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Mit deutscher Gründlichkeit: Über Gurs nach Auschwitz – Deportation der Pfälzer Juden vor 75 Jahren

 Dr. Clemens Kuhn, Roland Paul, Horst Kuhn und vhs-Leiter und Ortsbürgermeister Gerhard Beil. [1]

Dr. Clemens Kuhn, Roland Paul, Horst Kuhn und vhs-Leiter und Ortsbürgermeister Gerhard Beil (v.li.).

Rheinzabern – Im Kleinen Kulturzentrum hätte man eine Stecknadel fallen hören, als Roland Paul, Leiter des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern, an die Deportation der jüdischen Mitbürger aus der Pfalz, aus Baden und dem Saarland vor 75 Jahren erinnerte.

Die sogenannte Bürckel-Wagner-Aktion am 22. Oktober 1940 ging in aller Öffentlichkeit und mit deutscher Gründlichkeit über die Bühne.

Die Opfer waren angehalten, vor Verlassen ihrer Wohnungen das Licht zu löschen, die Sicherungen herauszudrehen, verderbliche Essensreste der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt zu übergeben, sorgfältig die Haustür zu verschließen und den Schlüssel abzugeben. Unvorstellbar.

Augenzeugen erinnerten sich an das Stiefelgetrampel, den barschen Ton, an Zittern, Weinen und grölende HJ auf dem Weg zum Bahnhof.

Zwei Züge brachten die etwa 800 Elenden ins berüchtigte Lager Gurs am Pyrenäenrand. Hunger, Kälte und vor allem unsäglicher Schlamm bedeuteten für die Deportierten die Hölle auf Erden erleben.

Ehe im Zuge der sogenannten Endlösung der Judenfrage die Opfer auch mit Hilfe der Vichy-Regierung nach Auschwitz gebracht wurden, gab es im Lager Gurs eine wahre „Selbstmordepidemie“.

Roland Paul ging auf mehrere Einzelschicksale pfälzischer Juden ein und erinnerte an bekannte Namen. Manche von ihnen hatten bei Ausbruch des I. Weltkrieges in den Synagogen noch für Kaiser, König und Vaterland gebetet.

Trotz vieler jüdischer Kriegsfreiwilliger entwickelte sich seit den 20er Jahren ein immer stärker werdender Antisemitismus, nicht zuletzt geschürt durch den „Eisenhammer“, die nationalsozialistische Kampfzeitung, die in vielen pfälzischen Dörfern in Schaukästen aushing. Der „Eisenhammer“ stand Julius Streichers berüchtigtem „Stürmer“ kaum nach.

Bis 1940 war ca. 4000 Pfälzer Juden die Emigration nach Frankreich, Palästina, Argentinien oder USA gelungen – zumeist unterstützt von im 19. Jahrhundert ausgewanderten Verwandten, die Bürgschaften leisten mussten. In Amerika war ich ein Gentleman, in Deutschland ein „Saujude“, wird ein Auswanderer zitiert.

Dr. Clemens Kuhn, Klavier, und Horst Kuhn, Klarinette, spielten Stücke von Viktor Ullmann und Paul Ben-Haim, die zur sogenannten entarteten Kunst zählten.

Viktor Ullmann, Sohn eines zum Katholizismus übergetretenen österreichischen Offiziers, kämpfte im I. Weltkrieg als Leutnant an der Isonzofront. Ullmann schuf einen großen Teil seines Werks in Theresienstadt, ehe er am 18.Oktober.1944 in Auschwitz verstarb.

Paul Ben-Haim (1897-1984) wurde als Paul Frankenburger in München geboren. 1933 emigrierte er nach Tel Aviv und galt als einer der bedeutendsten Komponisten Israels. Ein eindrucksvoller Abend vor vollem Hause. (Gerhard Beil)

Gänsehauteffekt kam auf: Horst Kuhn (l.) und Bruder Dr. Clemens Kuhn. [2]

Gänsehauteffekt kam auf: Horst Kuhn (l.) und Bruder Dr. Clemens Kuhn.

Roland Paul (l.) im Gespräch mit einer interessierten Besucherin. [3]

Roland Paul (l.) im Gespräch mit einer interessierten Besucherin.

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