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Fake News, Bots, Trolle, Filterblasen: Eine Gefahr für die Demokratie?

V.li.: Christopher Hauß (Junge Union Kreis Germersheim), Daphne Wolter und der Erste Beigeordnete im Kreis Germersheim, Christoph Buttweiler.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Ist die Vielfalt der Informationen im Internet förderlich für die Demokratie? Diese Frage stellte Medienexpertin Daphne Wolter, Koordinatorin Medienpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, bei einem Vortrag in der Wörther Festhalle in den Raum.

Eingeladen zu dem Vortrags- und Diskussionsabend mit dem Thema „Digitale Desinformation – Herausforderung für die Demokratie“ hatte die Junge Union und die KPV (Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands). Die Moderation übernahmen der Erste Beigeordnete des Landkreises Germersheim, Christoph Buttweiler, und Christopher Hauß vom Arbeitskreis „Rheinkultur“.

Google hat die Marktmacht

Neben vielen schnell verfügbaren Informationen weltweit – fast alle Fernseh-, Radiosender und gedruckte Zeitungen haben mittlerweile eine Online-Variante – sind soziale Netzwerken wie Facebook oder Twitter eine Plattform zur Meinungsbildung. Auch für politischen Parteien oder Wirtschaftsunternehmen sind die Netzwerke ein Mittel zur Medienpräsenz. Viel zu oft gibt es aber auch gezielte Falschinformationen – „Fake News“ -, die die Meinungsbildung beeinflussen können.

Wolter spricht von einer „Googleisierung“ – eine Suchmaschine hat die Marktmarkt. Ein Problem bei großangelegten Desinformationskampgnen, die tatsächlich „auch eine Demokratie erschüttern können.“ Kaum ein Leser nehme sich noch Zeit für eine fundierte Recherche, so Wolter. Zu viele Informationen in zu kurzer Zeit strömen auf die Menschen ein.

Gedruckte Zeitungen verlieren

Das Internet hat mittlerweile auch in Deutschland direkt nach dem Fernsehen (95 Prozent) und dem Radio (ebenfalls 95 Prozent) den dritten Platz als Informationsmedium erobert. 93 Prozent lesen Nachrichten im Internet (Stand 2017, Quelle Statista). Gedruckte Zeitungen verlieren an Beliebtheit: Die Zahl der Leser sank von 94 Prozent im Jahr 2014 auf 87 Prozent im Jahr 2017.

Neben dem Vorteil, im Internet Informationen quasi in Echtzeit abrufen zu können, birgt „immer schneller und aktueller“ jedoch auch die Gefahr von Fehlern und Falschinformationen, die sich sofort in Rekordgeschwindigkeit im Netz verbreiten. Ein klassisches Beispiel dafür sei der „Fall Lisa [1]“ in Berlin, so Wolter, der nie stattgefunden, aber sogar den russischen Außenminister auf den Plan gerufen habe.

Falschinformations-Kampagnen werden zum Problem

Neben unbeabsichtigten Fehlern in der Berichterstattung – die es natürlich auch früher schon gab – entwickeln sich heutzutage gezielte Falschinformations-Kampagnen zu einer echten Herausforderung. Das könne bis zu Beeinflussung von Wahlkämpfen gehen. Fakten dagegen zu halten, sie immer schwieriger, wenn Internet-Kampagnen Nutzer auf emotionaler Ebene ansprächen, sagt Wolter.

Bots

Die Kampagnen finden hauptsächlich auf Facebook und Twitter statt. Das Fiese daran: Nicht immer sitzen „echte“ Menschen den virtuellen Diskussionen am Rechner. Es gibt effiziente kleine Helfer, die „Bots“. Das sind Programme, die vorgeben, menschliche Nutzer zu sein und maschinell gesteuert sind. Diese seien mittlerweile so gut entwickelt, dass sie oft nicht aufgespürt werden könnten, sagt Wolter: „Technisch ausgefeilt, sie können den menschlichen Rhythmus nachahmen und sich an Antworten anpassen.“

Die ursprüngliche Funktion, nämlich selbständig vordefinierte Aufgaben bei Erbebenfrühwarnsystemen, Feueralarmen oder Nachverfolgung von Postsendungen zu erfüllen, wird von verschiedenen (Täter)Kreisen mit eigener Motivation genutzt. Dazu zählen beispielsweise politische Ziele oder es spielen kommerzielle Interessen eine Rolle.

„Influence-Bots“ sind meist echt Bot-Netze, die untereinander befreundet sind und fingierte Unterhaltungen vortäuschen. Und die „Clone-Bots“ – die klauen Daten.

Trolle

Weiter sind die sogenannten Trolle in den sozialen Netzwerken und in Kommentarspalten von Nachrichtenmagazinen unterwegs. Trolle sind Menschen, die versuchen, im Netz Diskussion zu stören oder zu unterbrechen („trollen“) oder in ihre Richtung zu lenken. So sollen Russland und China ganze „Troll-Fabriken“ (oder auch „Troll-Armeen) unterhalten, die die öffentliche Stimmung in Online-Foren und Kommentarbereichen im Sinne der Regierung beeinflusst.

