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Staatsstreich geplant: 25 Festnahmen bei Großrazzia im Reichsbürger-Milieu – Prinz sollte mutmaßlich Regierung übernehmen

7. Dezember 2022 | Kategorie: Nachrichten

Foto: dts Nachrichtenagentur

Berlin – Bei der bundesweiten Großrazzia gegen eine bewaffnete Gruppe aus dem „Reichsbürger“-Milieu sind am Mittwoch 25 Personen festgenommen worden. Es handele sich um 22 mutmaßliche Mitglieder sowie drei Unterstützer einer terroristischen Vereinigung, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Sie sollen unter anderem geplant haben, das Reichstagsgebäude bewaffnet zu stürmen, Anschläge auf die Stromversorgung zu verüben und die Bundesregierung abzusetzen, um dann die Macht zu übernehmen. Für die „Machtübernahme“ sollen bereits Personen für spätere Ministerposten ausgesucht worden sein.

Die Festnahmen erfolgten an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in einem Fall in Österreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia). Zeitgleich fanden dort und in den Bundesländern Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen in über 130 Objekten statt.

Prinz soll zentrale Figur der Verschwörung sein

Bei den mutmaßlichen Haupt-Vereinigungsmitgliedern handelt es sich um die deutschen Staatsangehörigen Maximilian E., Michael F., Paul G., Norbert G., Markus H., Frank H., Matthias H., Ruth L., Birgit M.-W., Andreas M., Thomas M., Harald P., dem adeligen Immobilienunternehmer Prinz Heinrich XIII P. R., der als zentrale Figur der Verschwörung gilt, René R., Melanie R., Ralf S., Wolfram S., Thomas T., Marco v. H., Rüdiger v. P., Christian W. und Peter W.

Als mutmaßliche Unterstützer festgenommen wurden die russische Staatsangehörige Vitalia B., der deutsche Staatsangehörige Alexander Q. und der deutsche Staatangehörige Frank R.

Die Durchsuchungen richten sich auch gegen weitere 27 Beschuldigte. Zudem wurden Räumlichkeiten von nicht tatverdächtigen Personen durchsucht. Die festgenommenen Beschuldigten seien dringend verdächtig, sich in einer inländischen terroristischen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt oder eine solche Vereinigung unterstützt zu haben, so die Ermittler.

Zwei Vereinigungsmitglieder sollen als Rädelsführer agiert haben. Die mutmaßliche terroristische Vereinigung soll spätestens Ende November 2021 gegründet worden sein. Sie habe sich zum Ziel gesetzt, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen, teilte der Generalbundesanwalt mit.

Tote in Kauf genommen

Den Angehörigen der Vereinigung sei bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden könne. Hierzu zähle auch die Begehung von Tötungsdelikten. Die Beschuldigten verbinde eine „tiefe Ablehnung“ der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die im Laufe der Zeit bei ihnen den Entschluss habe wachsen lassen, sich an ihrer gewaltsamen Beseitigung zu beteiligen und hierfür in „konkrete Vorbereitungshandlungen“ einzutreten, hieß es.

Die Mitglieder der Gruppierung seien dabei einem „Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sogenannten Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie“ gefolgt. Sie seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten „Deep State“ regiert werde.

„Geheimbund“ von Siegermächten sollen einschreiten

Befreiung verspreche nach Einschätzung der Mitglieder der Vereinigung das unmittelbar bevorstehende Einschreiten der „Allianz“, eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten der alliierten Siegermächte, einschließlich Russlands sowie der USA. Die Vereinigung sei der festen Überzeugung, dass sich Angehörige der „Allianz“ bereits in Deutschland aufhalten und deren Angriff auf den „Deep State“ zeitnah bevorstehe, so der Stand der Ermittlungen.

„Heimatschutzkompanien“

Die Bekämpfung der verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staats sowie die Absicherung der Macht sollten durch die Vereinigung und ein deutschlandweites Netz von ihr gegründeter „Heimatschutzkompanien“ übernommen werden.

Diese gewaltsame Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen sollte laut Bundesanwaltschaft durch Angehörige eines „militärischen Arms“ durchgeführt werden. Der Vereinigung sei zwar bewusst, dass es dabei auch zu Toten kommen werde, sie nehme dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten „Systemwechsels auf allen Ebenen“ zumindest billigend in Kauf.

Der Gruppe wird auch vorgeworfen, eine Übergangsregierung bilden zu wollen. Diese sollte die „neue staatliche Ordnung“ in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln.

Russland hat kein Interesse

Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen sei aus Sicht der Vereinigung derzeit ausschließlich Russland. Der Hauptbeschuldigte soll auch bereits Kontakt mit Vertretern Russlands in Deutschland aufgenommen haben. Nach den bisherigen Ermittlungen gebe es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, „dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben“, hieß es.

„Rat“ mit militärischem Arm

Spätestens seit Ende November 2021 sollen die Vorbereitungen für den Plan begonnen haben. Zentrales Gremium der Gruppierung sei der sogenannte „Rat“, dem der Hauptbeschuldigte vorstehe. Er habe innerhalb der Vereinigung als zukünftiges Staatsoberhaupt gegolten.

Die Mitglieder des „Rats“ sollen sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen haben, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen. Das Gremium verfüge ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über verschiedene Ressorts.

Angegliedert an den „Rat“ soll auch ein „militärischer Arm“ sein, wie die Karlsruher Behörde weiter mitteilte. Einige seiner Mitglieder sollen in der Vergangenheit aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet haben. Nach den bisherigen Ermittlungen bestehe auch der Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Vereinigung konkrete Vorbereitungen getroffen haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen. Die Einzelheiten seien aber noch aufzuklären, so die Bundesanwaltschaft.

Für die Festnahmen und Durchsuchungsmaßnahmen waren am Mittwoch über 3.000 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, Spezialkräfte der Bundespolizei, der Landeskriminalämter sowie weitere Polizeikräfte aus Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen im Einsatz.

Die festgenommenen Beschuldigten sollen Mittwoch und Donnerstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der ihnen die Haftbefehle eröffnet und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheidet.

Faeser: „Hass auf Demokratie und Menschen“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte, die Ermittlungen ließen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken. Die heute aufgedeckte mutmaßliche terroristische Vereinigung sei von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben.
 
„Erst die weiteren Ermittlungen werden ein klares Bild ergeben, wie weit die Umsturzpläne schon gediehen waren. Militante Reichsbürger verbindet der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen. Deswegen gehen wir mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz gegen solche Bestrebungen vor. Diese harte Gangart werden wir fortsetzen“, so Faeser.

GdP: Keine verletzten Beamten bei Reichsbürger-Razzia

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Razzia gegen die Reichsbürgerszene für einen Erfolg. „Es hat keine Verletzten auf der Seite der Polizei gegeben“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der „Rheinischen Post“. „Ein toller Schlag der Polizei, der Spezialkräfte von Bundespolizei, BKA und LKA gegen diese hochkriminelle Szene.“

Zugleich mahnte Roßkopf, der Erfolg dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, „mit was es unsere Kollegen im täglichen Dienst zu tun haben“. Kein Beamter wisse, was ihn hinter einer Wohnungstür erwarte. „Wir sprechen hier von Terrorismus.“ 

(dts Nachrichtenagentur/red) 

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