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Flüchtlingsgipfel in Germersheim: „Riesige Herausforderung – aber machbar“

Flüchtlingsgipfel am 8. Dezember. Fotos: pfalz-express.de/Licht Grafiken: Kreisverwaltung Germersheim [1]

Flüchtlingsgipfel am 8. Dezember.
Fotos: pfalz-express.de/Licht
Grafiken: Kreisverwaltung Germersheim

Germersheim – Der zweite Flüchtlingsgipfel des Kreises in der BBS-Aula in Germersheim stand ganz im Zeichen eine Straffung und ergebnisorientierten Bewältigung des Flüchtlingszustroms.

Die Prioritäten skizzierte Landrat Dr. Fritz Brechtel grob in die Bereiche menschenwürdige Unterbringung, effektives Netzwerken und Zentralisierung der Helfer und Helfer-Organisationen und Integrationsmaßnahmen der Geflüchteten.

Für die Unterbringung gelte nach wie vor: Alles ankaufen oder anmieten, was irgendwie zur Verfügung steht oder gestellt wird. Falls das nicht mehr möglich sein solle, müsse selbst Wohnraum geschaffen werden, so Brechtel.

Brechtel wies nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Unterbringung eine Pflichtaufgabe für die Kommunen sei.
Der Kreis weist Asylsuchende den Verbandsgemeinden und Städten zu, diese verteilen dann die Asylbegehrenden weiter in die Ortsgemeinden. Der Kreis finanziere die Ausgaben und Kosten für die Unterbringung zu 100 Prozent.

Es könne nicht sein, dass eine Ortsgemeinde sage, man wolle nicht, so Brechtel.

Flüchtlingsgipfel Germersheim Landrat Dr. Fritz Brechtel [2]

Menschen aus anerkannten Drittländern müssten nun schnellstmöglich abgeschoben werden, sagte Brechtel, da man den Platz für Flüchtende mit besonderem Schutzstatus brauche. Man setze dabei auf freiwillige Ausreise: „Eine Zwangsabschiebung ist ein sehr unangenehmer Vorgang.“

Wenn es nicht anders ginge, müsse diese Maßnahme trotzdem durchgeführt werden. 160 Menschen seien dieses Jahr schon abgeschoben worden.

Viele allerdings auch nicht, wie ein Vertreter der Ausländerbehörde auf Nachfrage zugab. Bei Familien gäbe es manchmal „das Problem, dass das BAMF (Bundesamt für Migration) Ausweise eingezogen hat. Manchmal werden die Dokument nur verzögert zur Verfügung gestellt.“ Das könne eine Ausreise verschieben.

In den letzten Wochen seien fast nur noch syrische Flüchtlinge angekommen, berichtete Landrat Brechtel weiter, davon 60 Prozent Familien: „Also nicht nur junge Männer, wie so oft behauptet.“

Herkunftsländer Flüchtlinge 10 - 2015 [3]

Die Prognose wurde von der Aufsicht-und Dienstdirektion (ADD) weiter erhöht, bis Jahresende rechnet man im Kreis mit 1400 bis 1500 Flüchtlingen. Damit kämen auf 100 Einwohner etwa ein Asylsuchender, sagte Brechtel.

Der Landrat mahnte in diesem Zusammenhang die europäische Verantwortung an, lobte aber Kanzlerin Merkel, die aus seiner Sicht einen guten Job mache und pausenlos unterwegs sei, um Lösungen zu finden.

Zahlen verdoppen sich voraussichtlich

Bis Jahresmitte 2016 wird im Kreis mit 2500 Flüchtlingen gerechnet – das bedeutet, in jeder Kommune wird sich die Zahl der Asylsuchenden verdoppeln.
„Das ist eine riesen Herausforderung, so Brechtel. „Aber machbar.“ Deshalb sei ein gemeinsames Vorgehen aller Beteiligten umso wichtiger, es solle möglichst keine ineffektiven Doppelstrukturen mehr geben. Im Kreis werde das Personal nochmals verstärkt.

Chancen sieht Brechtel sogar dann, wenn Wohnraum geschaffen werden muss. Dabei solle eine jede Gemeinde bedenken, welche Nutzungsmöglichkeiten eine Containerunterkunft (hält lediglich 10 bis 15 Jahre) oder eine Unterkunft in Holz- oder Betonbauweise in der Zukunft möglich wären.

Untergebrachte Asylbewerber werden übrigens von den Verbandsgemeinden betreut, teils mit Sozialarbeitern. In den Unterkünften sollen Hausmeister oder sogenannte Objektmanager nach dem Rechten sehen.

