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Leon Bauer, der „Löwe aus der Pfalz“: „Es war eine alles-oder-nichts-Entscheidung“

Der Hatzebühler Leon Bauer hat trotz seines jugendlichen Alters schon eine beachtliche Karriere hingelegt.
Fotos: Pfalz-Express/Hör

Hatzenbühl – Boxen ist nicht nur sein Beruf, sondern seine Leidenschaft. Wenn man mit Leon Bauer über seine Passion spricht, sprudelt es förmlich aus ihm heraus. Der 20-Jährige, der unter dem Kampfnamen „Der Löwe aus der Pfalz“ antritt, wählt deutliche Worte, hat eine klare Meinung und ist authentisch.

Im Interview mit dem Pfalz-Express spricht Leon Bauer über seine Kindheit, seine Liebe zur Pfalz und die Zukunft des Boxsports.

PEX: Sie kamen durch Ihren Vater bereits in frühester Kindheit zum Boxen. Wie kam es dazu?

Leon Bauer: Mein Vater verfügt über große Erfahrung in vielen verschiedenen Disziplinen – von Boxen über Kick- und Thaiboxen bis Wing Chun. Ihm war es immer wichtig, dass seine Kinder sich selbst verteidigen können, denn das Leben ist kein Ponyhof. Man darf sich nicht auf andere verlassen, sondern muss sich seinen Platz selbst erarbeiten. Gleichzeitig vermittelt Kampfsport Werte wie Disziplin, Respekt und Regeln.

PEX: Wie kam es dazu, dass Sie sich von den möglichen Kampfsportarten Boxen ausgesucht haben?

Leon Bauer: Es gibt Bilder von mir mit Boxhandschuhen, da war ich drei, vier Jahre alt. Ich habe natürlich auch die anderen Sportarten ausprobiert, Kickboxen, Thaiboxen, Jiu-Jitsu – aber den meisten Spaß hatte ich beim Boxen. Mit elf Jahren hatte ich meinen ersten Kampf, kam zu den Amateuren und wurde mit 14 Jahren deutscher Meister. Da es im Amateurboxen, sagen wir, sportpolitische Probleme gab, bekam ich eine Sondergenehmigung und durfte im Profibereich boxen. Schon nach dem zweiten Kampf hatte ich einen Vertrag von Sauerland auf dem Tisch und habe mit 17 in Las Vegas geboxt und wurde im selben Jahr Junioren-Weltmeister. Klingt erst einmal toll, aber es war kein geradliniger Weg, der mich dorthin geführt hat, wo ich heute bin.

PEX: Wieso das?

Leon Bauer: Es gab Meinungsverschiedenheiten mit meinem Ex-Manager, von dem wir uns getrennt haben. Das Ende der Zusammenarbeit bedeutete auch, dass wir plötzlich ohne Sponsoren dastanden und damit von heute auf morgen ohne Einnahmen. Das war natürlich eine enorme Drucksituation, physisch wie psychisch, denn ich habe mich dem Boxen verschrieben und verdiene damit auch mein Geld. Letztlich haben wir es durch diese Zeit geschafft, das hat uns als Familie auch noch enger zusammengeschweißt – und wir arbeiten jetzt mit Menschen zusammen, denen es um unsere Interessen geht statt um den eigenen Vorteil.

PEX: Sie sagten, Sie haben sich dem Boxen verschrieben. Ab wann war für Sie klar, dass Sie Profiboxer werden?

Leon Bauer: Als ich mit 16 in die 11. Klasse kam, lag der Profivertrag von Sauerland auf dem Tisch. Das war eine alles-oder-nichts-Entscheidung. Mein Vater hat mir sehr geholfen. Er sagte, wenn ich Boxen zu meinem Beruf machen will, unterstützt er mich – aber nur, wenn ich eine Ausbildung abschließe oder einen höheren Bildungsabschluss mache. Ihm war wichtig, dass ich ein zweites Standbein habe, wenn es doch nicht klappt. Deshalb habe ich neben dem Boxen mein Fachabitur gemacht und Büroassistent gelernt. Das war schon hart: Ich kam nach der Schule zwischen 14 und 15 Uhr nach Hause und habe danach auch noch trainiert. Das hat viel Energie gekostet und ich war froh, als es vorbei war (lacht). Aber: Ich habe bestanden!

PEX: Gab es Zeiten, zu denen Sie an Ihrem Karriereziel gezweifelt haben?

