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Lingenfeld: 200 Bürger strömen zur Gründung Bürgerinitiative „Gefahrstofflager“ – heftigen Widerstand angekündigt

Foto und Video: Pfalz-Express. Weitere Bilder folgen. [1]

Foto und Video: Pfalz-Express/Licht. Weitere Bilder folgen.

Lingenfeld/Germersheim – Das Sängerheim Lingenfeld, eigentlich nicht gerade klein, hat nicht ausgereicht: Zur Gründung der Bürgerinitiative „BI Gefahrstofflager“ platzte der Saal aus allen Nähten. Sogar auf der Straße standen Bürger und und lauschten durch geöffnete Fenster den Rednern.

Etwa 200 Unterstützer der BI waren bereit, gegen die Erweiterung des Gefahrstofflagers im US-Depot zu kämpfen. Die Initiativ-Gruppe besteht aus Michael Felleisen, Dietmar Bytzek, Volker Schaffhauser, Gerhard Müller sowie dem Lingenfelder Ortsbürgermeister Erwin Leuthner und dem Germersheimer SPD-Stadtrat Reinhard Werner.

Ziel der Bürgerinitiative ist es, die Erweiterung (Pfalz-Express berichtete mehrfach) von 70 auf 1900 Tonnen zu verhindern und wenn möglich sogar eine komplette Schließung des bestehenden Anlage zu erreichen. Die Erweiterung gefährde die Sicherheit in Germersheim und Lingenfeld, so die Initiatoren.

Die Bürger sind offenbar derselben Meinung – die Stimmung war kämpferisch und wies durchweg in Richtung „Anti-Gefahrstofflager“.

Eigentlich gehe es im Grunde um noch mehr Material, denn 1.200 Tonnen seien schon vor einigen Jahren genehmigt worden, so die BI. Da kämen die 1.900 Tonnen noch obendrauf.

Auch der Bürgermeister der über dem Rhein benachbarten Stadt Philippsburg, Stefan Martus, war nach Lingenfeld gekommen, um seine Unterstützung zu verkünden, was mit donnerndem Applaus honoriert wurde. Die Stadt kämpfe darum, am Verfahren beteiligt zu werden, sagte Martus.

Es sei zudem befremdlich, dass eine Kreisveraltung für die Prüfung eines solchen Antrags zuständig sei. In Baden-Württemberg beispielsweise liege alles, was einen militärischen Bereich betreffe, in der Zuständigkeit des Ministeriums.

Dietmar Bytzek gab mit einer Präsentation einen Überblick über die bisherigen Erkenntnisse, die Aufteilung und Geschichte des Lagers und führte aus, was bereits heute dort gelagert wird. Darunter seien teils schwer gesundheitsgefährdende Stoffe.

Gefahrstoffe GER [2]

Rauchen sei übrigens im Umkreis von 20 Metern verboten, erläuterte Bytzek mit einem Schuss Ironie, und das Gebäude 7983 unterliege dem Explosionsschutz: „Wenn da etwas passiert, war Harthausen [3] dagegen „Peantus“.

Die Aussagen der US-Army, dass es sich in der Hauptsache um Schmieröle, Fette etc. handele, sei von allen Mandatsträgern kritiklos übernommen worden, so Bytzek – besonders nach der Begehung [4].

Dabei habe die DLA (Defense Logistics Agency) im Antrag „Repräsentative Stoffe“ ausgewählt, also jene, die am häufigsten vorkommen. Die US-Army wolle einen Freibrief, alles lagern zu können. Eine Änderung der Stoff- und Gemischzusammensetzung wäre jedoch täglich möglich, was ein unkalkulierbares Risiko darstelle (auch für die Feuerwehren), weil neue Stoffe entstehen könnten.

Im Fall eines Feuers würden sich voraussichtlich toxische Brandgase ausbreiten. Je nach Windrichtung wären dann Lingenfeld, Germersheim oder Philippsburg betroffen. Auf einer Grafik aus dem Jahr 2007 sind die sogenannten AEG-Level ausgewiesen – die reichen von Unwohlsein mit Kopfschmerzen bis zum möglichen Tod in direkter Nähe zum potenziellen Unglücksort.