Verwirrung: Wer darf welche Kurse machen?

Viele ehrenamtliche Helfer haben im Dschungel der Angebote und dazugehöriger Paragrafen den Überblick verloren. Wer darf beispielsweise welchen Sprachkurs belegen – wer einen Integrationskurs?

Katarzyna Potepa von der Profes GmbH stellte diverse Kursmodelle vor. Die Zielgruppe der Profes sind allerdings in der Hauptsache Geflüchtete, die schon eine Aufenthaltsgenehmigung, eine sogenannte Gestattung, haben.

Wer nur geduldet ist, kann an einem Kurs von Ehrenamtlichen teilnehmen. Die Ehrenamtlerkurse seien aber als Einstiegskurse dennoch sinnvoll, so Potepa.

Integrationskurse sind nur geöffnet für Asylbewerber aus den Ländern mit dem höchsten Schutzstatus: Syrien, Iran Irak, Eritrea.

Kreisbeigeordneter Dietmar Seefeldt informierte, dass die Kreisvolkshochschule ebenfalls Kurse mit teils ausgebildeten Sprachlehrern anbietet – und die sind für alle offen.  Insgesamt aber ist Vieles noch im Unklaren.

Zentrale Webseite gefordert

Eine Auflistung wäre gut, sagt eine Teilnehmerin. Annette Knauth von „Kandel aktiv“ merkte an, dass für die vielen offenen Fragen eine zentrale Info-Webseite des Kreises von Vorteil wäre: „Eine einfaches System in einer Excel-Tabelle würde allen unheimlich helfen.“

Laura Valencia von der Leitstelle für Integration der Kreisverwaltung erklärte, eine Datenbank sei in Arbeit. Dort sollen alle Themen gesammelt, zu Informationen gebündelt werden und später auf einer zentrale Webseite stehen.

Man sei dabei, die Ehrenamtlichen zu stärken klare Strukturen anzubieten, sagte auch Landrat Brechtel. Der Kreistag habe ein ganzes Paket beschlossen, das der ADD zur Genehmigung vorliege. Dazu gehöre auch ein Internetauftritt in verständlicher Form.

An wen wenden, wenn es Probleme gibt?

Eine weitere Teilnehmerin beklagte Probleme in einer Asylbewerberunterkunft in Hagenbach, wo etwa 30 Personen untergebracht sind.

Eine Personengruppe neige zu Gewalt, es gebe nächtliche Gelage mit lauter Musik und extremer Lärmbelästigung. Da auch alleinstehende Frauen und Familien mit kleinen Kindern in der Unterkunft lebten, habe man die Betreuer in mündlicher und schriftlicher Form darauf aufmerksam gemacht, sämtliche staatlichen Stellen angeschrieben – es sei jedoch nichts passiert.

Sabine Heyn, Leiterin des Kreisjugendamts, versicherte, ein Anruf genüge – besonders, wenn Kinder im Spiel seien. Man würde sich unverzüglich um solche Fälle kümmern.

Ein anwesender Hagenbacher Vertreter räumte ein, dass die Probleme in der Unterkunft bekannt seien. Man sei dabei, Maßnahmen zu ergreifen und gegenzusteuern: „Es ist eben eine große Unterkunft.“

Im Lauf des Abends stellten Leiter und Mitglieder verschiedener Organisationen ihre Projekte für die Flüchtlinge vor, unter anderem  Caritas, CJD und der Internationale Bund. Informationen sind auf den jeweiligen Webseiten zu finden.

Polizei hilft mit

Der Sicherheitsberater der Polizei Germersheim, Jochen Steuerwald, sagte ebenfalls Danke an die vielen Ehrenamtlichen. Wer Vorschläge für weitere Initiativen habe, könne sich gerne an ihn wenden.

Jochen Steuerwald [4]

Steuerwald selbst betreibt das Projekt Verkehrssicherheit für Flüchtlinge. Das beinhaltet auch Fahrradunterricht („da gibt’s oft noch Schlangenlinien“).

Zudem bastelt an einem verständlich bebilderten Vortrag, zum Beispiel über Verkehrsschilder und Verhalten im Straßenverkehr, damit die Geflüchteten lernen, „dass man nicht auf der Autobahn spazieren geht.“ (cli)

Information: Koordienierungstelle: www.aktiv-fuer-fluechtlinge-rlp.de [5] (wird fortlaufend aktualisisert)

Einzelfragen von Ehrenamtlichen können an die E-Mail-Adresse ehrenamt@asyl-rlp.org [6] gesendet werden.

 

Asylbewerberstatistik [7]

Herkunftsländer 4. Quartal 2015 [8]

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