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Fragen zur Landtagswahl: Steffen Weiß, FWG

Steffen Weiß

Wie vor jeder Wahl stellte der Pfalz-Express den Kandidaten zur Landtagswahl einige Fragen zu ihren Prioritäten. Wir erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Antworten, die bis zum Stichtag 3. Februar nicht eingegangen sind, konnten leider nicht mehr berücksichtigt werden.

Fragen an Steffen Weiß, Freie Wähler (FWG), Wahlkreis 52 „Wörth“ (umfasst vom Landkreis Germersheim die verbandsfreie Gemeinde Wörth am Rhein sowie die Verbandsgemeinden Hagenbach, Jockgrim und Rülzheim).

Für meinen Wahlkreis will ich vor allem erreichen…

1. Eine klare Perspektive, wie es mit dem größten Arbeitgeber im Wahlkreis, dem Daimler-LKW-Werk in Wörth, kurz-, mittel- und langfristig weitergeht. Die Gewerbesteuereinnahmen sind für die Stadt Wörth und den Landkreis von großer Bedeutung, aber nicht nur. Daran hängen Arbeitsplätze, Familien, Zulieferer, aber auch Vermieter, Handwerker und Dienstleister. Die Corona-Krise hat da ja die Krise in der Autoindustrie nur überdeckt oder auch verschlimmert.

2. Eine deutliche Verbesserung in der Kommunikation und Zusammenarbeit über den Rhein hinweg nach und mit Karlsruhe. Dass zwischen dem Wahlkreis 52 und Karlsruhe nicht nur eine Landes-, Kreis- und Kommunalgrenze liegt, sondern auch die eines „regionalen Entwicklungsplans“ ist dabei nicht hilfreich, aber mehr Herausforderung als Problem.

Wenn ich Abgeordneter werde, werde ich als erstes…

Mein Wahlkreisbüro einrichten und zu einer Kommunikations- und Informationszentrale machen. Wenn man als „Freier Wähler“ nicht darauf achten muss, welches „verdiente Parteimitglied“ man da direkt oder über ein Familienmitglied berücksichtigen muss, kann nach Eignung eingestellt werden und rasch die Sacharbeit im Vordergrund stehen. Nach dem Beispiel der von mir administrierten Facebook-Gruppen „Wir brauchen die 2. Rheinbrücke Wörth-Karlsruhe“ und „Alle aus Wörth am Rhein“ möchte ich gerne Informationen beschaffen und zur Verfügung stellen und Verordnungen oder Gesetzestexte in verständlicher Sprache darstellen. Also das, was ich bisher nebenher und ehrenamtlich tue, soll dann auch für die anderen Kommunen im Wahlkreis laufen und weiterhin „nebenher“ zur politischen Sacharbeit, aber auf mehrere Schultern verteilt.

Die drei dringlichsten Themen sind aus meiner Sicht…

1. Ein Ausweg aus dem Corona-Krisenmodus: eine ehrliche und planbare Impfperspektive, nachvollziehbare Maßnahmen und Regelungen, wirtschaftlich tragbare Lösungen für Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungen.

2. ein Zuschütten der gesellschaftlichen Gräben, dabei muss „die Politik“ Fehler eingestehen und wo immer möglich, auch korrigieren, es müssen aber auch die massiven Kritiker wirklich aller Maßnahmen ihrerseits Fehleinschätzungen eingestehen und anerkennen, dass nicht wirklich alles so falsch gelaufen ist in Deutschland und – jenseits von Corona.

3. eine schnelle und greifbare Verbesserungen der rheinquerenden Mobilität, zum Beispiel durch die kurzfristige Maßnahme einer Ausnahmeregelung und Beschilderung, die S-Pedelecs, E-Roller und 45ccm-Roller auf dem Geh- und Radweg über die bestehende Brücke zulässt, darauf aufbauend mittelfristig eine „Zweiradbrücke“ zwischen Straßen- und Bahnbrücke und das alles nicht „statt“, sondern ergänzend zur langfristig notwendigen „2. Rheinbrücke“.

Worin sehen Sie Ihre größte Stärke?

Ich verfüge über eine hohe Stressresistenz und bin in einem vernünftigen Dialog auch sehr geduldig. Eine in den Raum gestellte Behauptung analysiere ich und prüfe sie auf Echtheit. Fakten sind mir sehr wichtig und helfen auch in einer anstrengenden Diskussion, die Geduld zu bewahren. Kritik versuche ich stets konstruktiv vorzubringen. Also entweder einen besseren Vorschlag zu machen oder zumindest Sachargumente vorzubringen.
Wenn ich mich in einem Thema nicht gut auskenne, halte ich mich auch zurück und gleichzeitig erarbeite ich mir Faktenwissen.

Als ich 2015 mit den Rheinbrückendemos auf der Fahrbahn angefangen habe, hatte ich weder Demo-Erfahrung, noch wusste ich besonders viel über die Planungsdetails zur 2. Rheinbrücke. Aber man findet die Unterlagen ja überall. Und dem Vortrag des Karlsruher BUND-Geschäftsführers Weinrebe zu Knoblauchkröten im Bereich Knielingen und Purpurreihern im Bereich des Wörther Altrheins konnte ich zunächst nicht wirklich viel entgegensetzen. Ich habe mich dann eingelesen, war auch bei einem Infotag der Brückengegner und habe mich mit den aufgeführten Tierarten auseinandergesetzt. Beim Purpurreiher war es ein „Statistiktrick“, da es so wenige Tiere gab, die beobachtet wurden, hat man eine „Kolonie“, die aus 8 bis 15 Paaren besteht im südlichen Rheinland-Pfalz benannt, zwischen Neuburg und Eich (bei Worms), bei genauem Hinsehen waren die Beobachtungen im Bereich der Trasse Einzeltiere aus der Wagbachniederung bei Waghäusel (bis zu 46 Brutpaare) auf Futtersuche.

