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Grandiose Prunksitzung der Kandeler BiKaGe: Engel und Teufel von der Leine gelassen

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Teuflisch: Die Elferräte der BiKaGe.
Fotos: pfalz-express.de/Licht
Bildergalerie und Video am Textende.

Kandel – Wieder einmal hat die Bienwald-Karnevals-Gesellschaft „BiKaGe“ gezeigt, dass sie in Sachen Fastnacht in der Ersten Liga spielt.

Obschon die fünfte Prunksitzung: Die Bienwaldhalle war bis auf den letzten Platz besetzt, die Stimmung bei den Protagonisten ausgelassen, was sich prompt auf´s Publikum übertrug.

„BiKa Helau, des werd´famos, im Himmel isch de Deifel los“ lautet das Motto der Kampagne. „De Deifel“ los war auch bei den Besuchern, die sich mehrheitlich für ein gehörntes schwarz-rotes Outfit entschieden hatten und die weißen Engel mit Heiligenscheinen und Flügeln zahlenmäßig dominierten.

Zur Eröffnung stellte das „bikanische“ Prinzen-Paar Timo und Patrick klar, was sich so manche Uneingeweihten hinter vorgehaltener Hand schon öfter gefragt hatten: „Prinzessinnen brauche mer net, drum steh´ mer zamme hier – hoffendlich isch des jetzt klar : Wir sin Brieder un kää Liebespaar.“ (Für Nicht-Pfälzer: Bei Übersetzungswünschen bitte an die Redaktion wenden).

Die „political correctness“ sei ohnehin im Eimer mit dem männlichen Prinzenpaar – man habe die Frauenquote zu 100 Prozent zunichte gemacht.

Professionell, durchdacht, ideenreich und mit viel Liebe zu Detail kam der Narren-Abend daher. Sitzungspräsident Karlheinz Schöttinger führte locker und eloquent durch das Programm, die Tanzgarden – Krautwickel, Mini-Garde, Große Garde und Bika-Girls – wirbelten in prachtvollen Kostümen und beeindruckend morbider Maske über die Bühne.

Klaus Zahneisen als A65-erfahrener Türsteher war zum Himmelspfortenwächter als pfälzer Petrus aufgestiegen und plauderte: „Die Änne dürfe rei, die Anner schick ich fort.“ Einer, der sich ganze 15 Jahre die Füße vor dem himmlische Tor wund gelaufen habe, sei Johannes Heesters gewesen, verriet der mit Lockenpracht und Vollbart kämpfende Torwächter.

In der Bütt nahm Narren-Till Tobias Knittel kein Blatt vor den Mund und holte seinen Spiegel heraus: Ukraine, Russland und die Nato, Dobridts PKW-Maut, der „rote Ramelow“, „Flinten-Uschi“ Ursula von der Leyen – nichts und niemand war vor der spitzen Zunge des Eulenspiegels sicher.

Keine Gnade auch für Pegida, die selbst ernannten Retter des Abendlands: „Ein Satz, der Freiheit impliziert, wird durch Pegida diffamiert. Sie wollen Extremisten seh´n – dann sollen sie vor den Spiegel steh´n“, ätzte der Till. Lokalpolitisch bekam Pfarrer Koschat sein Fett weg wegen der Schließung des Kindergartens am Plätzel: „Wär nicht auf der Insel er gehockt, dann sei die Kita nicht verzockt“, meinte der Tugendwächter mit beißendem Spott.

Über Falten und Sex im Alter sinnierte die „Ald Schachtel“ Anja Stollewerk. Zwar habe ihr Präsident Schöttinger davon abgeraten – es sei „nicht der Rede wert“ -, aber die von Osteoporose geplagte Dame gab dennoch pikante Details zum besten.

Schwester Gerlinde Melanie Fath und Putzfrau Martina Kellner traktierten mit ihren Besen den Hallenboden und mit Worten die Psyche der anwesenden Bürgermeister Tielebörger und Poß, lästerten über den städtischen Haushalt und probierten ungeniert „Schädelsprenger“ von den Gästen („von der Sonne verschont“). Mit dem rheinland-pfälzischen SPD-Chef Alexander Schweitzer und Bundestagsabgeordnetem Thomas Hitschler (SPD) gingen die beiden energischen Klatschmäuler ein wenig sanfter um.

Musikalisch stimmgewaltig nahm das Krautkopfteam regionale und überregionale Themen auf. Strafrecht und Zinsen, Maut und Tempo 30 in der Rheinstraße, Bernie Ecclestone und die Formel 1 wurden musikalisch aufs Korn genommen. Auch die Bundeswehr, „wo sogar die Gulaschkanone leckt“, „Jogis Buben“ mit dem Gaucho-Tanz und Eurovision-Gewinner Conchita Wurst – „man weiß nicht recht, was ist da echt?“ – besangen die Krautköpf´.

Nicht fehlen im Repertoire durfte natürlich die Rheinbrücke: „Will man nach Karlsruh in der Früh, hat man so seine liebe Müh“. Als dann noch die Elferräte als „Elf Angels“ in Rockerkluft lasziv die Hüften schwingen ließen, tobte der Saal.

Ein Seminar „Sterben für Anfänger und Fortgeschrittene“ bot Benjamin Burkhardt als ein in die Pfalz strafversetzter niederländischer Sensemann an. Er habe schon immer von klein auf was „Menschen machen wollen“, verkündete er mit charmantem, perfekt tulpenländischem Akzent: „Wenn ich einmal groß bin, dann möchte ich Tod sein.“ Auch eine Happy Hour und Rabattwochen habe er im Angebot. Die älteren Semester im Publikum nahmen´s mit Humor – oder hatten vielleicht nicht immer ganz verstanden, was der „Holländer“ da auf der Bühne nuschelte.

Wie man als Fahrschüler und Jung-Autofahrer Prüfer und Polizei mit sturer Ego-Perspektive auf die Palme bringt, verkündete vollmundig-naiv Philipp Ohmer, der erstmals als BiKaGe-Nachwuchs in der Bütt stand. Und die seit Jahren palavernden „Zwei Deppen am Gartenzaun“, einer davon mit „Bauarbeiterdekolleté“, empfahlen: „Wenn Ihr mal deprimiert seid, denkt daran, es gibt Leute, denen geht es noch viel schlechter als Euch: Die leben in Karlsruhe!“

Das große Finale bestritten die Showbuwe. Ronnie Kuntz alias Goethes Dr. Faustus kämpfte mit körperlichen und geistigen Bedürfnissen, irdischen und himmlischen Ambitionen, wurde aber dann doch recht frivol. Und wie sollte es bei den Showbuwe auch anders sein: Am Ende standen (fast) nackte Tatsachen, haarige Männerbeine in kurzen Rücken, freie Oberkörper und auch das ein oder andere Wohlstandsbäuchlein, das erfreulich unbekümmert in den Saal gereckt wurde. Das Publikum quittierte mit donnerndem Applaus und Zugabe-Rufen.

Fazit: Das Stimmungsbarometer in der Bienwaldhalle ganz oben, die Veranstaltung rundum gelungen und auf hohem Niveau in allen Bereichen. Ohne Pannen passte alles gut zusammen. Dass der Spaß auch in den kommenden Jahren Anliegen Nummer 1 bleibt, daran ließen Karlheinz Schöttinger und seine Mannen keine Zweifel. BiKaGe ist eben Kult  und „cool“ – bei allen Generationen. (cli)

 

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