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Homeschooling: Kandeler und Landauer Elternbeiräte wollen weiter „Microsoft Teams“ – Unverständnis über Verbot der Landesregierung

28. Januar 2021 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Regional

Leere Klassenräume in der IGS Kandel und überall im Land.
Foto: Pfalz-Express

Kandel / Landau – Abstürzende Rechner, knisternde und wiederholt abbrechende Tonübertragung. Ein Lehrer schreit laut, aber so langsam, als probiere er eine neue slow-motion Variante aus, ins Mikro: „Schaaaaltet mal alle die Kaaaamera aus, wegen der Qualitäähät!

Eltern stöhnen, weil nach dem Ausdrucken des siebenundzwanzigsten eilig abfotografierten Arbeitsblatts die nächste Druckerpatrone schon wieder leer ist und sie Aufgaben erklären müssen, die sie zum letzten Mal vor 25 Jahren in ihrer eigenen Schulzeit vor sich hatten: Deutschland im Homeschooling.

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte schreit auf, weil der Lockdown in den Schulen verlängert worden ist und spricht von nicht ausreichender Betreuung der Kinder und einem nicht aufholbaren Abhängen benachteiligter Schüler im Blick auf Bildungsprozesse. Eltern kurz vor der Verzweiflung: Die Kinder noch länger Zuhause.

Doch in einem kleinen gallischen Dorf – ach nein: In Landau und der Südpfalz schütteln einige Familien ob dieser Ausführungen verwundert die Köpfe, denn ja: Es geht auch anders. Die IGS Kandel setzt wie auch die Montessori Schule Landau auf das System Microsoft Teams. Das berichtete ein Mitglied des Schulelternbeirats (SEB) der IGS Kandel. Ein weiteres Kind besucht die Montessori-Schule in Landau. Die Elter sind sind so überzeugt vom Microsoft-System, dass sie sich für die Erhaltung stark machen wollen.

Screenshot Microsoft Teams

Die Mutter der Abiturientin an der IGS erzählte: „Die Schüler wurden weiterhin gut vorbereitet und die Möglichkeit, mit den Lehrern zu kommunizieren, war zu jeder Zeit gegeben. Auch in der Zeit unmittelbar vor den schriftlichen Prüfungen war Austausch online möglich und es gab Fragestunden für die Leistungskurse. Daneben waren die Lehrer bei Fragen jederzeit verfügbar.“

Markus Sabath, an der IGS Kandel mit seiner Kollegin Heide Peris für die Digitalisierung zuständig, erklärte, man habe sich mit MS Teams für ein stabiles Programm entschieden, das auch in großen namhaften deutschen und internationalen Unternehmen häufig Verwendung finde: „So bereiten wir die Schüler auch auf das Leben nach der Schule und ein Zurechtkommen in den digitalen Anforderungen eines Berufes vor.“

„Besser als Moodle“

Dabei sieht er als Lehrer, der jahrelang auch mit der in Schulen weit verbreiteten Plattform „Moodle“ (die Lernplattform Moodle war immer wieder überlastet und zusammengebrochen, Anm. d. Red.). gearbeitet hat, noch weitere Vorteile: „MS Teams bietet uns mehr Möglichkeiten zur Echtzeit-Kollaboration. In Verbindung mit OneNote ist es möglich, Tafelanschriebe in Echtzeit und dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Schüler, die ein Tablet verwenden, können ihre Hausaufgaben auch mit einem Stift handschriftlich anfertigen und wir als Lehrer können entsprechend Notizen handschriftlich hinzufügen. Das funktioniert natürlich auch, wenn unsere Schüler pdfs oder Fotos verwenden, die problemlos und ohne vorheriges Hochladen als Anhang beispielsweise in ein digitales Schülerheft eingebunden werden können.“ Alle Lehrer der IGS Kandel seien nach dem Lockdown im Frühjahr gründlich geschult worden: „Wir waren gut vorbereitet“.

Das gilt nicht nur für die Abiturjahrgänge. Regelmäßig haben alle Schüler feste Online-Präsenzzeiten, in denen Unterricht stattfindet. Es folgen Arbeitsaufträge, die engmaschig wieder in Präsenz besprochen werden, die älteren Schüler erhalten regelmäßig schriftliche Rückmeldungen.

Auch die sogenannten Tutorenstunden, in denen es aktuell darum geht, die Kinder persönlich zu begleiten, sich auszutauschen, was gut oder schlecht läuft – wie es den Kindern in der Pandemie geht und welche Wege es gibt, diese Zeit gut zu überstehen, finden regelmäßig statt – dass sich dabei 30 Schüler zeitgleich mit Kamera und Ton einloggen, stellt dabei kein Problem dar.

Unterrichtet wird in einzelnen „Teams“, wobei jedes „Team“ ein Fach darstellt, vergleichbar mit einem Kurs oder Klassenraum. Problemlos können in Dateiordner des „Klassenraums Team Mathe“ oder des „Klassenraums Team Englisch“ usw. die jeweiligen Unterrichtsmaterialien hochgeladen werden, wobei eine mehr als ausreichend hohe Speicherkapazität zur Verfügung steht.