Die Knoblauchkröte bevorzugt einen ganz anderen Boden und wurde „verwechselt“ mit einem heranwachsenden Ochsenfrosch, der als invasiver Neophyt keineswegs schützenswert, sondern eine Bedrohung ist. Kaum waren die Argumente genannt, wurden diese Tiere nicht mehr angeführt, ging es den Gegnern der Brücke nur noch um Formfehler.

Zum konstruktiven Ansatz gehört im Übrigen auch mein Hinweis auf das, was zwischen Kehl und Strasbourg seit dem Jahr 2000 an zusätzlichen Rheinquerungen möglich war. Und das liegt gerade einmal 70 Kilometer entfernt. Und da Baden-Württemberg mit Frankreich dort deutlich mehr bewegen konnte als Baden-Württemberg mit Rheinland-Pfalz, erscheint es geboten, in Rheinland-Pfalz andere Handelnde mit der Verantwortung zu betrauen.

Wenn ich nicht in den Landtag gewählt werde, dann…

…werde ich weiterhin meine spannende berufliche Tätigkeit mit tollen Mitarbeitern und interessanten Begegnungen ausführen und mich wie bisher ehrenamtlich für die Gemeinschaft in unterschiedlichen Funktionen einbringen und mich weiter kritisch-konstruktiv zu politischen Entwicklungen und Entscheidungen äußern. Und ich werde vor allem weiterhin den schier maßlosen Aufwand an Wahlplakaten kritisieren und auf Beschränkungen hinwirken.

Zur aktuellen Lage: Wie beurteilen Sie die bisherigen Corona-Maßnahmen in Abwägung mit den wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen?

Natürlich ist es für diejenigen, die Entscheidungen treffen müssen, nicht immer einfach. Allerdings haben auch die Verantwortlichen eine Lernkurve durchschritten seit März 2020, so wie wir alle. Und diesbezüglich lange gestellte Forderungen, etwa dass neue Regelungen früher bekanntgegeben werden müssen oder – wenn das nicht möglich ist – erst später in Kraft treten, sollten endlich umgesetzt werden. Wenn etwa Freitagabend um 18.15 Uhr neue Regeln für die Schulen kommen, die am Montag um 8 Uhr umgesetzt sein sollen, so ist dies nur mit gewaltigem Aufwand der Schulleiter und Lehrer möglich und belastet aber auch Eltern und deren Arbeitgeber.

Aus wirtschaftlicher Sicht zahlt sich jetzt aus, dass im Bund und im Land eine Schuldenbremse eingerichtet ist bzw. war. Jetzt sind staatliche Hilfen notwendig, um Firmen und Arbeitsplätze zu erhalten. Dass muss für kleine und mittlere Unternehmen schneller und unbürokratischer gehen und auch Soloselbständige berücksichtigen. Leider liest und hört man nur von Milliarden und Millionen für TUI, Lufthansa und Kaufhof, die wohl auch schon zur Verfügung stehen.

Es war zu Beginn der Pandemie nicht absehbar, was alles passieren wird. Aber klar war, dass es auch zu Lasten von Arbeitsplätzen und Unternehmen gehen wird. Warum Wirtschaftsminister Peter Altmaier dennoch den Satz gesagt hat, dass „in der Corona-Krise kein Arbeitsplatz verloren gehen wird“, kann ich nicht nachvollziehen.

Die psychosozialen Folgen kann man heute noch nicht abschätzen. Aber da rollt etwas auf uns zu. Psychiatrische Einrichtungen sind überlaufen und haben Wartelisten. Neben der Einsamkeit, die viele Betroffene heute schon formulieren können, sind es weggefallene Tagestrukturen aber auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise.

Vieles muss durch, während und nach „Corona“ neu gedacht werden. Interessanterweise spielte das nie eine Rolle bei bisherigen Pandemieszenarien, die häufig nur konkrete Katastrophenbekämpfungsprobleme beinhalteten: Gefahrenabwehr, Unterbringung, Lebensmittelversorgung, Gesundheitsversorgung, Treibstoff- und Energieversorgung. Also alles das, was im Lockdown weiterhin offen hat, weil es „systemrelevant“ ist.

Keine einzige Stabsrahmenübung, kein Pandemiekonzept hatten sich bisher mit Bildungsfragen, Gastronomieangeboten und Kulturbetrieben beschäftigt. Das schien mutmaßlich entweder nebensächlich oder vernachlässigbar.

Der „Reset“-Knopf, den wir absehbar drücken müssen, muss das alles aber umfassen, mittel- und langfristig müssen wir hier als Menschheit auf allen Ebenen besser werden.

Kurzfristig werden wir uns da weiter „durchwurschteln“ müssen. Und möglicherweise werden Menschen deutlich mehr (und länger) unter den Kollateralschäden der Pandemiebekämpfung leiden.

In den Jahren vor dem 2. Weltkrieg, während dieses Krieges und in den Jahren danach sind ebenfalls sehr viele Menschen betroffen gewesen. Noch viel umfangreicher und intensiver. Und trotzdem ging es danach weiter. Wir dürfen keinesfalls die Hoffnung verlieren.

Zur Person:

Alter: 47 Jahre

Beruf: Sicherheitsfachwirt (FH), tätig als Abteilungsleiter im Öffentlichen Dienst

Familienstand: verheiratet seit 1999, drei Töchter

Wohnort: Wörth am Rhein

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