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Flüchtlingssituation in Germersheim: Alles im Griff – trotzdem für Eventualitäten planen

Brainstorming und Austausch im Rathaus mit Bürgermeister Marcus Schaile. Fotos: pfalz-express.de/Licht [1]

Brainstorming und Austausch im Rathaus mit Bürgermeister Marcus Schaile.
Fotos: pfalz-express.de/Licht

Germersheim – Bei einem Treffen mit Vertretern von Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen hat Bürgermeister Marcus Schaile eine positive Bilanz zur Flüchtlingssituation in der Stadt gezogen.

In den letzten drei Monate seien 54 Asylbewerber in die Stadt gekommen, berichtete Schaile, etwa so viele, wie früher monatlich registriert wurden.

Seit einige südeuropäische Länder die Grenzen geschlossenen hatten, hat sich der Flüchtlingsstrom merklich verringert. Die Atempause will man in Germersheim nicht ungenutzt lassen und vorsichtshalber weitere Immobilien ankaufen, sagte Schaile. Es sei nicht abzuschätzen, wie sich die Lage künftig entwickle.

In der Stadt gebe es keinerlei Probleme mit den Asylbewerbern, so Schaile weiter. Mir den Nachbarn der Neuankömmlinge ebenfalls nicht – der Stadtchef hatte im Vorfeld mit jedem Einzelnen Gespräche geführt.

Trotzdem nutzt man die Zeit und legt Asylbewerber gleicher ethnischer Herkunft zusammen, um die kulturellen Hintergründe zu berücksichtigen. Früher sei das manchmal nicht anders gegangen, sagte Schaile, aber „wenn sich zwei Länder nicht grün sind, wäre es fatal, wenn wir die Gruppen in einem Haus unterbringen.“

Am Alten Hafen soll demnächst eine Unterkunft fertiggestellt werden. Das alte Polizeigebäude in der 17er Straße hat die Verwaltung zwar selbst genutzt, aber ein Aufnahmezimmer für die Weiterverteilung der Flüchtlinge eingerichtet.

Auch in Konfliktsituationen könne man dort quasi als Pufferlösung Personen vorübergehend unterbringen.

Gemeinnützige Arbeit, geregelter Tagesablauf

Die Stadt hat Asylbewerber zudem in gemeinnütziger Arbeit untergebracht – auf Friedhöfen, im Bauhof, aber auch für Unterhaltungsarbeiten in ihren Unterkünften selbst. Dafür gibt es einen zusätzlichen Stundenlohn von 1,05 Euro.

Arbeit sei für die Menschen wichtig, um dem Tag eine Struktur zu geben, während sie auf ihren Bescheid vom Bundesamt für Migration (BAMF) warteten, sagte Schaile: „Aufstehen, frühstücken, arbeiten – ein geregelter Tagesablauf.“

Im Vorfeld wurden sogar Profile erstellt, damit die Asylbewerber entsprechend ihren Fähigkeiten eingesetzt werden können.

Wer allerdings nicht bereit ist gemeinnützige Arbeit oder Deutschkurse zu machen, riskiert eine schrittweise Leistungskürzung. „Diese Maßnahme behält sich die Stadt vor. Geben und Nehmen war schon immer das Ziel.“

Geplant sind über das Jahr hinweg einige Veranstaltungen für Flüchtlinge und Einheimische zusammen: Mehrsprachige Stadt- und Festungsführungen mit Picknick, Fahrsicherheitstraining für Radfahrer oder Vorführungen und Übungen bei der Feuerwehr.

Auch die Lern- und Spielstube am Alten Hafen hält ein Ferienprogramm bereit. Besonders hierfür versucht die Stadt, noch zusätzliche Spendengelder zusammenzubekommen. Am Alten Bahnhof werden Fahrräder repariert, auch dort werden noch kundige Helfer gesucht.

Alle Bürger sind zu diesen Veranstaltungen eingeladen, um sich gegenseitig kennenzulernen. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

„Flüchtlingsordner nutzen“

Schaile wies die Helfer nochmals nachdrücklich darauf hin, auf die Asylbewerber einzuwirken, stets den von der Kreisverwaltung ausgegebenen „Flüchtlingsordner“ [2] mitzuführen.

In diesem Ordner sind alle relevanten Anlaufstellen und Organisationen aufgeführt. Um Doppelstrukturen und auch Doppeltermine zu vermeiden, soll die jeweilige Organisation, die der Flüchtling aufgesucht hat, einen Vermerk im Ordner hinterlassen.

Die Helfer berichteten der Reihe nach von ihren Erfahrungen und tauschten Tipps aus. Insgesamt läuft die Betreuung der Flüchtlinge und der Informationsaustausch der Helfer untereinander recht gut.

Bernd Kau (Diakonie) wies auf die wöchentliche Sprechstunde dienstags von 14-16.30 Uhr im „Max & Moritz“ in Kandel hin. Oftmals geht es dort auch um rechtliche Dinge. So tappen zahlreiche Asylbewerber in Vertragsfallen, beispielsweise mit Probe-Abonnements, die bei nicht fristgerechter Kündigung oft in einen Langzeitvertrag münden, den sich die Menschen gar nicht leisten können.

Kaul ist auch Ansprechpartner für Betreuer, die vom Verhalten ihrer Schützlinge enttäuscht sind.

Interkulturelle Kompetenz-Kurse für Betreuer vorgeschlagen

Das Deutsch-Arabische Informationszentrum in Germersheim (info@daiz-germersheim.de [3]) bietet ebenfalls eine Sprechstunde jeden Mittwochnachmittag, berät und unterhält einen Asylkreis.

Leiter Abdelhakim Lebdiri betonte, dass besonders für einige Betreuer ein interkulturelles Kompetenz-Training unabdingbar sei.

Manche Betreuer würden die Frauen auffordern oder deren Männer ansprechen, das Kopftuch abzulegen. „Das darf man nicht“, so Lebdiri. Ebenso sei ihm ein Fall bekannt geworden, bei dem eine Betreuerin ihren jugendlichen Schützling vom Fasten habe abhalten wollen mit der Begründung, die sei nicht gesund.

„Der Umgang mit anderen Kulturen bedarf wirklich großer Berücksichtigung“, sagte Lebdiri. Er hoffe, dass man seinen Vorschlag zu Kursen für interkulturelle Kompetenz ernst nehme.

Ob man denn insgesamt auf dem richtigen Weg sei, fragte Bürgermeister Schaile zum Abschluss der Konferenz die Helfer, die ja gewissermaßen die Fachleute in diesen Belangen seien. Das sei man, bestätigten die Anwesenden.

Schaile regte dennoch eine nächste Gesprächsrunde noch vor dem Sommerpause an, um auf dem Stand zu bleiben. (cli)

Ordner für Asylbewerber. [4]

Ordner für Asylbewerber.

 

Ordner für Flüchtlinge Asylbewerber Germersheim [5]

Inhalt einer Willkommenstasche. [6]

Inhalt einer Willkommenstasche.

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