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Unabhängiges Bündnis „umFAIRteilen Südpfalz“: Offener Brief an südpfälzer Direktkandidaten

 

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Obdachloser.
Foto: dts Nachrichtenagentur

Südpfalz – Das Bündnis „umFAIRteilen Südpfalz“ (Regiotauschnetz e.V., hartzfrei e.V., attac Landau, attac Kandel) wendet sich in einem offenen Brief an die Direktkandidaten des Wahlkreises 212, in Person von Dr. Thomas Gebhart (CDU), Thomas Hitschler (SPD), Dr. Tobias Lindner (Grüne), Dr. Volker Wissing (FDP) und Sebastian Frech (Die Linke).

In dem Schreiben verweist das Bündnis auf die „prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse einer rasant zunehmenden Zahl an Menschen, auf die steigende ungleiche Verteilung an Einkommen in Deutschland und Europa und die damit einhergehenden Gefahren“. Um diesen angemessen entgegenzutreten und zielgerichtet entgegenzuwirken , sei es notwendig, eine einmalige europaweit koordinierte Vermögensabgabe einzuführen und die Abschaffung der Vermögenssteuer zurückzunehmen, so das Bündnis: „Im Namen der zivilgesellschaftlichen Organisationen in unserem Bündnis und der zahlreichen Unterstützer bitten wir Sie, zu unseren Forderungen Stellung zu beziehen.“

Offener Brief an die Direktkandidaten des Wahlkreises Südpfalz zur Bundestagswahl

 Sehr geehrter Herr Dr. Gebhart, sehr geehrter Herr Hitschler, sehr geehrter Herr Dr. Lindner, sehr geehrter Herr Dr. Wissing, sehr gehrter Herr Frech,

in den letzten 20 Jahren hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland und Europa immer weiter geöffnet, findet eine kontinuierliche Umverteilung von unten nach oben statt, durch sinkende Reallöhne, massivem Sozialabbau, Prekarisierung der Arbeit, Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge uvm.

Während die ärmeren Teile der Bevölkerung erhebliche Einkommensverluste hingenommen haben, sind die privaten Vermögen trotz Krise auf Rekordwerte gewachsen und konzentrieren sich mehr denn je bei einer reichen Minderheit. Zugleich bleiben die öffentlichen Ausgaben für Soziales, Bildung und Infrastruktur weit hinter den notwendigen zurück. Das untergräbt den sozialen Zusammenhalt, gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung und unsere Demokratie.

Es ist höchste Zeit, die Reichsten der Gesellschaft wieder zur Finanzierung des Gemeinwesens angemessen in die Pflicht zu nehmen. Das parteipolitisch unabhängige Bündnis „umFAIRteilen – Reichtum besteuern“ – dessen Mitglied das regionale Bündnis „umFAIRteilen Südpfalz“ ist – fordert deshalb die Wiedereinführung der Vermögensteuer sowie eine einmalige, möglichst europaweit koordinierte Vermögensabgabe.

Die Besteuerung von Vermögen muss der öffentlichen Hand substantiell zusätzliche Finanzmittel erschließen. Deshalb dürfen die Freibeträge nicht zu hoch und die Steuersätze nicht zu niedrig sein. Wir brauchen dringend mehr Geld etwa für die Haushalte der Kommunen, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, von Kitas und Ganztagsschulen und verbesserte Bedingungen in der Pflege.

Eine möglichst europaweite Abgabe auf große Vermögen ist erforderlich, um die Lasten der Finanzkrise solidarisch zu finanzieren. Vermögende und Finanzinstitute waren und sind (mit Ausnahme der Anleger in Zypern) Hauptprofiteure der Rettungspakete, zu denen sich die europäischen Regierungen infolge der Bankenkrise entschieden haben. Eine angemessene Beteiligung der Vermögenden an den  Krisenkosten ist überfällig.

Wir erwarten von einer neuen Bundesregierung, eine Vermögensabgabe einzuführen und sich in der EU dafür einzusetzen, eine Vermögensabgabe europaweit oder, falls dies nicht umsetzbar sein sollte, in einer Gruppe von EU-Mitgliedsstaaten zu erheben.

Eine Besteuerung von Vermögen darf nicht durch Schlupflöcher umgangen werden können. Dies bedeutet zum einen, dass auch privates Betriebsvermögen besteuert werden muss. Erhöhte Freibeträge oder die Möglichkeit, die Steuerschuld in ertragsarmen Jahren zu stunden, sind denkbare Wege, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor zu hohen Belastungen zu bewahren. Der Bundesfinanzhof hat jüngst erneut darauf hingewiesen, dass das verfassungsrechtliche Gleichheitsprinzip eine im Grundsatz gleichmäßige Besteuerung unterschiedlicher Vermögensarten erzwingt.

Eine übermäßige Privilegierung von Betriebsvermögen würde im Ergebnis besonders Superreiche begünstigen, denn auch Aktienpakete an Großkonzernen gelten steuerlich als Betriebsvermögen. Zudem würden Steuerpflichtige förmlich dazu einladen, Privat- in Betriebsvermögen umzuwidmen und so der Steuerpflicht zu entziehen. Im Bereich der Erbschaftsteuer hat sich dazu bereits das Modell der „Cash GmbHs“ etabliert.

Zum anderen müssen Steuerbetrug und Steueroasen weitaus entschiedener bekämpft werden als bisher. Wir erwarten von einer neuen Bundesregierung, gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Steueroasen einen automatischen Informationsaustausch über Kontodaten im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie durchzusetzen und diesen zu verschärfen. Banken, die weiterhin Geschäfte mit Steueroasen betreiben, muss mit Lizenzentzug gedroht werden. Der Einsatz gegen Steuerschlupflöcher und Niedrigsteuerregelungen für Gewinne und Vermögenserträge muss sich auf alle EU-Staaten und ihre angeschlossenen Gebiete erstrecken.

Wir erwarten zudem, dass Sie die Forderungen nach einer substanziellen Besteuerung großer Vermögen nach der Bundestagswahl mit hoher Priorität in Koalitionsverhandlungen einbringen.

Im Namen der zivilgesellschaftlichen Organisationen in unserem Bündnis und der zahlreichen Unterstützer bitten wir Sie, zu unseren Forderungen Stellung zu beziehen. Ihre Antworten werden wir auf unserer Bündnisseite (https://www.facebook.com /umfairteilensuedpfalz) und gegenüber den Medien veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Für das Bündnis „umFAIRteilen Südpfalz“

Werner Götz, Michael Wünstel, Lutz Heller, Volker Röske

 

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