Dabei verhindert MS Teams gleichzeitig die Möglichkeit, dass Zugangslinks missbraucht und Fremde, wie aus anderen Schulen berichtet, in die digitalen Präsenzen eingeschleust werden – jede Schule für sich betreut ein geschlossenes System.

Ein Vater resümiert: „Insgesamt denke ich, die Schüler der IGS Kandel kommen aus dieser Pandemie vergleichsweise gut raus. Zum einen, weil die Lehrer sich wirklich bemühen, zum anderen, weil auf die richtigen Systeme gesetzt wurde“

Auch in Landau zufrieden

Ebenso gut funktioniert demnach die Unterstützung der Schüler an der Montessori Schule in Landau (Grundschule und IGS). Jeden Morgen loggen sich alle Schüler pünktlich nach Stundenplan zum Unterricht ein. Die Tutoren kontrollieren die Anwesenheit und besprechen die Lernzeiten. Auch hier sorgen feste Unterrichtsstunden in Onlinepräsenz im Wechsel mit selbständig zu erarbeitendem Material für eine ausgewogene Abwechslung im heimischen Lernen.

Von Überlastung des Systems keine Spur: Auch hier setzt man auf MS Teams, das in Landau schon im März-Lockdown zur Verfügung stand und die Schüler schon damals gut durch die Zeit der weitgehenden häuslichen Isolation brachte. Schüler und Lehrer wurden fortlaufend in der Benutzung des Systems geschult, sodass der Übergang im November genauso wenig ein Problem darstellte wie die Betreuung von Kindern, die in der Zwischenzeit von einer häuslichen Quarantäne betroffen waren.

Selbst Gruppenarbeiten sind über die Nutzung systeminterner Videochats oder das Teilen von Dokumenten gut möglich: Die Schüler arbeiten gemeinsam an Arbeitsaufträgen und Präsentationen. Darin sieht Schulleiter Stephan Haas entscheidende Vorteile: „Unsere Schüler bilden selbständig Lerngruppen und arbeiten zusammen. Sie bleiben in Kontakt – auch über den Schulalltag und die Arbeitsaufträge hinaus. Damit schulen wir deren Zusammenarbeit – und durch diese Form der Nutzung erhöhen sich natürlich auch deutlich die Motivation und durch die damit verbundene erhöhte Auseinandersetzung mit einer sehr intuitiven Plattform auch die digitale Kompetenz unserer Schülerinnen und Schüler.“

Auch Haas nennt die Relevanz adäquater Systeme zur Vorbereitung auf ein späteres Studium oder eine Berufsausbildung: „Viele Unternehmen arbeiten damit. Von einer Verwendung von Moodle bei Daimler & Co habe ich allerdings noch nie etwas gehört.“

Beide Beispiele zeigen: Homeschooling ist offenbar doch gut umsetzbar: Ohne die Überlastung von Eltern, ohne den kompletten Verlust sozialer Kontakte, ohne dass Lehrer “ihre“ Kinder aus dem Blick verlieren. Es braucht dazu nur zwei Dinge: Engagierte Lehrer und ein gut funktionierendes System.

Kein Verständnis für Verbot der Landesregierung

„Warum die Rheinland-Pfälzische Landesregierung sich allerdings bei allen lautstarken Beschwerden, die aus Schulen mit anderen Software-Lösungen an sie herangetragen werden, dazu entschieden hat, MS Teams zur Nutzung in Schulen zu verbieten, bleibt rätselhaft“, wundern sich die Eltern. Die Speicherung von Daten aus selbigem Programm auf amerikanischen Servern werde dabei als Begründung angeführt – dabei handele es sich tatsächlich nur um Telemetrie- und MFA-Daten. „Alle anderen (personenbezogenen) Daten werden ausschließlich auf in Deutschland und Europa verorteten Servern gespeichert.“

Kein Problem stellt das Thema Datenschutz für die Montessori- Schulen in Deutschland dar: Deren rheinland-pfälzischer Landesverband hat eine DSGVO-konforme Nutzung von MS Teams mit Microsoft vertraglich abgestimmt. Aber auch insgesamt zeigt sich, dass sich hinsichtlich des sensiblen Themas Datenschutz einiges in einem Umstrukturierungsprozess befindet. In einer Pressemeldung vom 20.11.20 weist beispielsweise der Landesbeauftragte für Datenschutz Baden- Württemberg darauf hin, dass Microsoft seine Verträge DSGVO konform anpasst. Dort, im angrenzenden Baden-Württemberg, läuft aktuell eine Pilotstudie zur Implementierung von MS Teams in Schulen.

Wie dringend notwendig die vielfach geforderte, jedoch häufig mangelhaft realisierte Digitalisierung im Bildungswesen ist, zeigt die Pandemie mehr als deutlich. Insofern bleibt zu hoffen, dass fortschrittliche Schulen weiterhin auf ein stabiles System setzen dürfen. „Bis dahin bleibt als klassisch-schulische Bewertung festzuhalten: Ein ´sehr gut´ für die oben genannten Bildungseinrichtungen – und allen, die es ihnen gleichtun“, so die Eltern.

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