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Großer Andrang bei den Landauer Akademiegesprächen: Kriminologe und Verfassungsschützerin zum Thema „Angst und Politik“

Großer Andrang im Alten Kaufhaus: das Thema interessierte Viele. Fotos: Pfalz-Express/Ahme [1]

Großer Andrang im Alten Kaufhaus: das Thema interessierte Viele.
Fotos: Pfalz-Express/Ahme

Landau. Das Frank-Loeb-Institut an der Universität Landau veranstaltet alljährlich im Wintersemester, zusammen mit der Evangelischen Akademie der Pfalz und seit dem Wintersemester 2012/13 mit der Stadt Landau die „Landauer Akademiegespräche“.

Im Mittelpunkt sollen Fragen stehen, die laut Veranstalter „für die Grundorientierung eines freiheitlichen Gemeinwesens von zentraler Bedeutung sind“. Veranstaltungsort ist das Alte Kaufhaus Landau.

„Politik und Angst“ ist das Thema in diesem Wintersemester. Vier Termine sind dafür vorgesehen. Das erste Gespräch bezog sich auf „Angst als politischer Erfolgsfaktor“, „Angst und innere Sicherheit“ wurden aktuell beleuchtet. Die weiteren Abende lauten „Angst vor dem sozialen Abstieg“ und „Angst vor der Religion“.

Die Veranstalter hatten wohl offensichtlich nicht mit diesem großen Andrang gerechnet. Gedanken um ihre Sicherheit treibt die Menschen um und sie erhofften sich Antworten auf ihre Fragen von den beiden Referenten Beate Bube, Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. und Prof. Dr. Christian Pfeiffer , Minister a.D., ehemaliger Präsident des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen.

Kriminologe Christian Pfeiffer... [2]

Kriminologe Christian Pfeiffer…

Mit ihnen hatte man zwei profunde Kenner der Materie eingeladen. Leicht hätte man den großen Saal oben füllen können, zumal draußen noch etwa 200 Personen Einlass begehrten. Angemeldet hatten sich nur 50 Personen.

Der Veranstalter weist deshalb darauf hin, sich zwecks besserer Planung unbedingt zu jedem Termin anzumelden. OB Hirsch ließ jedenfalls kurzerhand das Foyer öffnen, so dass alle zumindest akustisch das Gespräch verfolgen konnten.

...und Verfassungsschützerin Beate Bube... [3]

…und Verfassungsschützerin Beate Bube…

Timo Werner (Frank Loebsches Institut) umriss in seiner Begrüßung die Problematik: Kaum ein Thema habe in der politischen Debatte der letzten Jahre solch einen Raum eingenommen wie die Frage nach der inneren Sicherheit. Gleichwohl sei das Thema „kein Phänomen der Moderne“.

Durch Anschläge und die Berichterstattung über Gewaltverbrechen und sexuelle Übergriffe entstehe in der Öffentlichkeit ein Gefühl der Unsicherheit. Inwieweit dieses Gefühl durch Fakten untermauert werde oder ob das Ganze bloße Panikmache sei, sollte dieser Abend klären.

Beate Bube und Christian Pfeiffer gaben zunächst einen Überblick über ihre Arbeit. Im zweiten Teil konnten die Zuhörer Fragen stellen.

„Ein solch massives Interesse habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, so Bube und erläuterte zunächst die Aufgaben des Verfassungsschutzes.

Politisch Gruppierungen versuchten, eine andere Gesellschaftsordnung durchzusetzen. Der Verfassungsschutz sammle Informationen, um Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekämpfen. „Es geht dem Verfassungsschutz nicht um Kriminalitätsabwehr“, so Bube.

Nicht erst seit 2015 stehe Deutschland im Focus terroristischer Taten, die Lage habe sich jedoch „deutlich verschärft“. 1.900 Personen werden aktuell vom Verfassungsschutz beobachtet: „Es gibt eine hohe abstrakte Gefährdungslage“.

...waren die Referenten am zweiten Abend der Reihe "Politik und Angst". Foto: Pfalz-Express/Ahme [4]

…waren die Referenten am zweiten Abend der Reihe „Politik und Angst“.

