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Germersheim: Wie weit reicht Erdogans Arm? Heiße Debatte über Moscheebau und Ditib – und ein „Knaller“ zum Schluss

Diskussionsrunde im "PAN" in Germersheim. Fotos: Pfalz-Express/Licht [1]

Diskussionsrunde im „PAN“ in Germersheim.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Germersheim – Soll die Moschee in Germersheim gebaut werden? Warum wurde ein gerichtlicher Eilantrag zum vorläufigen Baustopp von der Stadt eingereicht? Ist der türkische Moscheenverband Ditib nur eine Religionsgemeinschaft oder doch von der Politik aus Ankara gesteuert?

Das waren die Fragen, die in der SWR4-Radiosendung „Klartext“ zum Thema „Kirchturm und Minarett – Islam in Rheinland-Pfalz“ diskutiert wurden. Der regionale Aspekt der Germersheimer Maresal Fevzi Çakmak-Moschee [2] kam allerdings nach Ansicht der Einheimischen zu kurz.

Regional- und Landespolitiker dabei

Die SWR-Moderatoren Thomas Meyer und Birgit Baltes hatten in die Vinothek „PAN“ eingeladen. An der Diskussionsrunde beteiligten sich als regionale Vertreter Landrat Dr. Fritz Brechtel, Bürgermeister Marcus Schaile (beide CDU) und Hayrettin Günes (Vorsitzender des Türkisch Islamischen Kulturvereins Ditib Germersheim).

Von der landespolitischen Bühne waren Barbara Schleicher Rothmund (SPD, Landtagsabgeordnete für den Kreis Germersheim und Vizepräsidentin des Landtags), Christian Baldauf (Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag), Anne Spiegel (Grüne, Familien und Integrationsministerin RLP), Uwe Junge (AfD-Landesvorsitzender und Fraktionschef im Landtag), Murat Kayman (Jurist und Koordinator des türkischen Moscheenverbands Ditib) und Pfarrer Dr. Georg Wenz (Islambeauftragter der evangelischen Kirche der Pfalz) vor Ort.

Statements zu Beginn

Die Eingangsstatements der Teilnehmer waren wenig überraschend. AfD-Mann Junge bekräftigte seine kritische Haltung: Man wolle keine Prachtbauten mit islamischem Machtanspruch. Da rund 25 Prozent der Germersheimer die AfD gewählt hätten, sähen es wohl viele Bürger genauso: „Wir werden immer Widerstand leisten.“

Der nicht unumstrittene Murat Kayman [3] sagte, man unterstütze die Muslime in den Städten und Gemeinden „sinnvoll“ bei ihren Vorhaben.

Der Islambeauftragte der Kirche plädierte für frühestmögliche Transparenz bei derartigen Projekten, denn in der Konsequenz verliefen diese dann besser.

Für Christian Baldauf ist der Islam „nicht grundsätzlich ein Problem“, man müsse sich aber die Details genau anschauen. Die Germersheimer Moschee werde von einer Organisation geplant, die stark politisch und abhängig vom türkischen Präsidenten Erdogan sei. In dieser Konstellation sieht Baldauf „erhebliches Problempotenzial“.

Barbara Schleicher-Rothmund wollte den Bau „nicht bewerten“. Das Grundgesetz und das Baurecht sicherten sowohl die freie Religionsausübung als auch das Bauprojekt ab. Es sei alles abgesegnet gewesen, bis die Stadtspitze auf die Bremse getreten sei. Dass für Ditib dieser Sinneswandel nicht nachvollziehbar sei, wäre verständlich.

Anne Spiegel (Speyer) sagte, man sei immer gut beraten, frühzeitig den Kontakt mit Bürgern zu suchen und in Dialog zu treten, hob aber hervor, dass die hiesige islamische Gemeinde seit über 30 Jahren vertrauensvoll mit der Stadt zusammenarbeite.

Antrag bei Gericht wegen möglicher Korrekturen?

Bürgermeister Schaile und Landrat Brechtel erläuterten auf Nachfrage das Verfahren, das zur Genehmigung des Baus geführt hatte. Man habe sich an alle Vorschriften gehalten, das Baurecht sei für alle gleich, man lebe schließlich in einem Rechtsstaat (Brechtel).

Der Eilantrag [4], der eine „aufschiebende“ Wirkung habe, sei eigentlich nicht wirklich einer, merkte Schaile an, sondern sei im Rahmen der gesetzlichen Widerspruchsfrist erfolgt.

