenden Ausgleich. „So wird Ihrerseits bewusst die Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet“, heißt es an die Adresse von  Jurytko. „Auf Teufel komm raus soll produziert werden und die Gesundheit der Mitarbeiter spielt trotz aller Hochglanzbroschüren und öffentlicher Verlautbarungen keine ausreichende und angemessene Rolle!“

Auch der Betriebsrat fordere seit längerem Regelungen und deren Festschreibungen in einer Betriebsvereinbarung zum Thema Hitzebelastung. „Diese Verhandlungen werden Ihrerseits aber seit Jahren verschleppt“, werfen die beiden VKL-Vertreter dem Standortverantwortlichen vor. „Anrufung der Einigungsstelle haben Sie abgelehnt, so dass jetzt der Betriebsrat Klage vor Arbeitsgericht einreichen muss.“

Im letzten Jahr hatten sich laut VKL mehrere hundert Kollegen der Spätschicht an einer Protestaktion gegen die „unerträglichen Arbeitsbelastungen bei Hitze über 30 Grad beteiligt. Außerdem gab es mehrere Redebeiträge dazu auf Betriebsversammlungen. Spätestens das hätte ein Weckruf sein können. Leider ist dem bisher nicht so.“

Die VKL fordert konkret:

– Stündliche Arbeitsunterbrechungen an taktgebundenen Arbeitsplätzen mit Maskenpflicht zum fachgerechten hygienischen Wechsel der Mund-Nasenbedeckung.

– Maßnahmen, wie regelmäßige Entwärmungsphasen und zusätzliche Erholungezeiten, eine Verlangsamung der Bandgeschwindigkeit oder zusätzliches Personal, bereits ab Temperaturen von 30 Grad.

– Schaffung von mehr Duschkapazitäten, um allen Mitarbeitern am Arbeitsende das Duschen zu ermöglichen.

Römmele und Wolge an Jurytko: „Sollten wir auch weiterhin auf eine Verweigerungshaltung Ihrerseits treffen, womit die Gesundheit der Belegschaft in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, sehen wir uns als IG Metall gezwungen, mit weiteren Öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf die unerträglichen Arbeitsbedingungen im Daimler Werk aufmerksam zu machen.“

Eine Stellungnahme von Daimler wurde vom Pfalz-Express angefragt.

Daimler: Gesundheit und Sicherheit haben oberste Priorität

Die Sicht der Unternehmensleitung ist offenbar eine andere. Daimler antwortete auf Nachfrage des Pfalz-Express, die Standortleitung habe schon zu Beginn der Sommerperiode viele Maßnahmen für die Mitarbeiter eingeleitet. Deren Sicherheit und gute und verträgliche Arbeitsbedingungen hätten „oberste Priorität“. „Wir prüfen daher auch ständig die Hitzeentwicklung im Werk und reagieren umgehend mit geeigneten Maßnahmen für unsere Mitarbeiter in der Produktion“, so eine Sprecherin des Konzerns.

Eingeleitete Maßnahmen

Bei einer Hallentemperatur über 30 würden zusätzliche Hitzepausen in den getakteten Bereichen der Produktion gewährt. Aktuell vereinbart sind demnach neben den normalen Pausen zwei zusätzliche Pausen von 8 und 7 Minuten. In der Schicht seien somit Pausenzeiten nach maximal zwei Stunden Arbeitszeit gewährleistet. „Die zusätzlichen Pausen wurden und werden an den sehr heißen Tagen bei zu erwartenden Hallentemperaturen von über 30 Grad angewendet. So beispielsweise auch heute in der Spätschicht.“

Außerdem gebe es jederzeit Zugang zu gekühltem und kostenlosem Trinkwasser durch zahlreiche Wasserspender in der Produktion. Die Produktionshallen selbst würden über Nacht gekühlt.

Auch eine „COVID-gerechte Installation“ (Positionierung und Drehzahl) einer Vielzahl von zusätzlicher Ventilatoren sei in der Produktion gewährleistet.

Die Unternehmenssprecherin weiter: „Generell gilt die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter haben höchste Priorität! Zum Schutz der Mitarbeiter hat das Unternehmen Vorkehrungen zum Infektionsschutz getroffen und ein umfassendes Maßnahmenpaket mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart. Dazu gehören Hygiene- und Reinigungs-Standards, sowie Regelungen zum Verhalten am Arbeitsplatz. Kann der Mindestabstand von 1,5 Meter nicht dauerhaft eingehalten werden, werden verpflichtend Mund-Nasen-Masken eingesetzt.“ (cli)

Print Friendly, PDF & Email [1]