GER, US-Depot [5]

 

Auch im Fall einer Sabotage oder Angriffs wäre das US-Depot ein hochrangiges Ziel, weil es große Teile der Truppe versorge, so Bytzek.

Fehlende aktuelle Notfallpläne nach der Störfallverordnung seien ein weiteres Problem, ebenso die schnelle Verfügbarkeit von spezialisierten Feuerwehrkräften. Bei Gefahrgut-Unfällen gilt eine Anfahrtszeit von drei Minuten. Ein Gutachten habe jedoch zehn Minuten erbracht.

Auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) werde noch immer nicht als notwendig gesehen, so Bytzek. Dabei gebe es klare Kriterien, die man abprüfen müsse. Die Kreisverwaltung schiebe die UVP vor sich her, dabei müsse sie eigentlich am Anfang des Verfahrens stehen.

Derweil hat Dietmar Bytzek einen Antrag auf Stilllegung des Gebäudes gestellt: „Es besteht ein hinreichender Anfangsverdacht, dass der Betreiber seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.“

Misstrauen und Wut

Die Bürger im Saal brachten Bedenken und Empörung zum Ausdruck. Eine „Sauerei“ sei das, rief ein Zuhörer, andere mahnten die nachfolgenden Generationen an: „Wir versündigen uns an unseren Kindern und Enkeln“, sagte ein Germersheimer.

Dass sich der Germersheimer Stadtrat nicht gegen das Erweiterungsvorhaben der US-Army gestellt und generell nicht informiert habe, wurde ebenfalls heftig kritisiert.

Michael Felleisen dankte trotz allen Ungemachs Landrat Dr. Fritz Brechtel für den Bürgerinformationsabend [6]. Die Kreisverwaltung habe in der Sache „keine leichte Aufgabe“ und müsse nach rechtsstaatlichen Kriterien vorgehen. Brechtel habe die Gründung [7] der Bürgerinitiative begrüßt.

Auch Felleisen misstraut den offiziellen Angaben der Army: „Ich würde mich als Feuerwehrmann nicht auf einen Einsatz einlassen – man weiß nie, womit man es bei den Amerikanern zu tun hat.“

Das bestätigte ein Lingenfelder Feuerwehrmann: „Wir haben schlechte Erfahrungen mit den Amerikanern gemacht – es ist Sperrgebiet und die machen, was sie wollen.“ Man habe eben in den USA eine Regierung mit dem Motto „America first“, antwortete Felleisen: „Europa ist der Flugzeugträger der Amerikaner.“

Am 14. August besucht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Südpfalz-Kaserne in Germersheim: Möglicherweise könne man mit ihr sprechen und das Anliegen der Bürgerinitiative „Gefahrstofflager“ vorbringen, hofft Felleisen.

Reinhard Werner sagte, der Landrat müsse entscheiden, ob er „der Wirtschaft der Amerikaner mit einem Super-Lager“ helfen wolle oder den Bürgern: „Mit der BI können wir ihm eine Entscheidungshilfe geben.“

Moniert von Bürgern und der Bi wurden außerdem die Gefahrstofftransporter, die sich häufig in Wohngebiete verirren und dort festfahren. 200 LKW am Tag – die Zahl sei zu tief gegriffen. „Bei einer Sperrung der B9 gehen die Gefahrguttransporter durch unsere Wohngebiete.“

Am Ende der Veranstaltung waren die Unterschriftenlisten voll. Über 1.000 Unterschriften sind am Tag danach bereits zusammengekommen und es werden stündlich mehr.

Die Initiativgruppe stand auf und applaudierte den Bürgern: „Weil Sie uns so stark unterstützen.“ Nun soll noch eine Homepage erstellt werden, auf der die jeweils neusten Informationen online abrufbar sind: „Damit Sie auf demselben Stand sind wie wir.“  (cli)

Information:

Online gibt es eine Petition gegen die Erweiterung des Gefahrstofflagers in US Depot Germersheim: hier [8] klicken.

 

BI Gefahrstofflager Lingenfeld, Germersheim, US-Depot [9]

 

BI Gefahrstofflager, GER, Lingenfeld, US-Depot [10]

 

BI Gefahrstofflager Lingenfeld, Germersheim, US-Depot -2 [11]

 

Dietmar Bytzek [12]

 

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