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Hagenbach: „Stürmischer“ Wahlkampfauftritt von Staatssekretär Jens Spahn und Thomas Gebhart: Unwetter unterbricht Veranstaltung

Jens Spahn, "Schirmherr" F.X. Scherrer, Erster Beigeordneter Christian Hutter und Thomas Gebhart zu beginn der Veranstaltung. Fotos: Pfalz-Express/Licht Fotogalerie am Textende. [1]

Jens Spahn, „Schirmherr“ F.X. Scherrer, Erster Beigeordneter Christian Hutter und Thomas Gebhart zu Beginn der Veranstaltung.
Fotos: Pfalz-Express/Licht
Fotogalerie am Textende.

Hagenbach – Diesen Wahlkampfauftritt werden Jens Spahn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, und der südpfälzische Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Gebhart (beide CDU) so schnell nicht vergessen. Mitten in Spahns Rede öffnete der Himmel seine Schleusen, Starkregen und eine in sekundenschnelle aufgetretene Windhose verwandelten die Szenerie in eine gefährliche Situation.

Spahn war auf Einladung von Thomas Gebhart zum Sommerfest der Hagenbacher CDU auf den Kirchplatz gekommen. Dort warteten Bürgermeister Franz Xaver Scherrer, der Erste Beigeordnete Christian Hutter, Mitglieder des CDU-Gemeindeverbands und Bürger auf den prominenten Gast.

Jens Spahn eröffnete das Sommerfest mit einem Vortrag zum Thema „Deutschland 2021. Wohlstand für alle“. Zuvor hatte Gebhart in einer kurzen Ansprache die Blockade von SPD und Grünen, die sogenannten Maghreb-Staaten (Nordafrika) als sichere Herkunftsländer einzustufen, kritisiert.

Gebhart mahnte außerdem die Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zum Baurecht für die zweite Rheinbrücke an: „Es ist mehr Geld für die Infrastruktur vorhanden, als verbaut werden kann.“ Schuld daran seien häufig verzögerte Planungen auf Länderebene.

Auch hinsichtlich eines verkehrssicheren Ausbaus der B9 zwischen Kandel und Lauterbourg („Hagenbach ist ebenfalls vom Durchgangsverkehr geplagt“) und einer Entschärfung des Unfallschwerpunkts Langenberg müsse „dringend etwas geschehen.“

Jens Spahn, Thomas Gebhart, Hagenbach - 2 [2]

Spahn: „Uns geht’s verdammt gut“

Die Südpfalz sei die schönste Gegend nach seiner Heimatregion Münsterland, befand indes Jens Spahn, schaltete aber flugs in den Wahlkampfmodus, indem er die Verdienste seiner Partei und deren Regierungsarbeit lobte.

Vor 15 Jahren hätte sich Deutschland noch in einer „kollektiven Depression“ befunden, mit schlechten Zukunftsaussichten für Unternehmer, Arbeitnehmer und Auszubildende. Heute hingegen gebe es 44 Millionen Erwerbstätige und die höchsten Lohn-und Rentenerhöhungen in der Geschichte der Bundesrepublik – bei 20 Millionen Rentnern und einer Bevölkerung von ungefähr 80 Millionen.

Weil aber immer weniger Kinder geboren werden, brauche man eine „Kultur des freiwillig länger Arbeitens“, sagte Spahn und nannte als Beispiel seinen eigenen Vater, der mit 70 Jahren immer wieder als Fahrer für Ersatzteile unterwegs sei und Spaß dabei habe. Der CDU-Politiker forderte Unternehmen auf, auch Älteren über 55 Jahren eine Chance zu geben: „Das sind unsere Fachkräfte mit Erfahrung.“

Die Lebenserwartung in der BRD steige täglich um 6 Stunden, sagte Spahn, so gut sei das Leben hier. Darüber könne man sich doch mal „ein Weilchen“ freuen – alles in allem sei es eine „Wahnsinns-Entwicklung“, die weiterhin in die richtige Richtung gehe.