Zu diesem Schritt habe man sich entschlossen, nachdem bei nochmaliger Durchsicht der Pläne „einiges nicht so war, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Im besonderen gehe es um die Parkplätze und ein vermehrtes Verkehrsaufkommen in der Wohngegend um die Moschee.

V.li.: Marcus Schaile, Dr. Fritz Brechtel, Hayrettin Günes. [5]

V.li.: Marcus Schaile, Dr. Fritz Brechtel, Hayrettin Günes.

Ob die Aufschiebung des Bauvorhabens etwas mit Ditib zu tun habe? Nein, sagte Schaile, man habe lediglich nach Baugesetz zu handeln. Das Verwaltungsgericht solle nochmals prüfen, ob alles in Ordnung sei: „Am Ende baut Herr Günes schon und dann heißt es womöglich: es geht nicht.“

Stimmt nicht ganz, meinte dagegen Uwe Junge: „Sie sind ehrenwerte Männer, ich glaube die Baurechtsgründe, aber Sie haben Widerstand in der Bevölkerung gespürt.“

Enttäuschung bei der türkischen Gemeinde

Warum nicht die Bevölkerung früher mit ins Boot genommen worden sei, fragte Moderatorin Baltes. Dazu Fritz Brechtel: „Auch wenn die Bevölkerung sagt, wir wollen das nicht, ist trotzdem das Baurecht laut Gesetz herzustellen.“

Enttäuscht sei man, sehr enttäuscht, äußerte sich Hayrettin Günes: „Wir hatten uns darauf eingestellt, die Moschee zu bauen.“ In der bereits bestehenden Moschee fehlten Sozialräume für Veranstaltungen an den großen Feiertagen wie das Fastenbrechen zum Ende des Ramadan oder das Opferfest. „Dafür mussten wir immer Zelte aufbauen“, so Günes.

Kayman: „Ditb-Gemeinden finanzieren sich jeweils selbst“

Murat Kayman. [6]

Murat Kayman.

Murat Kayman sprang Günes zur Seite. Die Vereine in Deutschland, so auch die Ditib Germersheim, finanzierten ihre Bauten in Eigenarbeit, eine Finanzierung aus dem Ausland komme in der Regel nicht vor.

Andere Moscheen in Deutschland könnten aber für den Bau in einer anderen Gemeinde spenden.

Dass die türkische Religionsbehörde Diyanet aufgrund der jahrhundertelangen historischen Entwicklung behördlich organisiert sei und die Imame bezahle – dafür könne man nichts, so Kayman.

Jedenfalls wolle die zweite Generation Feste nicht mehr in Turnhallen feiern, sondern in Räumen, die „eine gewisse Würde haben.“ Das sei keine „Bauoffensive“, sondern eine normale Entwicklung.

„Legitimes Ziel“ versus „Sendungsbewusstsein“

An dieser Stelle gab es Zustimmung von Ministerin Spiegel – „das ist ein legitimer Grund“ – und Widerspruch von Uwe Junge, der bei Erdogan ein „klares Sendungsbewusstsein“ sieht.

Dieser habe das mit seinem Ausspruch „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten“ sogar deutlich zum Ausdruck gebracht (der Satz stammt ursprünglich aus dem religiösen Gedicht „Asker duası“, zitiert von Erdogan im Jahr 1998).

Schleicher-Rothmund warf Junge auf seine Ausführungen hin „ein Problem mit der Verfassungstreue“ vor. Er wolle den Menschen die Religionsfreiheit absprechen, was dieser als „lächerlich“ zurückwies.

Weltanschauliche Debatte

Die Diskussion driftete in weiten Teilen in eine allgemeine weltanschauliche Debatte ab. Ist der Islam eine reine Religion oder eine politische Ideologie, ja sogar Macht? Sind die Ditib-Gemeinden solide Religionsgemeinschaften oder ist der Einfluss des türkischen Staats zu stark? Wie weit reicht dieser in deutsche Klassenzimmer? Zu letzterem verwies Schleicher-Rothmund darauf, dass in Rheinland-Pfalz ausschließlich hierzulande ausgebildete Imame unterrichten dürften.

Häufig kam es zu einem Schlagabtausch zwischen Uwe Junge und Murat Kayman. Aus dem Publikum wurde gar eine Frage zur Armenienresolution gestellt.

Zu wenig Redezeit?

Nach 50 Minuten beschwerte sich Christian Baldauf, man habe ihm – „aus der kleinen Partei CDU“-  bislang keine Redezeit mehr eingeräumt – was zutraf.

