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Friday for Future in Wörth: Stadtrat Wörth diskutiert mit Schülern Klimaschutzmaßnahmen

Bürgermeister Dr. Dennis Nitsche (2.v.r.) freut sich über die Aktivitäten der Schüler.
Alle Fotos (auch Galerie): Heidi Steinbrecher

Wörth. Fridays for Future sind seit Greta Thunberg jedem ein Begriff. Am 18. Oktober wurde nun in Wörth nicht demonstriert, sondern auf Einladung der Stadt Wörth diskutiert.

Hierzu hatte Bürgermeister Dr.Dennis Nitsche Schüler der IGS Wörth, der BBS und des EGW (Europagymnasium) eingeladen, um im Ratssaal Rede und Antwort zu stehen und Vorschläge der Jugendlichen anzuhören und aufzunehmen.

Circa 60 Schüler waren in Begleitung ihrer Lehrer und zum Teil Schulleiter erschienen. Dennis Nitsche begrüßte die Anwesenden und stellte die die Veranstaltung begleitenden Personen aus seinem Kreis vor: Jana Cappel von der Stadtverwaltung, zuständig für integrierte Standortentwicklung, Jeanette Burkhardt, ebenfalls von der Stadtverwaltung und zuständig für Demokratie leben!, Thomas Krämer, zweiter Beigeordneter verantwortlich für Klimapolitik sowie Stabsstellenleiter Andreas Scherzer, der sich mit dem Themenbereich Nachhaltigkeit befasst.

Gemeinsam stark

Dennis Nitsche betonte, wie wichtig es ihm sei, Jugendliche zu aktivieren und mit einzubeziehen, denn nur in der Gemeinschaft sei man stark in der Umsetzung angestrebter Ziele. Die Stadt Wörth würde deshalb auch gerne ein Jugendparlament gründen, um möglichst viele junge Leute ins Boot zu holen, für die die Folgen des Klimawandels ein weitaus ernsteres Problem darstellen als für die Generation 60+.

Ein Planet am Abgrund

Um den Ernst der Lage noch einmal eindrücklich klarzumachen, zeigte Frau Cappel ein Einführungsvideo von Zeit online (Zeit online: Was, wenn wir nichts tun?), in dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf den Zustand des Planeten bei einem Temperaturanstieg von + 4 Grad Celsius erläutert, der dann ein völlig anderer sein wird (totale Wetterextreme, Anstieg des Meeresspiegels um ca 7 m und Gefährdung der Küstenregionen, Auftauen der Permafrostböden mit Freisetzung von Methangas, um ein Vielfaches schädlicher als CO2, Ernteausfälle, neue Krankheiten, circa 200 Millionen Klimaflüchtlinge…) Rahmstorf macht klar, dass wir die letzte Generation sind, die das noch aufhalten kann und es keinen Aufschub mehr geben darf.

Bereits getroffene Maßnahmen der Stadt Wörth

Jana Cappel erläutert den Verbrauch von Primärenergien (Erdöl, Kohle, Erdgas) und die CO2 –Emissionen am Industriestandort Wörth im Vergleich zu Gesamt-Rheinland-Pfalz.
Der Strom- und Gasverbrauch konnte zwischen 2013 und 2017 um 18% (Strom) und 0,7% (Gas) reduziert werden, Ziel ist, dies weiterhin deutlich voran zu treiben.
Was bereits im Rahmen des Klimaschutzkonzepts umgesetzt wurde:
• energieeffizient betriebener Badepark Wörth
• mehr E-Ladestationen
• natürlich wachsende Grünflächen (Biodiversität) zum Schutz von Vögeln und Insekten
• Bau von Passivhäusern (Niedrigenergiehäuser)
• Nahwärmenetz
• Optimierung von Heizungsanlagen und Heizungspumpenaustausch
• Energiekarawane (Energieberater ziehen durch die Stadt zum Zwecke der Beratung zu energetischen Modernisierungen und Sanierungen)
• Klimaschutzmanager beraten in Kindergärten und Schulen
• Aktionstage/-wochen an Schulen

