- Pfalz-Express - https://www.pfalz-express.de -

Rheinzabern: „ERASMUS +“-Tage der IGS-Rheinzabern in Frankreich – „Die Kinder von EUROPIA“

 ERASMUS-Schüler an Sacre Coer mit Schulleiter Axel Weinstein. Fotos: Beil [1]

ERASMUS-Schüler an Sacre Coer mit Schulleiter Axel Weinstein.
Fotos: Beil

Rheinzabern/Paris – Vom 12. bis 18.März trafen sich sieben Schulen aus sechs Ländern zum ERASMUS + Austausch in Mèriel bei Paris.

Die Ur-Urgroßväter waren noch unfreiwillig für Kaiser und Reich in den Krieg „gereist“. Man sprach damals von „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich. Die heutige Jugend muss für den Frieden reisen. Es gebe dazu keine Alternative, so der Rheinzaberner Ortsbürgermeister Gerhard Beil, der die Schüler begleitet hat.

„Je weiter man von denkwürdigen Daten entfernt ist, desto weniger wird nachgedacht und desto lauter wird geschrien. Und vergessen. Dies ist der wichtigste Grund für die von der EU geförderten europäischen Schüleraustausche wie Comenius oder Erasmus +. Das gemeinsame Thema „Die Kinder von EUROPIA – Schule, Arbeit, Leben in 100 Jahren“ passt bestens in den Rahmen“, so Beil.

Sanft verlässt der TGV den Bahnhof von Karlsruhe, ehe er hinter Straßburg volle Fahrt aufnimmt und nach Querung der Mosel mit weit über 300 km/h durch die sanften Ebenen Lothringens und der Champagne rast. Drinnen merkt man kaum etwas von der Geschwindigkeit – und schon gar nichts von der blutgetränkten Erde beiderseits der Strecke.

Metz, Gravelotte 1870, die Woevre-Ebene 1914-1918, Aufmarschfeld vor Verdun an der Maas, die Mühle von Valmy, von wo, so Goethe 1792, eine neue Zeit ausgehen sollte, die Europa den Nationalismus mit all seinen Auswüchsen brachte.  Reims, französische Krönungsstadt seit dem 11. Jahrhundert, prächtige Kathedrale, die legendäre Champagne, das Wunder an der Marne im Spätsommer 1914. Noch vier Jahre Weltkrieg sollten folgen. Der „Grande Guerre“ ist tief in der französischen Nation verwurzelt. Knapp 20 Jahre später folgte sogar ein zweiter Weltkrieg. „Heute beschäftigen sich Kids mit ihren Smartphones“, meint Beil.

Am Gare del Est, dem Ostbahnhof, verlassen die Teilnehmer den deutsch-französischen Hochgeschwindigkeitszug, um zum Montmartre zu pilgern. Hatte Gott Frankreich verlassen, als es 1870/71 dem „Erbfeind“ unterlag? Mit dem Herz-Jesu-Kult sollte sich Frankreich wiederaufrichten. Friedlich haben zumeist junge Leute den Berg „besetzt“, genießen die Frühlingssonne und das Panorama von Paris. Unbeschwertheit überall, wenn nicht allenthalben bewaffnete Uniformträger patrouillierten.

Nach wiederholter Kontrolle werden die Koffer im Gard du Nord ausgelöst, um mit dem Zug ins Departement Val d’Oise zu fahren. Gegen 17 Uhr erreicht die Gruppe Meriel an der Oise, wo sie von Lehrerin Caroline Sevgrand in Empfang genommen wird. Sie ist Koordinatorin, Mädchen für alles, hat riesige Geduld und „natürlisch“ ein Herz für Europa.

Während die Kinder bei Familien untergebracht sind, logieren die Lehrkräfte in einem Quartier in Cergy-Pontoise. Man freut sich auf eine gute Woche, die wunderbares Europa-Lern-Wetter bringen sollte: Strahlende Sonne den ganzen Tag. Offensichtlich waren aus GR, BG, S, GB, F und D nur Engel angereist.

Im europäisch dekorierten Collège Cécile Sorel begrüßen Schulleiterin  Marie-Ange Chevassu und Principal Adjoint Marie Cézar sowie Bürgermeister Jean-Louis Delannoy die internationalen Gäste mit kurzen Reden und kleinen Häppchen, ehe ein Tanz mit europäischem Touch an die Pflichten der ERASMUS + Woche erinnern.

