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Kreis Germersheim: Leidenschaftliche Haushaltsdebatte – der Streit ums liebe Geld

Kreistagssitzung am 8. Dezember. Foto: Pfalz-Express [1]

Kreistagssitzung am 8. Dezember.
Foto: Pfalz-Express

Germersheim – Trefflich debattiert, diskutiert und gestritten wurde auf der Kreistagssitzung über den Haushalt 2017.

Der Kreis steht mit etwa 145 Millionen Euro tief in der Kreide. Das beunruhigt Kreistagsmitglieder und ganze Fraktionen. Zwar gibt es in diesem Jahr einen Überschuss von 1,5 Millionen hauptsächlich aus Gewerbesteuereinnahmen (47 Millionen). Der Haushalt ist deswegen bei weitem nicht ausgeglichen.

Brechtel: „Schwarze Null“

Trotzdem sei der Überschuss erfreulich, sagte Landrat Dr. Fritz Brechtel (CDU) in seiner Haushaltsrede: „Wir schreiben eine schwarze Null.“

Das vergangene Jahr sei geprägt gewesen vom Thema „Flüchtlinge“. Eine Daueraufgabe, die noch weit in die Zukunft reiche – man müsse weiterhin gute Bedingungen schaffen, auch um die bereits Anerkannten, die somit aus der Statistik fielen, richtig zu integrieren.

Brechtel sieht die Zukunft trotz schlechter Zahlenbilanz dennoch optimistisch: Es siedelten sich immer mehr Betriebe im Kreis an, was viele hundert Arbeitsplätze geschaffen habe und Gewerbesteuer in die Kassen spüle. Der Landkreis profitiert in dieser Hinsicht am meisten vom Wirtschaftsgiganten Daimler in Wörth.

Gewerbesteuer und die Kreisumlage, die 85 Millionen eingebracht hat, seien eben die einzigen Einnahmequellen, die der Landkreis habe, sagte Brechtel. Die Kreisumlage sei nicht erhöht worden und auch eine Abschöpfung der Umsatzsteueranteile sei nicht erfolgt.

Brechtel betonte, dass die Einnahmen durch Weiterverteilung den Kommunen wieder zugute kämen – als Solidargemeinschaft. Der Löwenanteil fließt in den Bereich Soziales. Darunter fallen zum Beispiel Jugendhilfe, Kindertagesstätten und Schulen.

Der Kreis habe nun mal gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, so Brechtel. Dabei habe der Bund bei den Finanzierungen „geliefert“, das Land Rheinland-Pfalz allerdings kaum.

Brandl: Land behält Geld für sich

Der Landtagsabgeordnete Martin Brandl verschärfte diese Kritik noch: Trotz der vielen Bundesmilliarden an die Länder komme in Rheinland-Pfalz kaum etwas in den Kommunen an.

Von 50 Millionen für Rheinland-Pfalz habe das Land lediglich 10 Millionen weitergegeben. 40 Millionen behalte das Land für sich. Das sei ein krasses Ungleichgewicht, sagte Brandl: „Da kann man sich schon mal Gedanken machen.“

Brandl kritisierte zudem den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Jockgrim, Uwe Schwind (SPD). Schwind hatte am selben Tag einen offenen Brief an den Landrat geschickt. Unterschrieben hatten ihn fünf hauptamtliche Bürgermeister aus dem Kreis Germersheim.

In dem Papier wird unter anderem gefordert, die Kreisumlage um mindestens 1,5 Prozentpunkte zu senken, eine „Prioritätenliste“ anzulegen oder eine Konsolidierungsarbeitsgruppe ins Leben zu rufen.

Brandl sagte, er vermisse konkrete strukturelle Einsparvorschläge und warf Schwind und den Mitunterzeichnern vor, aus der Solidargemeinschaft aussteigen zu wollen: „Da werden wir (die CDU) nicht mitmachen.“

Schwind: Kommunen etwas zurückgeben

Schwind konterte, man müsse eben die richtigen Schlüsse aus den Zahlen ziehen. Brechtel habe die überschüssigen 1,5 Millionen mit der Flüchtlingssituation „runtergerechnet“. Man gehe von einem Plus aus durch die gute Konjunktur und nicht von einer „Schwarzen Null“. Deshalb müsse der Landkreis „in guten Jahren“ etwas zurückgeben. Die Verschuldungsfalle lege sich wie „Mehltau“ über die Verwaltung, was in den Kommunen noch nicht der Fall sei.