Landrat Brechtel meldetet sich ebenfalls mehrmals zu Wort, bekam jedoch keine Gelegenheit mehr eingeräumt, sein Anliegen vorzubringen. Was er zu sagen hatte, war durchaus ein „Knaller“, wie Moderator Meyer später verblüfft kommentierte – ganz am Ende der Diskussion, als sich Brechtel energisch selbst Redezeit verschafft hatte.

Gutachten soll politischen Einfluss klären

Baldauf und Junge kritisierten die Geheimhaltung eines Gutachtens, das die Landesregierung in Auftrag gegeben hat. Darin soll geklärt werden, wir groß der politische Einfluss Ankaras auf die Ditib wirklich ist.

Die Gespräche mit dem Ditib-Landesverband indes seien nicht abgebrochen, betonte Barbara Schleicher-Rothmund, sondern ruhten lediglich, bis das Gutachten abgeschlossen sei.

Anne Spiegel sagte, das könne möglicherweise bis Mitte 2017 soweit sein. Im Übrigen gehöre für sie der Islam zu Deutschland, Ditib sei ein wichtiger Ansprechpartner, der Gesprächsfaden werde nicht abreißen. „Und die Menschen sollen ihre Religion hier ausüben dürfen.“

V.li.: Anne Spiegel, Barbara Schleicher-Rothmund, Christian Baldauf, Uwe Junge. [7]

V.li.: Anne Spiegel, Barbara Schleicher-Rothmund, Christian Baldauf, Uwe Junge.

„Sprechen Sie mit den Menschen“

Derweil warnte Murat Kayman davor, das, was in den Nachrichten zu hören sei, auf die Menschen hierzulande als Schablone anzulegen: „Das sind Extremisten, die haben nichts mit ihren Nachbarn gemein.“ Er warb für mehr Austausch und direkte Kontakte zu den muslimischen Mitbürgern: „Gehen Sie zu den Menschen, sprechen Sie mit ihnen.“ Das sei das beste Mittel, um Vorurteile und Ängste abzubauen.

Reichen die Parkplätze?

Von Anwohnern aus dem Publikum wurden Bedenken laut: Wenn neben der bestehenden Moschee eine noch größere gebaut werde, verschärften sich die Parkplatzprobleme in der Hans-Sachs-Straße und den Nebenstraßen noch zusätzlich.

Für die Moschee sind insgesamt 58 Parkplätze eingeplant. Diese reichten nie und nimmer aus, wenn mehrere hundert Personen Veranstaltungen auf dem Moschee-Gelände besuchen wollte, so die Anwohner.

Hayrettin Günes sagte dazu, man habe die Nachbarschaft immer zuvor informiert, Zettel in die Briefkästen geworfen und die Nachbarn auch eingeladen. Er könne versprechen, dass „nicht mehr Leute dort parken als vorher.“

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Eine Frau aus dem Publikum brach eine Lanze für den Moscheebau. Beileibe nicht alle Germersheimer seien dagegen, im Gegenteil. Ein schönes Gebäude sei eine Bereicherung für die Stadt.

Der Name der Moschee – Maresal Fevzi Çakmak – erregte ebenfalls bei einigen Zuhörern aus dem Publikum Anstoß. Fevzi Çakmak war ein Feldmarschall und Generalstabschef der türkischen Armee (gestorben 1950). Çakmak sei ein Freiheitskämpfer gewesen, entgegnete Kayman.

Dass zahlreiche Moscheen in Deutschland den Namen des Eroberers des christlichen Konstantinopels, Mehmed Fatih, trügen, sei wohl eher der Fantasielosigkeit seiner Landsleute zuzuschreiben. Und letztendlich gebe es auch in Deutschland Kirchen, die nach militärischen Führern benannt seien, „wie die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.“

Grundstück gehört Ditib Köln

Zum Schluss verschaffte sich Fritz Brechtel deutlich Gehör: Warum das Grundstück in Germersheim der Ditib Köln gehöre, wollte er von Murat Kayman wissen (Erstaunen bei den Zuhörern). Bislang sei man immer davon ausgegangen, dass die Ditib Germersheim in Eigenfinanzierung und -arbeit für alles aufgekommen und Eigentümer sei.

Dass dem so ist, hatte der Kreischef erst am Vormittag erfahren. Nach Baurecht gehört das darauf errichtete Gebäude ebenfalls dem Eigentümer des Grundstücks.

Für eine ausführliche Antwort reichte die Zeit dann allerdings nicht mehr, weil es sich um eine Live-Übertragung handelte und die Sendezeit zu Ende war. Man sei eben eine Solidargemeinschaft, so Kayman. (cli)

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