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Pfalz-Express-Interview mit Michael Landgraf zum Reichstag von 1521 – Neustadter Protokollarius bei Luther in Worms

Protokollarius Michael Landgraf bei Dreharbeiten in Worms
Quelle: Rechtefrei

Worms/Neustadt. Am 18. April jährt sich der Jahrestag „500 Jahre Luther in Worms“, bei dem es um den Schwerpunkt „Freiheit des Gewissens“ geht.

Aus diesem Anlass drehte der Neustadter Dozent und Schriftsteller Michael Landgraf mit dem Offenen Kanal Weinstraße in der Rolle eines Protokollarius des Reichstags im Bibelmuseum einen Film.

Inhalt sind Auszüge aus seinem Roman „Der Protestant“, Kapitel „1521 – Reichstag zu Worms“. Der Beitrag wird am Festwochenende 17. und 18. April mehrfach in den Offenen Kanälen der Pfalz ausgestrahlt und ist bereits auf Youtube abrufbar: https://www.youtube.com/watch?v=U3dOEYOETso [1].

Davon inspiriert hat sich die Redaktion von Sat 1 – 17:30, einem Regionalprogramm für Rheinland-Pfalz und Hessen, bei Landgraf gemeldet und in Worms mit ihm mehrere Spielszenen in der Rolle des Protokollschreibers gedreht: Am Dom, an der Magnuskirche, die bereits vor dem Eintreffen Luthers 1520 evangelisch war, auf dem Gelände des Bischofspalasts Heylshof, also dem Ort der Verhandlung, sowie am Lutherdenkmal.

Themen sind die Einstellung der Wormser zu Luther und dem Papst, der Auftritt und die Botschaft Luthers sowie die politischen Hintergründe, denn Luthers Auftreten zeigte auch die Macht der Kurfürsten gegen den jungen König Karl V.

Ausgestrahlt wird der Beitrag im Nachrichtenmagazin „Sat 1 – 17:30“ am Freitag den 16. April 2021 zwischen 17:30 und 18:00 Uhr und wird etwa vier Minuten umfassen. Danach wird er in der Mediathek von Sat 1 [2] abrufbar sein.

Der Pfalz-Express wollte von Michael Landgraf Näheres über Luthers Beweggründe erfahren

PEX: Herr Landgraf, wenn man nach Luther fragt, können viele Menschen etwas mit den 95 Thesen anfangen, mit dem Reichstag zu Worms weniger. Woran liegt das denn?

Landgraf: Das liegt sicher am jährlichen Reformationstag, der am 31.10. gefeiert wird, wie auch am Jubiläum 2017, das zehn Jahre von der Evangelischen Kirche vorbereitet wurde. Lutherdarstellungen vor hundert Jahren, ob als Bild oder Figur, hatten meist den standhaften Luther von Worms mit der Bibel in der Hand als Motiv.

Das findet sich auch in vielen Städten als Denkmal. Während dem Thesenanschlag noch eine theologische Insiderdiskussion zugrunde lag, war der Auftritt Luthers 1521 in Worms ein öffentlicher Akt, der großes Aufsehen erregte. Seit 1520 nannte man Luthers Anhänger „Evangelische“. In diesem Jahr wurden auch wesentliche Grundlagen der Reformation wie das Priestertum aller Getauften, eine Schulbildung für alle sowie die „Freiheit eines Christenmenschen“ bereits formuliert. Daher halte ich 1521 als das wichtigere Datum.

PEX: Warum hat Luther eigentlich nicht widerrufen? Hat er nicht mit einer Verurteilung und seinem Tod rechnen müssen?

Landgraf: Luther war vom jungen König Karl V. auf Druck von Luthers Landesvater, Kurfürst Friedrich dem Weisen, zum Reichstag eingeladen worden. Dennoch hatte jeder im Hinterkopf, dass hundert Jahre zuvor mit Johannes Hus ein Reformator trotz einer königlichen Einladung auf dem Scheiterhaufen brannte. Es war also gefährlich und Luther wusste das. Daher ging es ihm körperlich nicht gut, auch wenn er durch den mächtigen Kurfürsten Friedrich geschützt war.

Dass Luther nicht widerrief zeigt, dass er anders dachte als die meisten. Seine obersten Instanzen sind die Bibel und sein Gewissen. Er sagte sinngemäß: „Ich verbrenne meine Schriften selbst, wenn ihr mir mit der Bibel meine Fehler nachweist. Mein Gewissen ist gefangen in der Heiligen Schrift – Gott helfe mir – Amen!“ Erstmals berief sich da einer öffentlich vor den Mächtigen seiner Zeit auf sein Gewissen – das war neu und mutig.

PEX: Wie lassen Sie in Ihrem Roman „Der Protestant“ Luther agieren?

Landgraf: In meinem Roman halte ich mich an die Fakten, die uns überliefert sind und schmücke daher die Rolle Luthers wenig aus, auch wenn meine Rahmenfiguren fiktiv sind. Die historischen Ereignisse sind an dieser Stelle spannend genug.

PEX: König Karl V. verhängte auf dem Reichstag über Luther die Reichsacht und verbot die Lektüre aller lutherischen Schriften. Was können wir heute daraus zum Thema „Meinungsfreiheit“ lernen?

Landgraf: Seit diesem Ereignis wurde deutlich, dass man Ideen nicht mehr einfangen kann – trotz der Reichsacht, die ja bedeutete, dass jeder Luther und seine Anhänger töten durfte. Durch das neue Medium Buchdruck verbreiteten sich Ideen in Windeseile.

Hier verbindet sich für mich Luthers Forderung nach einem freien Gewissen, das nur der Bibel verpflichtet ist, mit der Gedankenfreiheit durch schnell verbreitete Medien. Auch wenn Luther in vielem ein Kind seiner Zeit war und manches tat, was wir heute nicht gutheißen können, zeigt uns Worms, dass ein einfacher Mann den Mächtigen seiner Zeit widersprechen kann. Das machte vielen damals aber auch heute Mut, zu ihrer Einstellung zu stehen. (desa)

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