Aufmerksamkeits-Syndrom

Auch kommerzielle Interessen können im Netz eine Rolle spielen: Schlagzeilen oder Unterhaltung im negativen Sinn – und die Klicks schnellen in die Höhe.

Fake News

Der wohl bekannteste Begriff ist nicht erst seit Donald Trump „Fake News“.

Fake News sind Desinformationen: Fakten werden entweder frei erfunden, manipuliert, aus einem wahren Kern weiter gesponnen oder bewusst falsch interpretiert.

Merkel und Künast oft Opfer

Diese Meldungen sind oft der Renner im Netz. So waren laut Wolter sieben von zehn der erfolgreichsten Artikel über Angela Merkel im Bundestagswahlkampf Fake News. Eine Meldung, nach der die Bundeskanzlerin gesagt haben soll, Deutsche müssten Gewalt von Ausländern akzeptieren, wurde über 170.000 mal geteilt. Oft würden bei Fake-News Sätze aus Zusammenhang gerissen und eine absurde These dazu gestellt, erklärte Daphne Wolter.

Auch beliebt: Einer Person falsche Zitate in den Mund zu legen. Der Grünen-Politikerin Renate Künast beispielsweise wurde unterstellt gesagt zu haben, man müsse einem Flüchtling, der ein Mörder sei, weiterhelfen. Diese Meldung sei auch von seriösen Medien verbreitet worden, so Wolter. Das führe zu Zuspitzung von Konfliktlagen, wenn die Stimmung sowieso schon aufgeheizt sei.

Oft werde aber auch eine unliebsame Meinung schnell zu „Fake News“ gemacht, wie es der US-Präsident gerne tue. Abgrenzen müsse man zwischen klassischen Zeitungsenten und Satire – diese zählten nicht zu den Fake News.

Echokammern und Filterblasen

Wer sich online nur auf Plattformen informiert und sich in Kreisen bewegt, die ausschließlich die eigene Meinung widerspiegeln und verstärken, hält sich in „Echokammern“ oder „Filterblasen“ auf.

Wolter empfiehlt, sich auch anderweitig Informationen zu beschaffen, gründliche Recherche auf Faktenbasis zu betreiben, Meldungen mit Rationalität zu hinterfragen oder auf Faktenchecker-Seiten nachzuschauen. „Und nicht immer sofort ohne Überprüfung alles retweeten oder teilen.“

Ist Regulierung sinnvoll?

Es sei wichtig zu lernen, Manipulatuinsversuche zu erkennen, sagt Wolter. Dazu müsse erkannt und hinterfragt werden, welche Mechanismen wirken und die vielzitierte Medienkompetenz und unabhängiger Journalismus gestärkt werden.

Der Erste Kreisbeigeordnete Buttweiler appellierte in diesem Zusammenhang an Eltern und Lehrer, großes Augenmerk auf einen aufgeklärten Umgang mit dem Internet zu legen. „Wir müssen den Kindern beibringen, wie sie sich gefahrlos im Netz bewegen können.“

Eine rege Diskussion entspann sich darüber, ob eine staatliche Regulierung zu missbräuchlichem Verhalten im Netz sinnvoll ist oder nicht. Für alle Zuhörer war klar: Die Meinungsfreiheit darf nicht beschnitten werden. Das noch neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz [2] sei nicht sonderlich gut gemacht und müsse nachgebessert werden, sagte Wolter.

Dennoch brauche es eine Regulierung. Der Öffentliche Rundfunk sie ein gutes Beispiel dafür. „Das funktioniert im Großen und Ganzen gut, auch wenn manchmal Fehler vorkommen oder es auch mal tendenziöse Berichte gibt.“ Trotzdem fühlten sich laut einer Studie 24 Prozent der Befragten von den herkömmlichen Medien besonders in gesellschaftspolitischen Fragen nicht mehr richtig vertreten.

Bei Facebook als privatrechtlichem Unternehmen hingegen sei ist alles erlaubt. Eine Verrohung der Sprache oder Jugendschutzgesetze zu brechen – bei Facekook kein Problem. „Man kann ohne Folgen den Holocaust leugnen.“ Eine Regulierung sei notwendig, „aber nicht in Richtung Meinungsäußerung, sondern strafrechtlich ausgerichtet.“

Nicht „Gehirn und Etikette am Rechner abgeben“

An der Veranstaltung hatten Mitglieder verschiedener Parteien teilgenommen. Man solle nicht „Gehirn und Etikette am Rechner abgeben“, sagte ein Zuhörer und sprach damit wohl fast allen Anwesenden und Internet-Nutzen aus der Seele. (cli)

 

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