Was noch geplant ist

Dennis Nitsche erläuterte noch neue Konzepte wie
• den Bau von Gebäuden ohne Heizung, die sich auf Grund spezieller Bauweise von selbst erwärmen sowie das Konzept der Gebäudeautomatisation. Die Digitalsierung ermögliche hier eine bessere Kontrolle von Gebäuden bsp. weise offen stehende Fenster bei laufender Heizung zu erfassen, Kontrolle der Raumtemperatur auf max. 20 Grad C etc. (smart-Rathaus) Digitalisierung ersetzt nicht die Schulung der Arbeitskräfte, sondern ergänzt sie.
• Neben den beiden bestehenden Biokraftwerken sind weitere angestrebt. Baugrundstücke würden künftig nur noch verkauft, wenn diese ökologisch nachhaltig bebaut werden.
• Die derzeit noch defizitäre Ausstattung von Solaranlagen auf Dächern soll vorangetrieben werden. Auch mietbare Solaranlagen könnten ein sinnvoller Ansatz sein.
• Eine LED-Ausstattung in allen Gebäuden ist angestrebt.
• Altlasten bei bestehenden Gebäuden sollen abgebaut werden.
• Die Nachtbeleuchtung reduzieren bzw. teilweise ganz abschalten, um nachtaktive Insekten zu schützen.
• Temperaturbegrenzung in allen öffentlichen Gebäuden auf 20 Grad C.
Trotz hoher Verschuldung habe der Klimaschutz absolute Priorität betonte Nitsche.

Thomas Krämer ergänzte den Maßnahmenkatalog noch durch folgende Punkte:

• Anpflanzung von Bäumen. Wenngleich sich dies in der Realität problematischer darstelle, will die Stadt Wörth 1000 neue Bäume pflanzen.
• Streuwiesenflächen sollen ausgebaut werden.
• Grüne Fassaden und Dächer auf städtischen Gebäuden
• Schotter- und Steingärten-Verbot in Neubaugebieten
• biologische Nutzung landwirtschaftlich genutzter Flächen
• Revitalisierung des Altrheins und der Kehle
• Reduktion von Plastikmüll (Ziel: kompletter Wegfall von Tüten und to go-Bechern), kein Plastikgeschirr bei städtischen Veranstaltungen
• Erhöhung von Bußgeldern bei Umweltsünden
• Verwertung der Grünabfälle
• Ausbau der Fahrradinfrastruktur

Workshopphase

Im Anschluss an die Vorstellung des umfangreichen Maßnahmenkatalogs begaben sich die Schüler in zwei Großgruppen und sammelten Vorschläge, Wünsche und Ergänzungen, die mit in das Klimaschutzpaket einfließen könnten.
Dennis Nitsche forderte die Schüler auf, gerne auch außerhalb dieser Diskussionsrunde Kontakt zu halten. Man sei jederzeit gesprächsbereit und freue sich über jede Initiative.
Es lagen große Plakate bereit, auf denen die Gruppen ihre Ideen zu Papier bringen konnten: zum einen „Das sollten wir selbst tun / Aktions- und Projektideen“, zum anderen „Kommunale Maßnahmen“. Dies wurde am Ende vorgetragen.

Ergebnisse – Ideen, Wünsche, Anregungen der Schüler

Das sollten wir selbst tun
• mehr Eigeninitiative entwickeln, bei sich selbst anfangen. Vielfach wurde im Gespräch betont, dass die Fridays for Future –Bewegung die „Initialzündung“ gewesen sei, es nun aber an jedem Einzelnen läge, diese Saat wachsen zu lassen. Klimademonstrationen seien weiterhin wichtig, aber den Gedanken müsse man auch in die Schulen tragen, bsp.weise regelmäßig Treffen organisieren, Schulungen und Informationsveranstaltungen besuchen.
• Social Media gezielt einsetzen
• Mehrere Schulen an einem Standort könnten sich zusammen schließen.
• Ein festes Unterrichtsfach „Klimaschutz“ einrichten.
• Ein Jugendparlament gründen.
• Vom Wahlrecht Gebrauch machen, sobald man wahlmündig ist.
• In eine Partei eintreten, die sich dem Klimaschutz verschreibt.
• Regional-saisonal einkaufen und auf per Flugzeug importierte exotische Früchte verzichten.
• Reduktion des Fleischkonsums, vegetarische Alternativen ausprobieren.
• Verzicht auf Plastiktüten und Einwegbecher
• Kleidung in Secondhandshops kaufen oder untereinander tauschen.
• Carsharing + Fahrgemeinschaften
• autofreie Tage einrichten
• öffentliche Verkehrsmittel nutzen
• Flohmärkte organisieren
• regelmäßige Aktionen zum Müllsammeln in der Stadt und im Wald organisieren
• handeln statt demonstrieren
• Kontaktangebot des Bürgermeisters und seines Teams nutzen

