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Schweitzer: Koalitionsvertrag kein rosarotes Wunschdenken

22. Mai 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Politik regional, Politik Rheinland-Pfalz, Regional, Rheinland-Pfalz
Alexander Schweitzer, SPD-Fraktonsvositzender im rheinland-pfälzischen Landtag, Fotos: pfalz-express.de/Licht

Alexander Schweitzer, SPD-Fraktonsvositzender im rheinland-pfälzischen Landtag.
Fotos: pfalz-express.de/Licht

Kandel/Rheinland-Pfalz – Die Ampelkoalition im Land steht. Was sich vor der Wahl noch keiner – auch nicht die beteiligten Parteien – so recht vorstellen konnte, ist Ende April in Blei gegossen worden: Die Rot-Gelb-Grüne Zweckheirat in Form eines Koalitionsvertrags.

Die FDP übernimmt das Superministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Weinbau und das Justizressort. Bei den Koalitionsverhandlungen scheint sich aber doch so etwas wie Zuneigung entwickelt zu haben.

Diese seien äußerst fair verlaufen, sagte SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer (Abgeordneter SÜW und VG Kandel) bei einer Nachschau beim Stammtisch der AG 60plus in Kandel: “Fairness ist immer eine gute Grundlage für eine Regierungskoalition. Deshalb einfach mal reden – wenn man das nicht tut, weiß man nicht, ob man sich vielleicht doch gut versteht.“

Bei der Wahl zur Ministerpräsidentin hatte Malu Dreyer alle 52 Stimmen der Ampelkoalition erhalten. Das sei nicht von ungefähr gekommen, sagte Schweitzer: „Die Koalition ist sauber verhandelt worden.“ Immerhin sei die Wahl geheim gewesen, der Ein oder Andere hätte insgeheim anders stimmen können. Das sei aber nicht geschehen.

Schweitzer, der selbst mit dem Bereich Verkehr und Infrastruktur an den Verhandlungen beteiligt war, schätzt FDP-Chef Wissing nicht als typischen „Vertreter der früheren FDP auf Bundesebene“ ein, sondern als einen, der „auch sozialen Dingen gegenüber eine Offenheit hat.“

Wissing habe eine eiserne Position der FDP geräumt, nämlich Gebühren für Kitas und Schulen. Das sei eine gute Basis gewesen für die zentralen Fragen der Bildungspolitik – und ein Fingerzeig schon vor der Wahl.

Mit der CDU habe niemand reden wollen. In einer internen Abstimmung nach der Wahl sei kein einziger Finger in die Höhe gegangen, sagte Schweitzer. Und das, obwohl es Themenbereiche gebe, bei denen man mit der Union gar nicht so weit auseinander sei, beispielsweise die Verkehrspolitik.

Offenbar kann man eben in Mainz nicht so gut mit der CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner: „Wer permanent den Konflikt sucht, sich auch im parlamentarischen Miteinander nicht an Regeln hält, mit dem kann man nicht ernsthaft arbeiten. Da fehlt die Grundverlässlichkeit.“

Deshalb wolle man dann doch lieber an alte Zeiten anknüpfen.

Zudem sehe man in Berlin, dass eine große Koalition den politischen Wettbewerb lähme und die Ränder stärke. Den Pfeil nach Berlin gab´s gleich hinterher: Die SPD arbeite, setzte ein Thema nach dem anderen durch, während die CDU kaum noch mitregiere: „Die SPD sitzt im Maschinenraum und ackert, während die CDU, die im Kanzleramt die Koalition anführt, auf dem Sonnendeck sitzt und sich das Wetter anschaut.“

Besonders das Nicht-Agieren von Kanzlerin Merkel habe dazu geführt, dass sich die Menschen nach „Alternativen“ umschauten.

„Keine politischen Schlenker“

Malu Dreyer hingegen stehe wie seinerzeit Kurt Beck hoch in der Gunst der Wähler – nach gerade einmal drei Jahren Regierungszeit habe sie ein außerordentliches Renommee aufgebaut.

