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Flüchtlinge in Freckenfelder Gräfenberghalle: Gemeinderat vertagt Entscheidung – Bürger sollen gehört werden

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Kein Wohnraum mehr vorhanden: Die Gräfenberghalle in Freckenfeld soll nach Wunsch der Verbandsgemeindeverwaltung als Unterkunft für etwa 50 Asylsuchende dienen.
Foto: pfalz-express.de/Licht
Grafiken am Textende: VG Kandel

Freckenfeld – Es war eine hitzige Sitzung mit viel Sprengstoff: Der Freckenfelder Gemeinderat sollte über die Unterbringung von etwa fünfzig Asylbegehrenden, in der Hauptsache alleinstehende Männer, in der Gräfenberghalle entscheiden – eine heiße Diskussion folgte, gleichermaßen ein Abbild der Probleme bundesweit.

Dabei platzte der Sitzungssaal aus allen Nähten, das Bürgerinteresse war groß.

Gleich zu Beginn hagelte es Kritik für Ortsbürgermeisterin Gerlinde Jetter-Wüst (SPD) wegen einer Formalie. Räte der Freien Wähler und der CDU beschwerten sich mit sichtlichem Unmut über die Informationspraxis der Bürgermeisterin.

So habe man erst am Freitag zuvor, vier Tage vor dem Sitzungstermin, überhaupt erst von jenem erfahren – ganz zu schweigen von der Thematik der Flüchtlingsunterbringung.

Die Wogen schlugen hoch. Richard Schindler (FWG) warf Jetter-Wüst vor, hinter dem Rücken des Gemeinderats Absprachen mit der Verbandsgemeinde und Bürgermeister Volker Poß getroffen zu haben.

Kersten Beyer (CDU) sagte, man bitte bereits seit Jahren um einen Sitzungsplan, den es in jeder Gemeinde gebe, nur nicht in Freckenfeld. Besonders bei einem so sensiblen Thema hätte man früher einladen sollen: „Das war wieder viel zu knapp.“

Mehrere Ratsmitglieder berichteten, von Bürgern auf die Unterkunft in der Gräfenberghalle angesprochen worden zu sein und aus Unkenntnis fälschlicherweise Pläne diesbezüglich verneint zu haben – was allgemein als Peinlichkeit empfunden worden sei.

Jetter-Wüst verwahrte sich gegen den Vorwurf der Absprache und bekam Schützenhilfe vom ebenfalls anwesenden Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD).

Die Verbandsgemeinde (VG) habe die Ortsgemeinde um Unterstützung gebeten, nicht umgekehrt. Die Verwaltung bekomme die Flüchtlinge zugeteilt, sei dafür zuständig, dass diese ordentlich und menschenwürdig untergebracht würden. Man führe täglich Gespräche, sei auf private Vermieter zugegangen, habe versucht, irgendwo noch Wohnraum zu bekommen, so Poß.

Öffentliche Gebäude hat die VG nicht mehr.

Es sei eine Kraftanstrengung, die alle betreffe, sagte Poß und gab offen zu, dass er manchmal deswegen kaum mehr schlafen könne. Etwa 50 neue Asylsuchende werden noch dieses Jahr in der VG erwartet. Wohnraum gebe es noch für 15 Personen: „Dann ist Schluss.“

Jetter-Wüst appellierte an die Räte: Der Winter stehe vor der Tür, die Flüchtlinge hätten keine Unterkunft: „Man kann die Menschen nicht auf der Straße stehen lassen.“ In Freckenfeld habe man eine Halle – da könne man doch nicht sagen „wir geben sie nicht her“.

Zudem werde diese nur an 25 Stunden in der Woche überhaupt genutzt. Auch sie habe in Freckenfeld alle leer stehenden Häuser und Wohnungen abgeklappert – und nichts gefunden.

Räte fühlen sich überrumpelt

So werde Druck ausgeübt, konterten Schindler und Beyer, bevor man sich habe besprechen können. Schindler fühlte sich gar komplett „überrollt“. Man hätte bei einem so wichtigen Anliegen auch die Bürger mit ins Boot holen sollen.

