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Stadt und Kreis sollen Selbstversorger beim Strom werden: Energiewende ist möglich

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Die Mitglieder der Arbeitsgruppe übergaben Landrätin Riedmaier, OB Schlimmer, Bürgermeister Hirsch und Bürgermeister Wassyl das von ihnen erarbeitete Energiekonzept, das die zukünftige Energieversorgung von Stadt und Kreis beschreibt.
Fotos: Ahme

Landau/SÜW. Gemeinsam sind wir stark- dieses Motto war für 13 Energie- und Umweltexperten Programm. Nicht nur reden wolle man, sondern über eigene Interessen, Parteigrenzen und Verwaltungsebenen hinweg, die regionale Energiewende in die Hand nehmen. Also gründete man Ende vergangenen Jahres eine Arbeitsgruppe „Energiekonzept Südpfalz“ um dieser Wende ein Gesicht zu geben. Bisher waren die Gruppenmitglieder mit eigenen Projekten unterwegs.

Professor Keilen (Ortsbürgermeister Bornheim), Oliver Decken und Oliver Rechenbach (Energieagentur Rheinland-Pfalz), David Elsässer und Stefan Jergentz (Uni Koblenz-Landau), Astrid Diehl (Pamina-Solar-Südpfalz), Dr. Werner Götz, Attac Landau und BUND Südpfalz, Mathias Jeling( Karlsruher Institut für Technologie), Michael Lindner (Solar Bürger Genossenschaft), Bernhard Mertel (EnergieSüdpfalz), Ulrich Mohr (BUND Südpfalz) und Wolfgang Thiel (Initiative Südpfalz-EnergieSüdwest) sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die zur Vorstellung des Energiekonzepts in das Gemeindehaus am Stiftsplatz eingeladen hatte.

Unter den Gästen war auch die 11. Klasse Chemie LK des ESG, OB Schlimmer, Landrätin Riedmaier, Bürgermeister Wassyl und Bürgermeister Hirsch. Riedmaier und Schlimmer gaben auch im Anschluss ein Statement zu diesem Konzept ab, das angibt wie bis 2020 der Strombedarf von Stadt Landau und Kreis Südliche Weinstraße zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieformen der Region kommen könnte.

„Energiewende muss zukünftig dezentral gesteuert und in Bürgerhände gelegt werden“, so Mohr. Gefahren sieht Mohr im politischen Lobbyismus, der Dialog zwischen Kommunalpolitik und Bürger sei das Wichtigste. Initiator Dr. Werner Götz: „Die Energiewende ist dringend, über das „Wie“, „Kosten“, „Betreiber“ etc., muss geredet werden.
„Viele wollen keinen Atom- und Kohlestrom mehr, aber auch keine Windräder vor der Haustür- das geht nicht zusammen“ sagt Professor Keilen. Vielen Bürgern ist noch nicht klar, welch einmalige Chance die Energiewende für die Lebensqualität hier bietet“.

Im Landkreis SÜW und in der Stadt Landau bezieht man zur Zeit Strom für rund 70 Millionen Euro jährlich von Kraftwerken außerhalb der Region. „Wird der Strom in der Region erzeugt, bleibt auch das Geld in der Region“, so Dr. Thomas Waßmuth. Vorteile sieht er auch in der Stärkung der Wirtschaftskraft, Bürger könnten selbst Anteileigner werden und die Energieversorgung der Zukunft mitgestalten.

Menschen in Landau und Kreis SÜW haben einen Stromverbrauch von 771 Millionen Kilowattstunden, nur 12 Prozent davon stammen aus erneuerbaren Quellen der Region. Die Arbeitsgruppe bleibt bei dieser aktuellen Verbrauchszahl und beschreibt zwei Szenarien bis zum Jahr 2020: Im ersten sinkt der Strombedarf (durch Stromsparen), im zweiten steigt er um 10 Prozent.