Das Projekt EUROPIA beschäftigt sich mit der Zukunft Europas, worin auch ein Hauch von UTOPIA anklingt, und ist somit brandaktuell, nicht zuletzt weil gerade die Wahlen in den nahen Niederlanden Schlagzeilen liefern. In kleinen Gruppen werden die Gäste bilingual und trés charmant durch die Schule geführt.

Das Collège ist nach Cécile Sorel benannt, einer berühmten französischen Schauspielerin. Es liegt am Wald, wo – ähnlich der IGS Rheinzabern – Spechte hämmern und Amseln tirilieren. Idylle pur von 9 Uhr bis 16/17 Uhr. Doch so manches ist in „Fronkreisch“ anders als in der heimischen Schule. Am Nachmittag schreibt man gemeinsam an einer Geschichte, wie Europa zukünftig aussehen könnte.

Unweit von Mèriel liegt im idyllischen Morgenlicht das pittoreskes Malerstädtchen Auvers-sur-Oise. Camille Pissarro, Paul Cézanne und viele andere Künstler gaben sich hier ein Stelldichein. Intensive Spuren hat Vincent van Gogh hinterlassen. In 70 Tagen hatte er mehr als 70 Bilder gemalt und der Gemeinde ein Denkmal gesetzt. „Auf dem Weg der Maler folgen wir verschiedenen Motiven, vom Rathaus über die Auberge Ravoux, die Kirche, den Hohlweg zur Kreuzung mit dem berühmten Weizenfeld – und zum Friedhof, wo Vincent neben seinem Bruder Theo ruht“, berichtet Gerhard Beil.

Auf den Spuren von Vincent van Gogh in Auvers-sur-Oise. [2]

Auf den Spuren von Vincent van Gogh in Auvers-sur-Oise.

Nach einer Pause in der Schulkantine tragen die ERASMUS-Freunde Ergebnisse ihrer Recherchen über das Leben vieler Kinder heute vor: Kinderarbeit, Menschenhandel, Missbrauch in der Welt samt Möglichkeiten, dem Elend zu entkommen. Alle 25 Sekunden, so das Team aus England, wendet sich weltweit ein Kind hilfesuchend an eine Hilfsorganisation. Unglaublich.

Nach weiterem „Feilen“ an der Leitgeschichte üben die Kids einen Chor ein, denn der Gesang trägt ganz wesentlich zur emotionalen Prägung des Projektes bei: Das Lernen soll nicht allein für den Kopf sein, sondern vor allem fürs Herz und die Emotion.

Lieder sollen sensibilisieren für künftige Nachrichten und eine Antenne wachsen lassen für die zukünftige Verantwortung. Welcher Titel eignet sich da besser als „Frère Jacque“ auf Schwedisch, Bulgarisch, Englisch, Französisch, Griechisch und Deutsch.

Beim Kunstprojekt zu einem van Gogh Bild. [3]

Beim Kunstprojekt zu einem van Gogh Bild.

Mit Musik, so sagte der französische Poet Victor Hugo einst, lassen sich Dinge ausdrücken, die mit Worten nicht zu beschreiben sind. Nicht zu vergessen der Song „We are Europia“, getextet und komponiert von Lehrer Jochen Vierthaler. Last not least „We are the world, wie are the children“. Dieser Ohrwurm ist mehr als ein Hit, er ist eine Botschaft der Zuversicht, der guten Absicht, für die jeder einen Beitrag leisten und Einsatz versprechen kann.

Eine Botschaft gegen Gleichgültigkeit und Hass, aber für Solidarität. Wie der berühmte stete Tropfen selbst harten Stein erweichen kann, so müssten alle Hartherzigen sich das Lied anhören, findet Beil: „Das Thema darf nicht den „Großen“ überlassen werden. Jeder kann und muss ständig am Ball bleiben.“

Dann sind wieder Workshops für Schüler und Lehrer angesagt. Auf der Agenda stehen Kinder- und Menschenrechte sowie EUROPIA solidarisch. Was hält Europa zusammen? Am PC werden Plakate entworfen. Viele Ideen sind gefragt.

Die Rheinzaberner Gruppe hält sich dabei an ein bewährtes Pfälzer Sprichwort, wonach Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhält. Warum soll dies nicht zum Ausdruck gebracht werden? Schließlich geht Europa-Feeling auch durch den Magen. In einem Kunstprojekt malen Kinder Puzzle-Teile eines bekannten Bildes von van Gogh, das anschließend zusammensetzt wird. Schließlich schreiben die Kinder an der Europia-Geschichte weiter, die ja eine gute Zukunft für die kommenden Generationen eröffnen soll. Der Nachmittag ist frei und dient Unternehmungen in den Familien.