Das wollte wiederum Volker Poß nicht auf sich sitzen lassen: Keiner übe Druck aus, die Entscheidung obliege nach wie vor der Ortsgemeinde. Die Verwaltung, ja, die sei unter Druck, betonte Poß recht emotional.

Kritisiert wurde weiterhin, dass die Verbandsgemeinde bereits vor drei Monaten die Halle in Augenschein genommen und von Fachleuten hat untersuchen lassen. Das sei normal, sagte Poß, alles sei „sauber“ abgelaufen. Zudem habe man ja erst einmal sehen müssen, ob die Halle generell geeignet sei.

Viele Bedenken

Bedenken gab es viele: Was sind die Kosten für einen Umbau, für Sicherheit und Brandschutz? Woher bekommt man in Fall einer Besiedlung der Halle Dolmetscher, Ärzte, Betreuer? Gibt es Spannungen zwischen den verschiedenen Konfessionen und Nationalitäten? Wird die Kriminalität steigen? Was passiert mit dem Schulsport, mit den Versammlungen? Wer haftet für mögliche Schäden an der Halle?

Bei letzterem konnte Mike Schönlaub vom Fachbereich Bürgerdienste der VG beruhigen: Dafür stehe die Verwaltung gerade. Dennoch sei die Halle nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Schönlaub betonte, dass es sich nicht um eine „Sammelunterkunft“ im Sinne eines Erstaufnahmelagers handele. An diesem Begriff hatte sich zuvor die nächste gereizte Debatte entzündet.

Von der Regierung im Stich gelassen

Bis Ende nächsten Jahres werden noch 170 weitere Asylsuchende in der Verbandsgemeinde ankommen. Da diese Schätzungen bereits etwas älter seien, die Tendenz zudem steigend, müsse man eventuell mit noch mehr rechnen, sagte Schönlaub, der in einem kurzen Vortrag die Situation in der VG beleuchtete.

Eine schier unlösbare Aufgabe für die Kommunen also. Richard Schindler merkte dazu an, dass er sich von der Regierung vollständig im Stich gelassen fühle – mit dieser Empfindung steht er wohl kaum allein.

Verbandsbürgermeister Poß versuchte es nochmals mit eine Appell. Wenn schon der Gemeinderat nicht als Beispiel vorangehe, wie sollten dann die Bürger reagieren? Bedauerlicherweise habe die Gemeinde auch die Wohnungen über dem neuen Dorfladen nicht zur Verfügung stellen wollen.

Martin Thürwächter sagte, die CDU trage das Thema Flüchtlinge in vertretbarem Maß mit. Eine Massenunterkunft sei nicht vertretbar, diese sei für ein „Dorf wie Freckenfeld völlig überdimensioniert“.

Auch die Masse an vielen jüngeren Männern könne zu Problemen führen: „So funktioniert auch keine Integration.“ Einen Entschluss könne man nur mit der Akzeptanz der Bevölkerung fassen, und das ginge nicht ohne öffentliche Diskussion.

Kersten Beyer hatte ebenfalls Bedenken: Freckenfeld würde 35 Prozent der Asylbewerber tragen: „Das geht schief.“

Die SPD-Fraktion enthielt sich größtenteils der Diskussion, stand aber dem Vorschlag der Vertagung und Bürgerbefragung offen gegenüber.

Bürger werden zur Versammlung eingeladen

Am Ende beschloss der Rat nach kurzer Unterbrechung der Sitzung und erregten Diskussionen im Freien, die Entscheidung zu vertagen und in der Zwischenzeit eine Bürgerversammlung einzuberufen. Diese soll voraussichtlich zwischen dem 19. und 23. Oktober vor der nächsten Ratssitzung am 26. Oktober stattfinden.

Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben.

Grafiken zur Übersicht:

Entwicklung:

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Prozentuale Aufteilung

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Herkunftsländer

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Alter und Geschlecht

[5]Wohnsituation

[6]Anerkannte Asylanten

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