Der Strombedarf in beiden Denkmodellen könne durch Windkraft und Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Für Szenario 1 seien rund 60 Windräder erforderlich, neun davon könnten durch Erweiterung der bestehenden Windparks in Offenbach und Herxheimweyher dazu kommen. „Für die restlichen kommen der Stadtwald von Landau, Waldgebiete in Edenkoben, Annweiler, Albersweiler und Rinnthal in Frage“, so Götz.

Photovoltaik sei allerdings viel Wertschöpfender. Für deren Ausbau benötigt man 280 Dachflächen, auf denen jeweils Anlagen mit mehr als 250 Kilowatt Leistung betrieben werden könnten. Zusammen ergibt dies Wind mit 440 Millionen, Photovoltaik mit 220 Millionen und Geothermie in Insheim und Landau mit 39 Millionen Kilowattstunden Leistung. Allerdings würden sich Investoren nur finden lassen, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht verschlechterten, weiß die Gruppe und appeliert, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu belassen und die Förderung für Windenergieanlagen nach 2015 zu verbessern.

Die Arbeitsgruppe weiß auch schon, wie das Konzept Wirklichkeit werden kann und hat einen Acht-Punkte-Plan aufgesetzt. Weichenstellung durch Gemeinderat und Aufsichtsgremien, Bildung von Fach-Arbeitsgruppen, Energieberatung, Anreize zum Stromsparen, gezielte Ansprache von Gebäudebesitzern (Photovoltaik), Finanzierungsangebote der regionalen Finanzinstitute gehören dazu. Wichtig sei, dass Kommunen, Bürger, Firmen und Finanzinstitute am gleichen Strang ziehen und dialogbereit seien. „Unser Konzept ist ein Beitrag zu diesem Dialog“ sagen Mohr und Götz.

Riedmaier und Schlimmer bedankten sich für die Erstellung des Konzepts. Die Landrätin sieht allerdings Probleme mit der Bürgerschaft und weist auf die Überlegung hin, 60 neue Anlagen (auch im Pfälzer Wald) bauen zu wollen, was für einen Großteil der Bürgerschaft nicht akzeptabel sei. Im Ausbau der Photovoltaik sieht sie offensichtlich das größere Potential. „Wir brauchen eine Energieagentur als wichtigen Baustein für das von Ihnen vorgestellte Konzept“.

Schlimmer nannte das Konzept ein „mutiges Papier“. Auch er, so schien es, findet die genannte Zahl 60 möglicherweise zu hoch. Auch im Hinblick darauf, dass Nachbarkreise und Städte wie Westpfalz und Neustadt möglicherweise ähnliche Szenarien entwickeln könnten. „60 Anlagen: Das ist keine fixe Zahl und bedeutet auch nicht, dass die im Pfälzer Wald gebaut werden müssen“, so Götz. Andere Standorte, die allerdings teuerer seien, wären vorstellbar.

Weitere Wortmeldungen kamen. Sie bezogen sich zum Beispiel auf die Schwierigkeit der Eigenstromvermarktung im Bereich Photovoltaik.

„Herr Mohr, Sie haben seinerzeit den Bau der A8 durch den Pfälzer Wald verhindert, wollen aber jetzt 60 Windräder dort aufstellen. Woher der Sinneswandel?“, fragte CDU-Stadtratsmitglied Heuberger. Es sei wichtiger als alles andere, dass man sich, durchaus auch mit unterschiedlichen Interessen für dieses Konzept zusammen gefunden habe, sagte Mohr und verwies auf  die Dialogbereitschaft, die nur zum Ziel führen könne.

„60 Anlagen sind eine Schockzahl“ argumentierte eine Zuhörerin und vermisste Blockheizkraftwerke im neuen Energiekonzept. Die Kraftwärme-Kopplung sei immer ausgebremst worden bestätigte Mohr und verwies auf den 22. August, 19.30 Uhr, Festhalle Herxheim. In dieser Veranstaltung könnten solche Fragen durch die Bürger an die Politik gestellt werden. (desa)

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