Auf den Einwand des Landrats, dass es eine Prioritätenliste bereits gebe und man unermüdlich an Kosteneinsparungen arbeite, beharrte Schwind zumindest auf einer „Aktualisierung“. Und: „In besonders positiven Zeiten kann man mit der Kreisumlage auch mal entlasten – das wäre ein Akt der Solidarität.“ Die SPD werde dem Haushalt nicht zustimmen, wenn die Kreisumlage nicht um 1,5 Prozentpunkte (entsprechen 2,7 Millionen Euro ) gesenkt werde, so Schwind.

Gerade das Gegenteil, nämlich eine Erhöhung der Umlage, forderten Grüne, AfD und FDP.

Grüne: Nur Verschnaufpause

Annette Krysmansky (Grüne) sagte, die 1.5 Millionen seien nur eine Verschnaufpause, der Haushalt werde weiter ins Minus rutschen. Der Schuldenberg würde durch die Senkung der Kreisumlage noch weiter wachsen: „Wir müssen an die Nachfolgenden Generationen denken.“

Wildberg: Verschuldung ist Rechtskonflikt

Das war auch ein Argument der AfD, die gleich mit zwei Rednern antrat. Franz Siarsky monierte, dass eigentlich nie konkret über Schuldenabbau gesprochen werde.

Dr. Heiko Wildberg Wildberg sprach das gesetzliche Überschuldungsverbot an. Damit stehe man eigentlich in einem Rechtskonflikt. Die Verabschiedungen im Kreistag in den letzten Jahren „mit breiter Mehrheit“ widersprächen dem Überschuldungsverbot.

Man wolle keine Sozialleistungen kürzen, aber die Prinzipien des Rechtsstaats seien uneingeschränkt einzuhalten: „Das erwartet man ja auch von den Bürgern.“ Ob man denn mit Steuergeldern grenzenlos Schulden machen könne und es keine Instanz gebe, die dem einen Riegel vorschiebe? Wildberg sprach zudem von einer „virtuellen Fraktion der Bürgermeister im Kreistag“, die die Schulden gerne beim Landkreis abladen würden.

Außerdem wies er darauf hin, dass der VRN 436.000 Euro Nachzahlung für die S-Bahn einfordere, also ein Drittel der überschüssigen 1,5 Millionen schon verbraucht sei.

Löwer: Endlose Spirale

Auch die FDP war unzufrieden: „Alle Jahre wieder dasselbe Debakel“, klagte Gerhard Löwer.Wann endet die Spirale der Verschulung?“ Schon ewig habe der Kreistag nicht verhindern können, dass der Schuldenberg gestiegen sei.

„Politiker schreiben vor, wie weit sich persönliche Haushalte verschulden dürfen und dieselben Politiker halten sich bei öffentlichen Finanzen selbst nicht daran“, so Löwer. Die FDP stimmte dem Haushalt nicht zu.

Hör: Ausgaben notwenig

Reiner Hör von den Freien Wählern sagte, man stimme dem Haushalt zu, „weil die Aufwendungen sinnvoll, notwenig und nicht aufzuschieben sind.“

Rheude: Arbeiten für die Zukunft

Nicht in „Negativstimmung“ zu verfallen mahnte Thorsten Rheude an. In den Ausschüssen werde konstruktiv und nachhaltig gearbeitet. Vieles sei längerfristig angelegt, wie zum Beispiel die Jugendsozialarbeit. Die verhindere in vielen Fällen künftige Sozialhilfeempfänger.

Brechtel: 99 Prozen Pflichtaufgaben

Das Schlusswort hatte wieder Landrat Brechtel. „Wir können etwas bewegen und wir haben etwas bewegt, sagte er. Der Landkreis entwickle sich trotz allem gut, neue Kredite seien zudem nicht vorgesehen. Das Investitionsprogramm bis 2020 werde jedes Jahr in Ausschüssen angeglichen, man könne sich gerne aber „noch intensiver“ damit befassen.

99 Prozent der Ausgaben seien gesetzliche Pflichtaufgaben: „ Sollen wir etwas Kitas schließen oder Schulen nicht bauen?“ Alle Entscheidungen in den letzten Jahren seien in den Gremien intensiv diskutiert und meist mehrheitlich beschlossen worden.

Das Land verhalte sich verfassungswidrig, legte Brechtel noch einmal nach. Es bürde den Kreisen Aufgaben auf, behalte aber die Mittel für sich.

Am Ende stimmen Abstimmung 25 Kreismitglieder für den Haushalt und 16 dagegen. (cli)

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