Dreyers Authentizität sei mit ein Grund für das gute Wahlergebnis der SPD gewesen. Viele oft auch unpolitischen Wähler hätten zudem Julia Klöckner als Ministerpräsidentin verhindern wollen. Das habe er in vielen Gesprächen erfahren: „So etwas ist mir selten begegnet.“

Die Menschen spüren nach Schweitzers Meinung, dass das soziale Miteinander im Land heute eine ganz andere Rolle spiele als noch zu CDU-Zeiten: „Die Bürger wissen, was sie an uns haben und wofür wir stehen. Keinen schnellen Schwenk und Positionswechsel – das haben wir nicht mitgemacht.“

Die AfD habe allerdings landesweit das Ergebnis von SPD, CDU und Grünen nach unten gezogen und die Wahlergebnisse für die etablierten Parteien geschmälert. Das müsse ein Weckruf sein, auch nach der Wahl, so Schweitzer.

Mehr Lehrer, kleinerer Verwaltungsapparat

In den nächsten fünf Jahren ist natürlich auch Sparen angesagt in Mainz. Immerhin könne man noch einen Haushalt vorlegen mit einer „Nettoverschuldung von null“.

Trotzdem müssen in dieser Wahlperiode 85 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. Da sei es wichtig, der Bevölkerung alles gut zu erklären, sagte Schweitzer. So sollen etwa 2.000 Stellen bei Landesbetrieben gestrichen werden: „Dazu gibt es leider keine Alternative. Wir müssen es hinbekommen.“

Lehrer sollen allerdings wieder mehr eingestellt werden, etwa 500 an der Zahl. Keine neuen Schulstrukturen, aber eine Betreuungsgarantie für berufstätige Eltern steht ebenfalls auf der Agenda.

Im Landesstraßenbauprogramm ist eine Erweiterung des Radwegenetzes vorgesehen. Für die Digitalisierung soll es gar ein eigenes „Digi-Kabinett geben“, das unter anderem für den Aufbau von rund 1.000 Hotspots verantwortlich ist.

Auch im Pflegebereich will man weiter Schwerpunkte bearbeiten, einen Pflegemanager einführen, der bei behördlichen Belangen hilft und die Gemeindeschwestern (VERAs) weiterhin etablieren.

Was die Verkehrsinfrastruktur angeht, bezieht Schweitzer deutlich Stellung: „Ich war immer der Meinung, dass wir davon ausreichend brauchen.“

Letztendlich entscheide der Bund, ob Straßen gebaut und bezahlt würden. Mit landeseigenen Vorschlägen – meist Kompromissen – habe man schlechte Erfahrungen gemacht: „Der Bund zahlt, bestellt und will das Bestellte dann auch gebaut haben.“ Wenn der Bund also beispielsweise die B 10 vierstreifig haben wolle, sei das Fakt.

Zur zweiten Rheinbrücke sagte Schweitzer, dass die städtebauliche Entwicklung in Karlsruhe keine Rücksicht auf den Bedarf einer weiteren Brücke genommen habe. Auch CDU-Bürgermeister hätten nicht dazu beigetragen und nicht beachtet, „dass irgendwann eine zweite Brücke anlanden muss.“

Seitens der rheinland-pfälzischen Landesregierung habe man alle Hausaufgaben gemacht und das Baurecht angemeldet: „Die Brücke muss kommen und wird kommen. Wir haben das durchgesetzt.“

Und so sei auch der Koalitionsvertrag kein rosarotes Wunschdenken, sondern von Fakten geprägt. Man ist sich einig mit der FDP – es soll etwas „Längerfristiges“ aufgebaut werden: „Ich bin zuversichtlich, es werden gute fünf Jahre.“ (cli)

Ein Dankeschön in Form von "Pfälzer Währung" gabs vom Vorsitzenden der AG 60plus Kandel, Klaus Böhm.

Ein Dankeschön in Form von „Pfälzer Währung“ gabs vom Vorsitzenden der AG 60plus Kandel, Klaus Böhm.

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