Schülerwünsche an die Kommunen bzw. die Politiker allgemein

• den öffentlichen Nahverkehr durch deutliche Preissenkung bzw. kostenfreie Fahrten attraktiver machen
• Scoolcard auch für Oberstufenschüler
• autofreie Innenstadt
• Unverpacktläden (es gibt bislang 1 in Karlsruhe)
• Supermärkte sollen Verpackungsalternativen ausbauen (mitgebrachte Frischeboxen)
• die Wirtschaft dazu drängen, emissionssparend zu produzieren
• mehr und besser beschilderte Radwege
• höhere Steuern auf Fleisch
• höhere Preise für Flugreisen, im Gegenzug Preissenkungen bei der Bahn
• DAIMLER als zweitgrößten Arbeitgeber mit ins Boot holen

Und was hält uns ab?

Auf diese Frage gab es unterschiedlichste Antworten: zu wenig Information, befanden einige, andere räumten ein, dass vieles bagatellisiert werde bzw. der Einfluss einer einzelnen Person für zu gering erachtet werde: was macht es schon, wenn ich mehrmals die Woche Fleisch esse/ das Auto nehme/ Plastiktüten benutze/ lieber auf 25 °C heize usw. ?
Auch persönliche Trägheit und Desinteresse wurden genannt, einzelne Aktionen ja, aber dauerhafte Veränderungen und ständiges Engagement wurden zum Teil auch als zu anstrengend empfunden.

IGS Wörth – Beispiel für ein gelungenes Vorbild

Die Begleitlehrer Martin Kleist und Stefan Reiser, die sich dem Klimaschutz an ihrer Schule schon lange mit viel Herzblut verschrieben haben, betonten im Gespräch die Wichtigkeit und die Chancen der Zusammenarbeit a) zwischen Lehrern und Schülern und b) zwischen den Schulen und der Stadt Wörth. Martin Kleist berichtete, dass schon seit dem Jahr 2000 eine enge Kooperation bestehe und man mit der Stadt Wörth einen Klimavertrag geschlossen habe, der seitens der Schule seriös dokumentiert wurde und innerhalb von 18 Jahren zu einer Energieersparnis von 100.000 Euro geführt habe .

Hier wurde Pionierarbeit geleistet. Ein Teil dieser Gelder floss wieder an die Schule zurück, eine echte win-win-Lösung.
Die kontinuierlichen Bemühungen zum Thema Klimaschutz fanden eine besondere Auszeichnung mit der Verleihung des Deutschen Klimapreises der Allianz Umweltstiftung, dotiert mit 10000 €, den die Schüler glücklich und stolz entgegen nahmen.

Fazit

Klimaschutz ist ein weitgefächertes Thema und nicht immer ist alles in der Realität einfach umzusetzen. Der heutige Tag jedoch hat gezeigt, dass ein über die Maßen engagierter Bürgermeister und sein Team bereits vieles auf den Weg gebracht haben und in einer Weise offen und gesprächsbereit auf Jugendliche zugehen wie man es sich andernorts nur wünschen könnte.
Wenn jeder Einzelne etwas tut, ist bereits vieles auf dem Weg, in der Gemeinschaft aber können wir auch Großes bewirken und was könnte ein lohnenderes Ziel sein, als diesen Planeten für kommende Generationen zu erhalten? (Heidi Steinbrecher)

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