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Öffentlicher Wutschrei aus Kandel: Selbstbedienungsrestaurants und Hütten dürfen nicht bewirten

Symbolbild: dts Nachrichtenagentur

Südpfalz/Kandel – Die Wogen schlugen hoch am Mittwoch in Gastronomiebetrieben, die Thekenverkauf mit Selbstbedienung anbieten. Anders als Restaurants mit Bedienung müssen diese entweder geschlossen bleiben oder sich so umstrukturieren, dass Service an den Tischen möglich ist. Das ist je nach Bauart des Restaurants und verbliebener finanzieller Ausstattung für so manchen Gastwirt schwierig bis unmöglich. 

Betroffen davon sind auch Vereine mit Ausschank oder Hütten. Die Sonderverordnung für Hütten und Naturvereine soll am Mittwochmorgen in einer Telefonkonferenz der Landesregierung blockiert worden sein. Das würde bedeuten, die Hütten und die Vereine dürften doch nicht öffnen oder zumindest keinen Ausschank oder Speisen anbieten.

Ministerium dementiert

Der Pfalz-Express hat dazu eine Anfrage an das zuständige Ministerium gestellt. Die Antwort am Donnerstagvormittag: „Diese Meldung ist falsch. Es gibt eine einzige Verordnung, die für alle Gastronomiebetriebe gleichermaßen gilt. Etwas anderes war nie geplant“, so eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Was das bedeutet, ist unklar geblieben. Der Pfalz-Express hat erneut nachgehakt, daraufhin hieß es: „Selbstbedienung ist derzeit landesweit ausgeschlossen.“

Stühle in brennende Tonne geworfen

Der Frust ist groß bei den betroffenen Betrieben. In Kandel gipfelte die Wut über die plötzliche Rücknahme der Erlaubnis in einem Video, das der Pächter des Naturfreundehauses, Peter Bolze, auf Facebook gepostet hat.

In dem Clip zerschmettert er Stühle und wirft sie in eine brennende Tonne – begleitet von einer Wutrede. Die (Landes)Regierung würde sie alle kaputt machen, schreit Bolze, keinen Cent (er sagte wörtlich „Pfennig“) habe er bislang an Unterstützung bekommen, das sei alles nur noch „asozial“ in Deutschland. Der Staat solle sich „was schämen“. Des öfteren vergreift sich Bolze jedoch auch im Ton, besonders bei einer verbalen Attacke gegen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Trotzdem stößt er auf viel Verständnis. Bolze hatte offenbar in der Annahme, am Mittwoch das Naturfreundehaus wieder öffnen zu können, mit einer höheren Summe Vorräte eingekauft, die er nun nicht verwenden kann.

Im Naturfreundehaus bezahlte man bislang zuerst sein Essen an der Kasse, bekam einen Bon, und wenn das Gericht fertig gekocht war, hat man es an der Theke abgeholt.

In Kandel ist zudem der Hofmarkt Zapf betroffen, bei dem die Bewirtung nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert. In der gesamten Region dürfte es viele Betriebe geben, die nun vor einer großen Enttäuschung stehen und noch mehr als bisher von Existenzängsten geplagt werden.

Brechtel auf Facebook: „Gefährdet Existenzen“

Im Kreis Germersheim hat Landrat Dr. Fritz Brechtel deutliche Aussagen zu der Verordnung getätigt. Auch der Kandeler Stadtbürgermeister Michael Niedermeier (CDU) hat sein Unverständnis [1] über diesen Schritt klar gemacht.

Brechtel äußerte sich auf Facebook. Es sei inhaltlich nicht nachvollziehbar und gefährde obendrein Existenzen, dass die neue Landesverordnung den sogenannten Thekenverkauf in der Gastronomie (Selbstbedienung) verbiete, so der Kreischef. Das Land müsse dringend den „Wirrwarr“ beenden und einfache, klare und faire Regelungen schaffen.

„Ich kann jeden Ärger oder die Verzweiflung von Gastronomen verstehen, die nun doch nicht öffnen dürfen, da sie keine Bewirtung am Tisch anbieten können. Dabei hatten wir als Kreisverwaltung die neue Landesverordnung zunächst anders verstanden und gastronomiefreundlich ausgelegt. Erst in einer gemeinsamen Telko (Telefonkonferenz, Anm. d. Red.) des Spitzenverbandes Landkreistag in Mainz konnte geklärt werden, dass seitens des Landes Rheinland-Pfalz ein Thekenverkauf nicht zulässig ist. Wir waren leider gezwungen und wurden dazu angehalten unsere Auslegung zu revidieren und über das Verbot zu informieren.“

Ähnlich wie viele Gastronomen oder insbesondere Hüttenbetreiber könne er dieser Entscheidung kaum Verständnis entgegenbringen.

Brechtel weiter: „Als Landrat appelliere ich an das Land, anstelle des herrschenden Regelungswirrwarrs einfache, faire und klare Regelungen zu treffen. Hier geht es um Existenzen und um den Erhalt von Angeboten, die nicht nur von Bürgern aus dem Landkreis Germersheim geschätzt werden.“ Statt klarer Aussagen würden Umschreibungen gemacht, die letztlich zu weiterem Ärger und Verzweiflung führten. „Und wenn wir uns dann im Sinne der Menschen aus unserer Region positionieren, werden wir in die Schranken verwiesen. Das kann und darf nicht sein!“

Der Landrat will sich weiterhin dafür einsetzen, dass insbesondere die Gastronomiebetriebe mit Selbstbedienung wieder öffnen können. „Ich rechne dabei mit Ihrer Unterstützung. Je mehr Menschen sich diesem Appell anschließen, desto größer unsere Chance hier schnell Veränderungen erwirken zu können. Meine Bitte an die Gastronomen: Bitte bleiben Sie zuversichtlich! Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam diese Krise meistern können.“ (cli/aktualisiert)

 

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