Caroline Sevgrand (r.), die Organisatorin in Mèriel, und Kollegin Marie beim Abschied. [4]

Caroline Sevgrand (r.), die Organisatorin in Mèriel, und Kollegin Marie beim Abschied.

Es ist „Kaiserwetter“, Meteo d’Empereur, als die Europia-Kids Paris erreichen. Nach Erleben des alltäglichen „Bouchon“ – dem Verkehrsstau – erreicht der Bus über den Arc de Triomphe und die Champs-Élysées den Place de la Concorde. Der ägyptische Obelisk glänzt in der Morgensonne und lässt sich auch nicht vom Riesenrad a la Prater seine Jahrtausende alte Eleganz nehmen.

Bei einer Rallye der nationalen Teams durch die Tuilerien-Gärten werden originelle Fotos geschossen, die für einen Wettbewerb Punkte bringen sollen. Vorbei am Louvre mit seiner Pyramide kommen sie in die Rue de Rivoli, eine Prachtstraße, die auf Anordnung von Napoleon Bonaparte angelegt wurde. Die Größe der Stadt und die Ballung an Historie zeigen bald die physischen Grenzen der Schüler auf.

Spaß in den Tuilerien [5]

Spaß in den Tuilerien

Man kann Paris nur erahnen, muss beeindruckt sein, darf sich aber nicht von den vielen Sehenswürdigkeiten erdrücken lassen. Eine Schifffahrt auf der Seine zeigt die Stadt von ihrer Schokoladenseite: Brücken, Palais, die Kathedrale Notre Dame, UNESCO-Weltkulturerbe, und zum Höhepunkt der Tour Eiffel.

Die Sonne lacht mit angenehmer Wärme, es weht ein Hauch von savoir vivre auch ohne Sterneköche. Natürlich fasziniert auch die Unterwelt der Metro mit ihrer reibungslos funktionierenden Technik.

Metrostation Palais Royal/Louvre: Erste Adresse für Kunst und Kultur. [6]

Metrostation Palais Royal/Louvre: Erste Adresse für Kunst und Kultur.

Am letzten Tag der ERASMUS + Woche treffen sich die Kinder nochmals im Collège Cécile Sorel. Eine „Schnitzeljagd“ über die internationale Kinderrechtskonvention ist angesagt, in der trilingual gestellte Fragen in internationalen Teams zu beantworten sind. Working together, accept the other ist stets auch ein nonverbaler Akt, der mit dem Kopf allein nicht zu fassen ist.

Am Nachmittag wird nochmals kurze Bilanz der ereignisreichen Europia-Tage gezogen, ehe am frühen Abend eine Abschlussparty mit Eltern, Kids und Lehrern startet. An der Wand Plakate und Bilder, dazu ein Buffet mit Snacks, nach zögerlichem Anlauf auch Tanz zu internationalen Ohrwürmern waren angesagt.

Lehrerin Caroline Sevgrand überreicht allen Teilnehmern kleine Souvenirs, die freudig aufgenommen werden, ehe die stellvertretende Schulleiterin, Frau Cézar, den Gästen und insbesondere auch der organisierenden Lehrerin Caroline Sevgarand samt ihren Unterstützern herzlich dankt.

Beim Abschied am Bahnhof Mèriel fließen Tränen über Tränen und man verspricht Gegenbesuche. Man ist ja bloß wenige Stunden voneinander entfernt. In Paris gibt es einen letzten Aufenthalt zum Genießen der Stadt und zum Kauf von Souvenirs. Niemand beachtet das überdimensionierte Bild, das an die Fronttransporte 1914-1918 erinnert.

Dann bringt ein ICE die EUROPIA – Kids zurück an den Rhein, wo sie von den Eltern herzlich begrüßt werden. Eine ereignisreiche Woche endet reibungslos, während die englischen Freunde auf dem Rückweg im Airport Orly kurzzeitig evakuiert werden mussten, weil ein mutmaßlicher Islamist zugeschlagen hatte.

„Nach EUROPIA ist es noch weit, doch darf man nie aufhören zu hoffen und dafür zu arbeiten. ERAMUS+ Mittel sind deshalb gut angelegt“, betont Beil.

Etwas traurige Mienen signalisieren, dass wunderschöne Tage in Frankreich zu Ende gehen. [7]

Etwas traurige Mienen signalisieren, dass wunderschöne Tage in Frankreich zu Ende gehen.

Print Friendly, PDF & Email [8]