Leon Bauer: Klar – solche Momente kennt bestimmt jeder! Aber kein Beruf im Leben ist komplett ohne Risiko. Als Angestellter kann ich auch meinen Job verlieren, wenn es blöd läuft. Mir war klar, dass die Profikarriere eine einmalige Chance im Leben ist, also habe ich alles auf eine Karte gesetzt. Ich bin überzeugt von meinen Fähigkeiten. Meiner Meinung nach kann und muss man alles geben, um erfolgreich zu sein, muss weitermachen, auch wenn man mal keine Lust hat – denn die Konkurrenz schläft nicht. Das gilt für das Boxen wie für jeden Bürojob auch!

PEX: Wie bereiten Sie sich auf einen Kampf vor?

Leon Bauer: Das kommt stark auf die Art des Kampfes an: Wenn der Kampf nur über vier bis sechs Runden geht, reicht im Prinzip ein Tag. Aber wenn es über acht bis zwölf Runden geht, muss man sich natürlich länger und intensiver vorbereiten. Da kommt es auf Kraft und Ausdauer an, schließlich sind die Gegner auch voll trainiert. Um optimal vorbereitet zu sein, beginnen wir acht bis zwölf Wochen vorher mit der gezielten Vorbereitung.

PEX: Welche Rituale helfen Ihnen, sich unmittelbar vor dem Kampf zu fokussieren?

Leon Bauer: Da hat jeder natürlich seine eigenen Rituale – gäbe es etwas, das immer funktioniert, würde es jeder machen. Als Familie lachen wir viel und haben Spaß zusammen, aber im Ring geht es um „Du oder ich“ – da ist kein Platz für Spaß. Vor dem Kampf bin ich ruhig und voll konzentriert.

PEX: Ihr Kampfname ist „Der Löwe aus der Pfalz“ – was bedeutet Ihnen Ihre Heimat?

Leon Bauer: Ich liebe die Pfalz! Ich habe hier meine Freunde, gute Bekannte und natürlich meine Familie. Wir haben unser eigenes Gym, wo alles anfing und das für mich eine überragende Bedeutung hat. Gleichzeitig reise ich gerne, um Menschen kennenzulernen und über den Tellerrand hinauszublicken.

Die Familie hält fest zusammen.

Es gibt diesen Spruch: „Manche Dinge musst Du gehen lassen, damit sie von alleine wieder zurückkommen“. Für mich bedeutet das: Ich genieße es, die Welt zu sehen und andere Städte kennenzulernen – und merke dann nach einer Zeit, dass ich meine Heimat vermisse. Aber natürlich ist nicht alles nur positiv: Es gibt natürlich auch Neider, die vornerum nett und freundlich sind und hinter meinem Rücken lästern. Das ist nicht mein Ding. Ich bin offen und ehrlich – so wie Pfälzer eben sind.

PEX: Mit 16 Siegen und einem Unentschieden in 17 Kämpfen haben Sie eine beeindruckende Statistik vorzuweisen. Was sind Ihre nächsten Ziele?

Leon Bauer: Puh! Ich bin nicht sehr geduldig, am liebsten wäre es mir, es ginge Schlag auf Schlag. Ich bin seit zwölf, dreizehn Wochen im Training, da ein Kampf abgesagt wurde. Es ist nicht schön, in der Luft zu hängen. Da hat man natürlich ab und an Motivationsprobleme. Aber es ist Teil des Geschäfts. Ich mache mir dann bewusst, dass ich noch sehr jung bin und die Zeit für mich arbeitet – auch wenn mir das nicht leicht fällt (lacht).

PEX: Was wäre für Sie als Boxer der ultimative Traum und warum?

Leon Bauer: Es gibt eine gewichtsklassenunabhängige Rangliste – „Pound for Pound“ genannt -, bei der der beste Boxer der Welt anhand eines Punktesystems berechnet wird. Ich glaube, kein Deutscher stand in dieser Liste bisher ganz oben. Das ist meine große Motivation. Unabhängig von Titeln und Auszeichnungen würde ich auch gerne mehr bewegen, um Kinder und Jugendliche für Sport zu begeistern. Egal in welcher Sportart haben die Vereine derzeit erhebliche Nachwuchsprobleme – es gibt so viele andere Dinge, die verlockend sind. Ich möchte Vorbild sein, damit junge Menschen nicht nur vor der Playstation oder auf Instagram rumhängen. Mir wurde so viel gegeben, dass ich gerne etwas zurückgeben möchte.

PEX: Sie sprechen Playstation und Social Media an. Was halten Sie von eSports?