11.000 Personen bundesweit, davon 200 in Rheinland-Pfalz, sind dem Salafismus als „Nährboden“ des Terrorismus zuzurechnen. Zahlen zu Rechtsextremismus: 12.000 Personen in Deutschland (150 in RLP) und Linksextremismus: 8.500 Personen in Deutschland, davon zirka 100 in RLP).

„Angst führt zur unrealistischen Wahrnehmung der Realität“

Terrorismus könne Jeden treffen. Angst sei aber kein guter Ratgeber. „Denn genau das wollen die Terroristen, sie wollen verunsichern und destabilisieren“, so Bube. Angst führe zur „unrealistischen Wahrnehmung der Realität“. Bube plädiert vielmehr für eine „vernünftige Erhöhung der Wachsamkeit“.

Einem gefühlten Anstieg der Kriminalität trat Christian Pfeiffer mit seinen Zahlen, die er in einer Langzeitstudie mit zwei weiteren Kriminologen zusammen erstellt hat, entgegen. „Auf Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik ist damit ein historisch einzigartiger Rückgang der Jugendkriminalität zu konstatieren.“

Außerdem meint er: „Je mehr Leute fernsehen, umso mehr entfernen sie sich von der Realität“.

Pfeiffer bricht eine Lanze für die Jugend: Sie sei umwelt-und politikbewusst. Je jünger die Personen, um so mehr gehe die Gewalt zurück. „Mehr Liebe als Hiebe“, ein radikaler Wandel in der Erziehung also, sei der Grund dafür.

„Wir haben eine tolle Jugend, und keiner schreibt darüber. Was sind wir für ein Land, in dem wir uns nur auf die Flüchtlinge als großen Angstmacher fixieren?“ Das sei eine einseitige Verzerrung, den Leuten werde Angst gemacht, so Pfeiffer.

Er unterscheidet zwischen Kriegsflüchtlingen und Personen aus dem nordafrikanischen Raum – Personen, die kein Bleiberecht haben.
„Die einen haben Chancen, die anderen haben keine. Das ist ein Potential für Probleme. Mich interessiert, wie die Regierung damit umgeht“. Freiwillige Rückführung könnte dem Staat enorm viel Geld sparen. „Mit denen, die in Deutschland bleiben, muss man integrativ umgehen“.

In Niedersachsen seien unbegleitete Flüchtlinge unterproportional mit Straftaten zugange und die beiden Fälle in Kandel [5] und Freiburg [6] seien Ausnahmen.

Pfeiffer führt das auf die guten Angebote für die Jugendlichen zurück. „Das ist aber mit 4.000 Euro pro Monat auch teuer. Ich wäre deshalb für eine Altersbestimmung und dafür, dass Handydaten der Flüchtlinge genutzt werden“. Wer volljährig ist und straffällig werde, könne abgeschoben werden. Junge Männer zwischen 14 und 30 seien im Übrigen „überall in der Welt ein Problem.“

Menschen haben Angst vor Überfremdung, Angst vor anderen Religionen, Angst um ihre Sicherheit und Angst vor dem drohenden sozialen Abstieg.

„Wie könnte man die destruktiven Mechanismen der Angst schwächen?“, fragt Moderator Dr. Christoph Picker, Direktor der ev. Akademie der Pfalz, und wendet sich an beide Referenten.

Pfeiffer: „Die Polizei macht einen guten Job, es muss aber auch die Staatsanwaltschaft gestärkt werden. Außerdem müssen wir unsere zivilgesellschaftlichen Stärken weiter ausbauen.“

Die gleiche Frage ging an Bube: „Man muss sich sachlich informieren. Außerdem gibt es 100 Prozent Sicherheit und Kriminalitätsfreiheit nicht, schon gar nicht in einer freien Gesellschaft.“

In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden Ängste, Befürchtungen thematisiert wie Überforderung der Schulen in der Integration, etc. Auch ein Erfahrungsbericht einer mit einem Iraker verheirateten Mutter war zu hören.

Trotz hoher Brisanz des Themas versuchten die Diskussionsteilnehmer ruhig zu argumentieren und die Meinung der Anderen zu respektieren. (desa)

Es gibt noch zwei weitere Termine in dieser Reihe. Quelle: Landauer Akademiegespräche [7]

Es gibt noch zwei weitere Termine in dieser Reihe.
Quelle: Landauer Akademiegespräche

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