„Staatliche Finanzen top“

Auch die staatlichen Finanzen seien heutzutage so gut wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr, hob Spahn die Finanzpolitik der letzten Jahre hervor. „Und wer weiß, wer der letzte Finanzminister mit einer schwarzen Null vor Wolfgang Schäuble war?“, fragte er die Zuhörer. Das wusste niemand und Spahn klärte auf: „Franz-Josef Strauß im Jahr 1969.“

Die Digitalisierung will Spahn lieber im eigenen Land als in Silicon Valley entwickelt sehen. Auch auf die Infrastruktur ging er nochmals kurz ein. Dabei bekamen Naturschutzverbände ihr Fett ab. Viele Projekte verzögerten sich über Jahre durch den Widerstand von Naturschützern, die planungsrechtlich vieles verkomplizierten. „So selten können manche Arten gar nicht sein, wenn man sie so oft findet“, spöttelte Jens Spahn. Naturschutz sei wichtig, aber der Schutz von Menschen und ihren Anliegen ja wohl mindestens genauso.

Die Balance stimme schon lange nicht mehr. Während man nicht in der Lage sei, in Berlin einen Flughafen fertigzustellen, baue man in China 60 pro Jahr. Allerdings wolle man hier keine Arbeitsbedingungen wie im Reich der Mitte, versicherte Spahn.

Migration: „Selbstbewusster formulieren“

Zum Thema Migration meinte Spahn, dass es viele Millionen erfolgreiche Geschichten diesbezüglich gebe, räumte aber ein, dass zahlreiche Beispiele nicht wegzudiskutieren seien, „wo es schiefgegangen ist.“ Diese Fehler dürften sich nicht wiederholen. Er wünsche sich auch eine vielerorts eine „selbstbewusstere Formulierung“, was die hiesigen Werte und die Erwartungen an Migranten angehe.

Spahns Rede wurde unterbrochen, als plötzlicher Regen einsetze. Man rückte spontan unter dem kleinen Zelt zusammen („so flexibel ist die Union“), bis es eine starke Windhose anhob, Flaschen und Gläser umstürzen ließ und Äste und kleinere Gegenstände durch die Luft wirbelten.

Einige Männer hielten das Zelt fest, Besucher und Politiker flüchteten in die St. Michael-Kirche. Schlechte Karten hatte eine Rollstuhlfahrerin. Für sie gab es keinen barrierefreien Zugang – weder zur Kirche noch zum späteren Ausweichtreffpunkt im Alten Rathaus. Letztendlich fand sie, schon komplett durchnässt, Schutz unter einem Vordach auf der gegenüberliegenden Seite.

Da man in der Kirche keine politische Veranstaltung abhalten wollte, wurde das Alte Rathaus als Notfall-Quartier genutzt, um die Veranstaltung abzuschließen.

Jens Spahn, Thomas Gebhart, Hagenbach [3]

Bürger stellen Fragen

Dort konnten die Zuhörer auch Fragen an den Politiker stellen. Nicht einig wurden sich eine Fragestellerin und Spahn in der Frage der Altersarmut. Eine „Katastrophe für viele Rentner, besonders für Frauen“ sei die derzeitige Situation, beklagte die Frau. Viele müssten aufstocken.

Spahn zitierte aus der Statistik. Demnach brauchen lediglich 3 von 100 Rentnern Unterstützung. Bei Alleinerziehenden seien es allerdings 40 Prozent. „Besser geht immer“, sagte Spahn nicht nur bei diesem Thema. Dennoch: Es gebe keine Rentnergeneration, der es so gut ginge wie der jetzigen. „Davon gibt es nicht viele weltweit.“

Weitere Themen waren Ehegattensplitting, Kinderfreibeträge („Die, die Kinder großziehen, halten das System am Laufen. Ich als Kinderloser zahle gerne mehr“), Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Rente, steigende Mieten in Ballungszentren (Spahn: „Bauen darf nicht teurer werden“), betriebliche Altersvorsorge auch in kleineren Unternehmen („wir diskutieren finanzielle Anreize“), oder Wahlfreiheit, ob, wann und wie lange ein Kind in einer Kita unterbracht werden soll.

Spahn warb zudem für die Duale Ausbildung („Die Welt beneidet uns darum“) und Handwerksberufe: „Der Mensch fängt doch nicht erst beim Abitur an. In ein paar Jahr verdienen Fliesenleger mehr als Ärzte und Rechtsanwälte – weil sie dringend gebraucht werden.“

Zum Abschied gab es für Jens Spahn Pfälzer Wein und Bienwald-Honig aus Hagenbach. Der Politiker eilte zu Termin Nummer 7 von insgesamt 8 am diesem Tag. Den Auftritt in Hagenbach mitsamt des gemeinsamen Regenerlebnisses werde er jedoch als ganz besonderes Erlebnis in Erinnerung behalten, versicherte er. (cli)

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