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Minfelder Gemeinderat Gebhardt im Polizeikessel in Kandel: „Hätte mir mehr gesunden Menschenverstand gewünscht“

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Michael Gebhardt und Hilde Stolz, Gemeinderätin aus der Heidelberger Gegend, und einige andere wurden nicht durch die Polizeikette gelassen.
Foto: Pfalz-Express

Kandel/Minfeld – Der Minfelder Gemeinderat Michael Gebhardt (FWG) hat sich gegenüber dem Pfalz-Express zu dem Geschehen bei den Demonstrationen am 24. März in Kandel geäußert.

Gebhardt hatte an der Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz [2] teilgenommen, bei der unter anderem auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dabei war.

Die Veranstaltung wurde von einem Bündnis aus Bürgern, Politik, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden getragen und setzte sich für ein „offenes und vielfältiges Kandel“ ein. Zudem wollte man damit auch den wiederholten Demonstrationen des „Frauenbündnisses Kandel“ und von „Kandel ist überall“ entgegentreten.

Als sich ein Zug von Demonstranten langsam in Richtung Bahnhofstraße in Gang setzte, reihten sich Gebhardt und einige andere mit ein, unter anderem auch Hilde Stolz, eine Gemeinderätin aus der Gegend um Heidelberg. “Ich wollte nur sehen: Wer sind wir, wer sind die anderen, wie viele sind es, welche Leute sind dort dabei“, erklärt Gebhardt.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Eine Gruppe von etwa 200 Personen aus dem antifaschistischen Spektrum schloss in schnellem Tempo von hinten auf. „Es kam eine ganz Meute angerannt“, so Gebhardt.

Die Polizei machte vorne in Höhe des Hotels „Zum Rössel“ und hinten nach der Abzweigung Hans-Thoma-Straße dicht. In dem Block steckten auch Gebhardt und Hilde Stolz mit ihrem Mann fest.

Einige Personen warfen Böller in Richtung Polizei. Die Polizei sprach von einem Angriff auf ihre Beamten mit teils „unterarmlangen Sprengsätzen“, Antifa-Sprecher von harmlosen Böller-Würfen über die Polizeiabsperrung hinweg. Laut Anitfa habe die Polizei bereits vor den Böllerwürfen „geknüppelt und gesprayt“.

Einige wenige aus der Antifa-Gruppe hätten sich aggressiv verhalten, sagt Gebhardt, die meisten jedoch nicht. Er selbst klemmte zwischen den Demonstranten und der Polizeikette: „Plötzlich hieß es seitens der Polizei: „Stöcke! Und die Tränengasflasche hatte ich genau vor meinem Gesicht.“

Gebhardt wollte raus aus dem Kessel, sprach mit den Polizeibeamten, zeigte seinen Personalausweis und versuchte anhand seines Handy, seine Identität klarzustellen – vergeblich, niemand wurde durchgelassen. „Wir sind abgestempelt worden als radikaler Teil des Ganzen, waren plötzlich alle eins“, sagt Gebhardt.

Eine weitere Frau, die ebenfalls nicht herausgelassen wurde, habe geweint, sei „fix und fertig“ gewesen. Er selbst hatte den Eindruck: „Eine Regung und du hast den Schlagstock oder Tränengas im Gesicht.“

Der Pfalz-Express hatte auf einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium Rheinpfalz [3] in Ludwigshafen auch speziell zu diesem Vorgehen nachgefragt. Es sei inmitten der Situation nicht sofort feststellbar, wer Straftäter sei und wer nicht, hatte Polizeidirektor Martin Kuntze erklärt.

Im Fall der eingeschlossenen Bürger habe man versucht, unbeteiligte Personen zu separieren. Das sei jedoch nicht immer zu 100 Prozent möglich gewesen, denn circa 40 Personen aus dem Block des linken Spektrums hätten eine hohe Gewaltbereitschaft gezeigt, so Kuntze.

Von der versuchten Separierung hat Gerhardt indes nichts bemerkt. „Die Polizei hat insgesamt sicher einen guten Job gemacht“, meint er. „Aber in diesem Fall hätte ich mir doch ein wenig mehr gesunden Menschenverstand gewünscht.“

Über eine Stunde sei man im Polizeikessel unschuldig festgehalten worden: „Das hat niemanden interessiert.“ Eine filmende Mitarbeiterin des Europa-Abgeordneten Stefan Bernhard Eck, Sandra Gabriel, habe von der Polizei „auf die Nase“ bekommen: „Mit voller Absicht.“

Als die Polizei die Demonstrantengruppe schließlich zum Bahnhof zurück gebracht hatte, sprach Gebhardt mit einem Polizei-Pressesprecher vor Ort – ein freundliches Gespräch. Ihm wurde empfohlen, sich direkt an die Behörde zu wenden. Das tat er auch und schrieb ebenfalls diverse Abgeordnete und Verwaltungen an.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Alexander Schweitzer führte ein Gespräch mit ihm und einigen anderen und sagte zu, den Vorfall in Mainz zu erörtern. Im Austausch mit Schweitzer habe er sich gut angenommen gefühlt, sagt Gebhardt.

Was ihn zusätzlich irritiert: „Ich hatte den Eindruck, dass in dieser Situation die größte Gefahr von der Polizei ausging. Das war ein seltsames Gefühl.“ Ansonsten schätze er die Arbeit der Polizei: „Ich habe mich sonst immer sicher gefühlt.“

Dennoch seien Kundgebungsteilnehmer „der anderen Seite“ von der Polizei „recht human und ohne große Ausrüstung“ zum Zug begleitet worden. Das habe ihn befremdet, so Gebhardt.

Er wünscht sich von der Polizei, dass diese künftig anders vorgeht. „Das wäre wirklich wichtig. Nicht dass es so weit kommt, dass die Menschen in Kandel sagen, `da gehen wir nicht mehr hin´.“ (cli)

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