- Pfalz-Express - https://www.pfalz-express.de -

Sea Watch 3-Kapitänin Carola Rackete: Haftbefehl muss Anfang nächster Woche bestätigt werden

Flüchtlinge in einem überfüllten Boot.
Foto: dts Nachrichtenagentur

Lampedusa – „Es war kein Akt der Gewalt. Nur Ungehorsam“, sagt Carola Rackete, die Kommandantin des Schiffs Sea Watch 3.

Rackete hatte in den Gewässern Libyens 53 Migranten an Bord genommen und das Schiff bis Italien gesteuert. Sie sei bereit, sich den rechtlichen Konsequenzen ihrer Handlung zu stellen, sagte die Kapitänen nach ihrer Verhaftung in Lampedusa. Voraus gegangen war ein mehrwöchiges Drama.

Rackete hatte den Notstand an Bord der Sea-Watch 3 ausgerufen und ist, als niemand das Schiff anlanden lassen wollte, nach 17-tägiger Hängepartie auf eigene Faust in den Hafen von Lampedusa eingefahren. 13 Migranten, denen ein Schutzstatus zuerkannt worden war, hatten das Schiff zuvor verlassen dürfen, sie wurden mit Booten abgeholt. Die restlichen 40 blieben an Bord. Die Passagiere seien zunehmend depressiv geworden, erklärte Rackete später, außerdem seien die Wasservorräte knapp geworden.

Ihr wird nun wird vorgeworfen, ein Motorboot der italienischen Zollpolizei, das sie daran hindern wollte, anzulegen, abgedrängt und die Besatzung in Gefahr gebracht zu haben. Die 31-jährige Rackete sieht sich außerdem mit Vorwürfen zur Verletzung des italienischen Seerechts, Verstöße gegen die Vorschriften der Seeblockade und Beihilfe zur illegalen Einwanderung konfrontiert. Am Montag oder Dienstag muss ein Gericht entscheiden, ob der Haftbefehl bestätigt wird. So lange steht die Kapitänin unter Hausarrest.

Rackete wird von den Anwälten der angesehenen Kanzlei Alessandro Gamberini (Bologna, Rom) vertreten. Ihr könnte jahrelange Haft und eine Geldstrafe von 50.000 Euro drohen.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini nannte Rackets Vorgehen kriminell und legte ihr Unterstützung von Menschenhändlern und Piraterie zur Last.

Sea-Watch-Vorstand Johannes Beyer lobte Rackete: „Wir sind stolz auf unsere Kapitänin, sie hat genau richtig gehandelt.“ Unter dem Hasttag „#freecarola!“ sind bislang rund 250.000 Euro an Spenden eingegangen.

Stimmen

Habeck kritisiert Festnahme 

Unter anderem hat Grünen-Chef Robert Habeck die Festnahme der Kapitänin scharf kritisiert. „Die Verhaftung von Kapitänin Rackete zeigt die Ruchlosigkeit der italienischen Regierung und offenbart das Dilemma der europäischen Flüchtlingspolitik“, sagte Habeck den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Rackete „Unterstützung von Menschenhändlern und Piraterie“ vorzuwerfen, „wie es der italienische Innenminister Matteo Salvini“ getan habe, sei eine „Sprachverdrehung Orwellschen Ausmaßes“, so der Grünen-Chef weiter.

Der eigentliche Skandal sei „das Ertrinken im Mittelmeer, die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa“, so Habeck.

Der Grünen-Politiker sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Es ist gut, dass die Bundesregierung ihr Einvernehmen zur Aufnahme der Geretteten gegeben hat. Und es ist lobenswert, wenn jetzt Kommunen wie Kiel die Bereitschaft zeigen, diese Menschen aufzunehmen.“ Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, „dass die Rettung von Ertrinkenden im staatlichen Auftrag oder staatlich organisiert geschieht“, so der Grünen-Chef weiter.

FDP: „Sea Watch“-Kapitänin muss Verantwortung übernehmen

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, hält die Festnahme der „Sea Watch“-Kapitänin  für gerechtfertigt.

„Carola Racketes hat ihr Schiff entgegen dem ausdrücklichen Verbot der italienischen Behörden in den Hafen gesteuert“, sagte Djir-Sarai der „Welt“. „Sie wird trotz edler Motive für diese illegale Aktion die Verantwortung übernehmen müssen. Die Rechtsstaatlichkeit ist außerordentlich gefährdet, wenn unter Berufung auf gesinnungsethische Motive Gesetze gebrochen werden.“

Djir-Sarai nannte die Aussagen von Außenminister Heiko Maas (SPD), der die Festnahme Racketes kritisiert hatte, „arrogant und hochnäsig“. Er empfehle ihm mehr Zurückhaltung nach außen und mehr Diplomatie nach innen, sagte der FDP-Politiker. „Deutschland hat über Jahre Italien im Kampf gegen illegale Einwanderung alleingelassen.“

Dreyer: „Sea Watch“-Lebensretter dürfen nicht kriminalisiert werden

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer setzt sich für Rackete ein. „Die Lebensretter auf See dürfen nicht kriminalisiert werden. Seenotrettung ist eine humanitäre Verpflichtung und kein Verbrechen“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Gefordert seien politische Lösungen: „Das menschliche Drama im Mittelmeer verhindern wir, indem wir die Fluchtursachen bekämpfen und nicht wegsehen, wenn sich Menschen auf den lebensgefährlichen Weg in einen sicheren Hafen machen.“

Linke: Regierung muss sich für „Sea Watch“-Kapitänin einsetzen

Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Stefan Liebich, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) aufgefordert, sich für die Freilassung  von Carola Rackete einzusetzen. „Nicht jene, die Menschen retten, handeln illegal, sondern die Regierungen der EU, die sie ertrinken lassen“, sagte Liebich der „Welt“. „Carola Rackete verdient unsere Anerkennung und Achtung, keine Festnahme.“

Maas und Merkel müssten sich für ihre Freilassung und für eine zivile Rettungsmission der EU einsetzen „und wenn das behindert wird, eine deutsche starten“, so Liebich.

(Guillermo Eliseo/cli/red/dts Nachrichtenagentur)

Print Friendly, PDF & Email [6]