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Gourmetbibeln im Focus: Pfälzer Spitzengastronomie im Jahr des Wechsels

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Fotocollage: Pfalz-Express.de

Der Essinger Restaurantkritiker und Fachjournalist Manfred Novak hat sich auch in diesem Jahr mit den großen Gourmetbibeln beschäftigt und berichtet im Pfalz-Express exklusiv darüber.

Einiges an Bewegung sehen die mit der Jahreszahl 2015 erschienenen Gastroführer in der pfälzischen Spitzengastronomie – vor allem hinter den beiden Großen „Krone“ und „Schwarzer Hahn“.

Das Restaurant der „Krone“ im Herxheimer Ortsteil Hayna liegt knapp vor dem schwarzen Hahn in Deidesheim. Die beiden haben einen erkennbaren Vorsprung auf die folgende Gruppe, die angeführt wird vom Vorjahresdritten, dem ebenfalls in Deidesheim ansässigen Restaurant Freundstück im Ketschauer Hof.

Auf Rang 4 kann das Restaurant Urgestein im Steinhäuser Hof in Neustadt einen steilen Aufstieg vermelden, den unter anderem der (wohlverdiente) Michelin-Stern für den jungen Chef Benjamin Peifer dokumentiert. Es folgen die alte Pfarrey in Neuleiningen und die Pfälzer Stube als Zweitrestaurant der Krone in Herxheim sowie das Restaurant im Kloster Hornbach – es sei denn, man wollte hier den Knittelsheimer Isenhof placieren, der allerdings nicht mehr von allen sechs hier zu Grunde liegenden Führern benotet wird.

Wir gruppieren im Folgenden die Restaurants mit Blick auf deren durchschnittliche Benotung, denn eine Gesamtschau der Führer hat natürlich auch den Sinn, neue vielversprechende Adressen bekannt zu machen. Und da ist zunächst die Pirmasenser „Brasserie“ zu nennen. Hierher hat Vjekoslaw Pavic seinen Arbeitsplatz verlegt, der letztes Jahr den Stern für das Bad Bergzaberner Schloß verteidigte, dessen Restaurant „Walram“ nach dem Wechsel des gastronomischen Konzepts nun nicht mehr in dieser Liga spielt.

Pavic und seine Brasserie sind der höchste Neueinsteiger des Jahres. Mit gewissem Abstand, aber intern dicht gedrängt, folgen ab Platz 10:

Kandel: zum Riesen
Wartenberg: Mahlwerk
Ilbesheim: Hubertus
Ludwigshafen; atable
Hainfeld: Arens
Oberotterbach: Schlössel
Reipoltskirchen: Wasserburg
Maßweiler: Harry Borst
Zweibrücken: ess libris (Fasanerie)
Deidesheim: St. Urban
Frankweiler Weinstube Brand
Deidesheim: Kanne
Zeiskamer Mühle
Dernbach: Schneider
Wörth: Einigkeit
Edesheimer Schloß
Weinkontor Landau
Neupotz: Lamm
Neustadt: Nett
Hessheim: Ellenberg
Dirmstein: Roosmarin
Pleisweiler: Reuters Holzappel
Großkarlbach: Gebr. Meurer
Speyer: Backmulde
Neustadt: Grünwedel
Deidesheim: Leopold von Winning

Fett gedruckt sind Adressen, die neu bzw. umgezogen sind oder höhere Noten bzw. erhöhte publizistische Aufmerksamkeit bekamen. Wir haben die Liste beschränkt auf Lokale, die von mindestens zwei Führern unter den besten in Deutschland oder im Schnitt ähnlich hoch gehandelt werden.

Die besten sind etwa 500 bis maximal 917 im Falle des ARAL-Schlemmeratlas. Dieser optisch ansprechende Guide ist ein reiner Restaurantführer – die Hotelleriempfehlungen sind einem extra Schlummeratlas überlassen – der mit gut 3000 Restaurants in Deutschland und etwa 1000 im angrenzenden Ausland über eine ausgesprochen breite Basis verfügt.

Der Gault Millau bietet den meisten Text, was nicht nur informativ ist, sondern auch Gelegenheit bietet für teils bissige Kommentare. Seine bis zu 20 Punkte entsprechen dem französischen Notensystem. Die neu geschaffenen Kategorie für „einfach gute“ Lokale entspricht ziemlich genau 13 Punkten. Diese Einschätzung legen jedenfalls die Urteile der anderen Führer für die gleichen Lokale nahe.

Bei allen Unterschieden ist den Guides nämlich gemeinsam, dass alle im Prinzip mit einer fünfstufigen Notenskala – gegebenenfalls mit Zwischenstufen – arbeiten.

Nur der traditionell gut recherchierte VARTA-Führer macht hier die (andererseits wieder systemkonforme) Ausnahme, daß er die ersten drei Notenstufen in einer einzigen zusammenfaßt: dem VARTA-Sterntipp für insgesamt knapp 100 Restaurants in ganz Deutschland.

Da ist dann der VARTA-Tipp ohne Stern eine Ehre für nicht einmal 400 weitere Adressen. Der VARTA ist zugleich auch Hotelführer, was ihn verbindet mit dem …
Guide Michelin, dessen breite Urteilsbasis und fachliches Ansehen ihn zur „roten Bibel“ werden ließen.

Der Klassiker dekoriert unterhalb seiner Sternelokale eine gute und günstige Küche mit dem Reifenmännchen Bib. Diese von den Lesern teils besonders geschätzten Lokale finden sich in der Regel auf dem Lande; relativ häufig nicht zuletzt in der Pfalz. Aber auch unabhängig vom Preisniveau veranschlagt die Firma mit der Deutschland-Zentrale in Landau den Anteil des Südwestens an der bundesweiten Spitzengastronomie relativ hoch.

Auch bei dem vom Gastromagazin „Feinschmecker“ herausgegebenen Führer kommt die Pfalz gut weg. Das ist umso bemerkenswerter, als das handliche Büchlein sich relativ stärker auf Großstädte konzentriert. Während die anderen, umfangreicheren Bücher um die 30 Euro kosten, ist der Feinschmecker-Guide für rund 17 Euro zu haben. Hier finden sich 800 Restaurants kurz und bündig bewertet, nach Orten sortiert.

Diesem Ordnungsmuster hat sich nun als Letzter auch „der große Guide“ aus dem Hause Bertelsmann angeschlossen, der von einer redaktionellen Zusammenarbeit mit der Zeitschrift „essen und trinken“ profitiert. Das Anforderungsprofil für seine Noten ist in den letzten Jahren langsam, aber kontinuierlich schärfer geworden. Er verzeichnet des öfteren auch Häuser, die man in der Szene noch nicht so gut kennt. Im deutschsprachigen Ausland ist er ebenfalls stark.

Und welcher ist der ultimative Führer, der sozusagen immer Recht hat ? Es gibt keinen solchen – jedenfalls nicht als einzelnen. Um so deutlicher ist aber, daß die Gourmetbibeln in ihrer Gesamtheit einigermaßen ähnlich urteilen. Gravierende Unterschiede wie im Fall des Berliner Restaurants mit der spanischen Nummer 5 „cinco“ sind selten.

Drei Führer loben es in teils hohen Tönen, und einer spricht ein ebenso wenig schmeichelhaftes Urteil wie im Vorjahr. (Manfred Novak)

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