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Leserbrief: „Thema Pflegenotstand bleibt unter allen Politikern ein ungeliebtes Kind“

Foto: red

Da waren sie wieder im Fernsehen mit einem öffentlichen Auftritt: Jens Spahn, Hubertus Heil und Franziska Giffey. Stolz präsentieren die drei was sich in der Pflege im Gehaltsbereich verändern soll.

Mit 14 Euro jede Stunde Mindestlohn sollen nun Pflegefachkräfte ein deutliches Plus in der Lohnabrechnung feststellen. Ich halte diesen Mindestlohn bei weitem nicht für ausreichend und weiter auch für sehr beschämend. Bei einer regulären Arbeitszeit von 38,5 Stundenwoche würden die Fachkräfte über ein Bruttoeinkommen von monatlich etwa 2.300 Euro (Vollzeit)verfügen.(Wer aber arbeitet in der Pflege Vollzeit, die allerwenigsten).

Somit wird auch mit dem neuen Vorschlag auch die Altersarmut unter den Pflegekräften gefördert. Zur Information: Wer in Deutschland derzeit über ein Bruttoeinkommen von 3.200 verfügt und dieses Einkommen uneingeschränkt über 45 Jahre erhält, bekommt eine Rente von ca. 1.300 Euro monatlich Brutto, abzüglich der Beiträge für den Staat, verbleiben den Pflegekräften rund 1.100 Euro.

Welche Pflegekraft verdient aber die 3.200 Euro Brutto? Die Pflegekräfte die selbst ganztags mit den avisierten 2.300 Euro brutto arbeiten, können so ganz leicht abschätzen, dass sie ganz zwangsläufig in die Altersarmut rutschen. Das ist also schon mal vorprogrammiert.

Wir erinnern uns: im Jahr 2011 hat der damalige Gesundheitsmister Phillip Rösler das Jahr 2011 zum Jahr der Pflege ausgerufen. Die Pflege soll attraktiver werden, mehr Geld für die Pflege, die pflegenden Angehörigen sollten entlastet werden, eine Verbesserung der Vereinbarung von Pflege und Beruf wurde in Aussicht gestellt, pflegende Angehörige sollen entlastet werden. Davon ist wenig angekommen, für die Pflege noch weniger als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Wir sind heute 8 Jahre weiter und die Politik führt immer noch die gleiche Diskussion. An der schlechten Bezahlung des Personals hat sich nichts gebessert, die 14 Euro ein beschämender Vorschlag. Das Elend in der Pflege klebt dem Pflegepersonal wie Pech an den Schuhen.

Jetzt treten drei Bundesminister (Spahn, Heil, Giffey) vor die Kamera und geloben erneut eine Verbesserung in der Pflege. Und wieder geht es ums Geld. Wer soll die Verbesserungen bezahlen? Ich fürchte die Politik wird wieder eine Möglichkeit finden um eine steuerfinanzierte Pflege herumzukommen.

Es wäre ja nicht das erste Mal, dass und Politiker Verbesserungen in der Pflege vorstellen, die wir aber dann auch selbst bezahlen dürfen, oder dürfen wir zur Finanzierung der Pflege erneut auf einen Feiertag verzichten. Hilfebedürftige Menschen, die unter schweren Mühen sich ein Häuschen erspart haben müssen dies im Alter zur Finanzierung der Pflege verkaufen um die Kosten zu bezahlen. Es sind genau die Menschen auf dessen Schultern wir heute unseren Wohlstand genießen. Also alles wie gehabt!

Keine Partei gibt zu, dass ein weiteres „Reförmchen“ nicht mehr ausreicht. Die System Pflege, ja das gesamte Gesundheitswesen müsste komplett neu aufgebaut werden. Gute Pflegeheime bei denen die Würde des Menschen im Vordergrund steht, kämpfen jährlich mit den Finanzen.

Meine Mutter ist im Pflegeheim in Kandel (Willy Hussong Haus) untergebracht. Es ist eine Einrichtung, die ihr Geld für das Wohl der Bewohner ausgibt und auch der Personalschlüssel dürfte über dem Schnitt liegen.

Um diese Philosophie der Menschenwürde/Pflege umzusetzen, müssen dann Modernisierungen am Gebäude in Kandel verschoben werden. Das sieht man dem Haus etwas an, es ist in die Jahre gekommen. Aber es ist mir tausendmal lieber, dass die Bewohner gut versorgt und die Mitarbeitende halbwegs zufrieden sind, als dass da ein prachtvolles Gebäude entsteht mit entsprechendem Kostendruck auf die Mitarbeitenden.

Wir brauchen in der Pflege den großen Wurf und das bedeutet für mich ohne Zweifel, dass wir eine steuerfinanzierte Pflege brauchen und hoffe, dass sie auch kommen wird. Der Staat, die Kommune müssen wieder mehr die Initiative ergreifen und die Pflege vor Ort entweder durch eigene Heime oder durch kräftige Unterstützung caritativer Einrichtungen bewerkstelligen. Eine solche Unterstützung für ein Pflegeheim wie da Willi Hussong Haus in Kandel wäre ein segensreicher Vorgang.

Die Verantwortlichen in der Politik müssten sofort unterbinden, dass Bauträger von Pflegeappartements eine Rendite von 5-7 % für den Käufer ausloben. Diese Rendite muss ein Pflegeheim für 20 und mehr Jahre dauerhaft erwirtschaften. Und wer bezahlt diese Rendite? Es sind die Bewohner und letztlich auch die Mitarbeitenden einer Pflegeeinrichtung. Da wird dann an allen Ecken und Enden gespart. Marktwirtschaft ist gut, aber für eine gute, dem Mensch zugewandten Pflege einfach nicht dienlich.

Die Parteien, die für die Zustände in der Pflege verantwortlich sind, scheinen Ideenlos. Leider kann auch die AfD oder die Linkspartei nicht mit neuen, einschneidenden Ideen in der Pflege etablieren. Das Thema Pflegenotstand bleibt unter allen Politikern ein ungeliebtes Kind.

20 Euro Stundenlohn für eine Pflegefachkraft halte ich für absolut gerechtfertigt.“

Hubert Keiber

Pflegemanagement

Mitglied der GLG – Group Beratungsexperten

Vorstandsvertretungen, Interimsmanagement. Pflegesatzverhandlungen, Schiedsstellenverfahren,

Personalauswahl, Pre Opening, Sanierungen, Verkaufsschulungen.

Schafgartendamm 16

76774 Leimersheim

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