Leon Bauer: Ich spiele selbst gerne zur Entspannung Playstation mit meinen Freunden. Das sollte man auch als Eltern nicht versuchen zu unterbinden, denn dann ist der Anreiz nur umso größer. Trotzdem gibt es eine Welt außerhalb von Instagram und Co. Das Internet bietet so viele Möglichkeiten, es sammelt das gebündelte Wissen der Menschheit – und wir nutzen es größtenteils für Blödsinn. Es ist bedenklich, dass die Heranwachsenden ihr Handy nicht mehr zur Seite legen können und es wichtiger ist, auf Instagram Follower zu sammeln als mit echten Menschen in Kontakt zu kommen. Ich sehe hier Eltern und auch Bildungseinrichtungen in der Verantwortung, sich an die neuen technologischen Gegebenheiten anzupassen und eine gesunde Balance zu vermitteln.

PEX: Der Boxsport in Deutschland ist weitgehend aus dem Rampenlicht verschwunden. Warum?

Leon Bauer: Es ist schwierig, das auf einen einzigen Grund zurückzuführen. Ich denke, einerseits fehlen die deutschen Identifikationsfiguren, die Begeisterung entfachen können. Andererseits haben einige meiner Vorgänger dem Renommee des Boxens durch ihre mediale Inszenierung geschadet. Ich kann nicht im Internet auf Rambo machen und ein großes Mundwerk haben und dann nicht liefern. Das ist für mich kein guter Stil.

PEX: Wie kann man das Boxen wieder auf die sportliche Landkarte bringen?

Leon Bauer: Das Interesse am Boxen ist nach wie vor ungebrochen. In den USA erreichen die Börsen Rekordhöhen, DAZN schließt riesige Deals ab. Boxdeutschland liegt zwar derzeit am Boden, aber es gibt eine Sehnsucht nach authentischen deutschen Boxern. Es braucht nur ein Zugpferd. Das möchte ich gerne sein, denn mir war der große Auftritt nie wichtig, ich verstelle mich nicht für die Kameras oder Mikrofone, sondern bin ehrlich und sage meine Meinung – auch wenn es anderen nicht passt. Ich bin ein Pälzer Bu mit einer Pälzer Gosch und das kommt, denke ich, auch gut an.

PEX: Wenn Sie sich nicht gerade intensiv auf den nächsten Kampf vorbereiten, wie sieht Ihr normaler Alltag aus?

Leon Bauer: Ich brauche Action und Abwechslung. Ich versuche, viel von der Welt zu sehen, neue Menschen kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln. Und ich habe verbringe viel Zeit mit der Familie und Freunden, ich bin gerne unter Menschen und brauche nur selten ein paar Minuten für mich.

PEX: Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären kein Profiboxer geworden: Welche Karriere hätten Sie dann eingeschlagen?

Leon Bauer: Schwierige Frage (lacht). Ich glaube, ich wäre gerne eine Art moderner Robin Hood geworden, eine Art liebenswerter Gauner, der durch geschickte Geschäfte Schwache unterstützt und von denjenigen nimmt, die sowieso zuviel haben. Auf jeden Fall würde ich nie mit dem Leid anderer Menschen Geld verdienen wollen.

Das Interview führte Sebastian Hör. 

Foto (Archiv): Phil Specter Photographie

Der nächste Kampf von Leon Bauer findet am 17. August in Ludwigshafen statt. Tickets und Bustransfer über Melanie Bauer, Telefon: 0152 – 338 002 17.

 

Infos zu Leon Bauer

Geboren am 19.08.1998 in Kandel
Gewichtsklasse Supermittelgewicht bis 76,203 kg
W-L-D 16/0/1
Stil Orthodox
Trainer Bernd Bauer
Promoter Sauerland Event GmbH

Erfolgsgeschichte

2013 Karrierestart
Amateur Baden Württemberg
2014 Badischer Meister
2014 Süddeutscher Meister
2014 Deutscher Meister

Profikarriere

2015 Sondergenehmigung des BDB: Wechsel in den Profisport (Alter 16)
2015 Profi-Debüt als jüngster Profiboxer Europas (K. O.-Sieg nach 76 sec.)
2015 Vertrag mit der Sauerland Event GmbH: Bauer ist jüngster Profi in der Geschichte von Sauerland
2015 5 Siege (davon 4 durch K. O.)
2015 Bauer gewinnt als erster deutscher Boxer aller Zeiten in der MGM Garden Arena in Las Vegas
2016 Jüngster IBF-Junioren-Weltmeister im Supermittelgewicht aller Zeiten
2017 Erste Titelverteidigung IBF-Junioren-Weltmeisterschaft im Supermittelgewicht
2017 Zweite Titelverteidigung IBF-Junioren-Weltmeisterschaft im Supermittelgewicht
2017 Ehrung mit einem HERQUL als Newcomer des Jahres
2018 In 15 Profikämpfen ungeschlagen, ein Unentschieden

Mehr zu Leon Bauer auf https://www.leon-bauer.com/ [1]

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