NATO-Gerichtsbarkeit: Kritik an Prozess zu tödlichem Verkehrsunfall bei Weilerbach

15. Juli 2020 | Kategorie: Politik regional, Südwestpfalz und Westpfalz

US-Luftwaffenbasis Ramstein
Foto: dts Nachrichtenagentur

Im Februar 2019 stieß ein US-Soldat der Air Base Ramstein mit seinem Sportwagen bei einem misslungenen Überholmanöver frontal mit einem dreirädrigen Kleintransporter zusammen. Dessen Fahrer, ein Jugendlicher aus Weilerbach, wurde dabei tödlich verletzt.

Zwar wurde der 21-Jährige vom US-Militärgericht Ramstein wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, aber von der Anklage wegen Totschlags, Dienstpflichtverletzung, rücksichtsloser Gefährdung und rücksichtslosem Führen eines Fahrzeugs freigesprochen.

Das US-Gericht hat den Obergefreiten zum Airman Basic degradiert und zu zwei Monaten Hausarrest und drei Monaten „verschärfter Arbeit“ verurteilt. Die Verhandlung vor einem US-Gericht und das Urteil stoßen in der einheimischen Bevölkerung auf breite Kritik.

Dazu äußerten sich auch Alexander Ulrich und Brigitte Freihold, Abgeordnete der Linken: „Das Urteil ist angesichts der Schwere der Tat nicht nachvollziehbar, auch weil keine Begründung der Geschworenen-Jury vorliegt. Dass die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern den Fall an die US-Behörden abgab, halten wir für einen großen Fehler.“

Warum die Strafverfolgung bei den US-Behörden landete

Die Bundesrepublik Deutschland hat nach Artikel 19 (1) des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) gegenüber den USA, Großbritannien, Kanada, Belgien und der Niederlande den allgemeinen Verzicht auf das Vorrecht zur Ausübung der konkurrierenden Strafgerichtsbarkeit erklärt. Gegenüber Frankreich wurde der Pauschalverzicht im Jahr 2000 aufgehoben. Der tödliche Verkehrsunfall bei Weilerbach ist ein Fall konkurrierender Gerichtsbarkeit, da hier eine Straftat nach deutschem und US-Recht vorliegt.

Staatsanwaltschaft hätte den Fall an sich ziehen können

Den Pauschalverzicht auf eigene Strafverfolgung hätte die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern jedoch zurücknehmen können, wenn sie nach Art. 19 (3) ZA-NTS der Ansicht gewesen wäre, „daß Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit erfordern“. Hierzu nennt Absatz 2a (ii) des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 19 ZA-NTS „Straftaten, durch die der Tod eines Menschen verursacht wird“. Dazu zählt auch die fahrlässige Tötung nach § 222 Strafgesetzbuch (StGB).

Wie deutsche Behörden die Abgabe des Falls erklären

Im Mai 2019 begründete der leitende Oberstaatsanwalt Dr. Udo Gehring die Abgabe des Falls damit, „dass eine der Bedeutung der Sache angemessene justizielle strafrechtliche Aufarbeitung der Geschehnisse erwartet werden kann.“ Zudem bestünde das Problem der Versetzung der Soldaten an andere Standorte. Landesjustizminister Herbert Mertin (FDP) argumentierte, dass sonst „zeitaufwändige Ermittlungen über den Weg der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen geführt werden“ müssten, die das Verfahren verzögern würden.

Zur Frage nach Tötungsdelikten von Angehörigen ausländischer NATO-Streitkräfte in Deutschland und der Ausübung der Gerichtsbarkeit im jeweiligen Fall liegen der Bundesregierung „keine Erkenntnisse“ vor. Zwischen 1992 und 2008 sind dem Landesjustizminister drei Fälle in Rheinland-Pfalz nach §§ 211, 212, 213 StGB (Mord und Totschlag) bekannt, in denen deutsche Gerichte die Urteile sprachen. Seit 2009 werden Verurteilungen von „Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte“ nicht mehr in der Strafverfolgungsstatistik aufgeschlüsselt. Verurteilungen durch ausländische NATO-Gerichtsbarkeit werden von der deutschen Seite ebenfalls nicht erfasst.

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