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EU setzt erstmals „Visa-Hebel“ ein – Druck auf Herkunftsstaaten bei Rücknahme von Migranten

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Brüssel  – Nach jahrelanger Zurückhaltung hat sich die Europäische Union (EU) dazu entschlossen, den Druck auf jene Staaten deutlich zu erhöhen, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen.

Auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ bestätigte die EU-Kommission, dass Bangladesch das erste Land sei, bei dem dieser sogenannte Visa-Hebel erfolgreich angewandt wurde. Man habe sich auf die Einhaltung von Standardverfahren bei Rückführungen geeinigt.

Im Frühjahr war der asiatische Staat das Hauptherkunftsland von Migranten, die von Libyen über das Mittelmeer nach Italien kamen. Verhandlungen mit weiteren Staaten, etwa aus Afrika, würden derzeit laufen, hieß es in Brüssel.

Ihnen werde in den Verhandlungen deutlich gemacht, dass die Eliten des jeweiligen Landes Verzögerungen und Schwierigkeiten beim Beantragen von Visa zu befürchten haben.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere begrüßte das Vorgehen der EU: „Wenn es trotz der entsprechenden Verpflichtung eines Drittstaats regelmäßig Schwierigkeiten bei der Rückübernahme seiner Staatsangehörigen gibt, ist es nur konsequent, im Gegenzug die Einreise von Menschen aus diesem Land an engere Voraussetzungen zu knüpfen“, sagte der CDU-Politiker. „Konkret zielen solche Maßnahmen auf die für die schleppende Rückübernahme Verantwortlichen, also auf Dienst- und Diplomatenpassinhaber des betreffenden Staates.“

Das Beispiel Bangladesch belege, dass der Visa-Hebel Wirkung zeige, „wenn die EU-Mitgliedstaaten gemeinsam handeln und darin bin ich mir mit all meinen europäischen Ministerkollegen einig“.

Alexander Lambsdorff (FDP) begrüßte ebenfalls den erhöhten Druck auf Staaten, die sich weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. „Die Drosselung der Visumsvergabe ist ein sinnvoller Hebel“, sagte Lambsdorff. „Auch die Kürzung der Entwicklungshilfe ist ein Druckmittel oder unser Abstimmungsverhalten in internationalen Organisationen. Schließlich benötigen die Staaten der Dritten Welt oft die Hilfe der EU, etwa um ihre Leute in der Uno zu platzieren. Warum sollten wir einem Staat dabei helfen, wenn er uns auf anderen Gebieten nicht hilft?“

Lambsdorff hält auch Afghanistan für ein in Teilen sicheres Herkunftsland, in das abgeschoben werden könne.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, dass „gerade hinsichtlich afrikanischer Staaten nur mühsam“ vorangehe mit Rückführungen. „Hier müssen die Europäische Union und der Bund mehr Druck aufbauen,“ sagte der Innenminister. Den Visa-Hebel bezeichnete er als „ganz wichtigen Ansatz“.

Wenn es den Eliten der Länder schwerer gemacht wird, Visa zu bekommen, „wird die Bereitschaft dortiger politischer Verantwortlicher“ zur Kooperation bei Rückführungen „größer werden“, so Herrmann.

Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius von der SPD bewertete das Vorgehen der EU positiv: „Für eine bessere Zusammenarbeit mit den aufnehmenden Ländern brauchen wir offensichtlich mehr Druck und Anreize“, sagte Pistorius. „Mobilitätspartnerschaften und Visumpolitik können eine nützliche Hebelwirkung haben, um in diesem Bereich weiter zu kommen.“

Doch nicht alle begrüßen es, dass Europa den Herkunftsstaaten nun ganz direkt droht: Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, kritisierte: „Die Linke unterstützt keine Visa-Beschränkungen für rücknahmeunwillige Staaten, weil sie die Falschen treffen: Touristen, Studierende oder Menschen die hier arbeiten wollen.“

Die EU bediene sich „fragwürdiger Trump-Praktiken, indem sie einfache Bürger für die Politik ihrer Regierung verantwortlich machen will“, sagte Kipping.  (dts Nachrichtenagentur)

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