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EU-Kommissar Günther Oettinger in Jockgrim: EU ist Werte- und Friedensunion

Eu-Kommissar Günther Oettinger war für Europa. Fotos: Pfalz-Express/Licht [1]

Eu-Kommissar Günther Oettinger war für Europa.
Fotos: Pfalz-Express/Licht

Jockgrim – In der Turnhall´ hat Günther Oettinger, EU Kommissar für Haushalt und Personal, auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Thomas Gebhart am Freitag zum Thema „Deutschland und Europa vor großen Herausforderungen“ gesprochen. Oettingers Rede war ein leidenschaftlicher Appell für Europa.

Die Anfänge der EU gehen auf die 50er-Jahre zurück, als zuerst sechs Staaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gründeten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg Niederlande). Eine gezielte wirtschaftliche Verflechtung sollte militärische Konflikte für die Zukunft verhindern, durch einen größeren Markt das Wirtschaftswachstum beschleunigen und den Wohlstand der Bürger steigern. Heute besteht die EU aus 28 Mitgliedsstaaten.

70 Jahre Frieden, Werte wie Meinungs-, Freiheit-, Glaubens- und Pressefreiheit, Gleichberechtigung, eine unabhängige Justiz und Nächstenliebe sei der europäischen Gemeinschaft zuzuschreiben, sagte Oettinger vor rund 80 Zuhörern. Zu speziell deutschen Werten zählt Oettinger auch „hart in der Arbeit, fröhlich in der Freizeit. Mal ein Glas Wein und ein Schweinebraten.“

Günther Oettinger, Jockgrim, EU-Kommissar - 2 [2]

Deutschland habe nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten die Chance bekommen, diese Werte zu etablieren: „Das war ein Angebot.“ Die sechs Gründungsmitglieder der EU hätten Deutschland trotz der Geschehnisse während des Krieges in die Gemeinschaft aufgenommen.

Oettinger warb in diesem Zusammenhang um Verständnis für EU-Neumitglieder, die dieselbe Chance bekommen sollten. 13 neue Mitglieder in den letzten Jahren sein „vielleicht, vielleicht“ etwas viel gewesen, so der Kommissar. Regeln und die gemeinschaftlichen Standards und Werte in der EU sorgten aber für Frieden und Stabilität.

Manche Länder machen Sorgen, räumte Oettinger ein. Viele Autokraten hätten es wieder an die Macht geschafft: „In den USA twittert einer aus dem Weißen Haus, Polen hat Probleme mit der Gewaltenteilung und einer unabhängigen Gerichtsbarkeit, Erdogan in der Türkei ist auf dem Weg zu einer Diktatur und der IS will sowieso ganz Europa zerstören. Deshalb müssen wir umso mehr für die Demokratie und unsere Werte kämpfen, denn die anderen kämpfen gegen uns.“

Ein geeintes Europa bedeute auch einen Export von Frieden und Werten. Oettinger sagte: „Unsere Kinder werden uns nicht am Exportüberschuss messen, sondern ob wir es geschafft haben, weiter 70 Jahre Frieden zu erhalten.“

Dazu gehöre auch, Ländern des Westbalkans weiterhin eine Chance auf Aufnahme in die EU zu gewähren: „Eine realistische Chance.“ Der Frieden dort halte nur mit glaubwürdiger Beitrittsperspektive. Ansonsten würden sich diese Länder Moskau zuwenden und sich in Glaubenskriegen bekämpfen.

Möglicherweise sei nicht immer alles zum ausgereiftesten Zeitpunkt geschehen, aber: „Fenster der Geschichte öffnen sich, und Fenster der Geschichte schließen sich auch wieder.“ Diese möglichen Zeitfenster gelte es zu nutzen, sagte Oettinger und verwies auf Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl [3], der die Stunde genutzt hatte, um Deutschland wieder zu vereinen. Auch er habe das kurze Zeitfenster richtig gehandhabt.

Wenn man Länder wie Bulgarien –  „auch wenn sie vielleicht noch nicht soweit sind“ –  nicht in die europäische Familie aufnehme, seien sie wie „Schilfrohre im Wind Putins“. Europa sei nicht perfekt, gewiss, sagte Oettinger, aber Deutschland sei noch niemals von so vielen Freunden umgeben gewesen. Der Euro sei eine starke Währung in den 19 Ländern der Euro-Zone und in sechs weiteren europäischen Staaten.

„Europa muss mit einer Stimme sprechen“

„Wenn Europa aber nicht mit einer Stimme spricht, bleibt es nicht so“, meinte der EU Kommissar auch mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Europa könne stärker als die USA sein und den wachsenden Märkten in Asien ein gleichwertiges Gegengewicht bieten, aber dafür müsste es einig auftreten: „In 15 Jahren ist es zu spät. Andere haben Bodenschätze und eine jüngere Bevölkerung. Wir sind unglaublich klein, der Wurmfortsatz Asiens. Da können wir nur dagegenhalten, wenn wir einig und stark sind.“

Deutschland habe ein Demographie-Problem, so Oettinger, und mitunter die älteste Bevölkerung der Welt. „Deshalb brauchen wir von der Industrie mehr Qualifizierung, um bis zum 70. Lebensjahr arbeitsfähig zu sein.“

Früher sei Deutschland der „kranke Mann Europas“ gewesen, mit über 5 Millionen Arbeitslosen und schwächelnder der Konjunktur. Heute befinde sich das Land auf dem höchsten Leistungsniveau aller Zeiten. Die Agenda 2010 habe auch dazu beigetragen, „obwohl die SPD den Vaterschaftstest heute ablehnt.“

Zur Flüchtlingsfrage sagte Oettinger, es sei seinerzeit richtig gewesen, dass man die über 2.000 Flüchtlinge aus dem Budapester Bahnhof [4]mit dem Zug nach Deutschland geholt habe. Die Zustände dort sei er nicht menschenwürdig gewesen. Allerdings hätte sofort am nächsten Montag der Europäische Rat dazu informiert werden müssen: „Und nicht erst im Februar.“

Bei der Verteilung der Flüchtlinge gebe es zu bedenken, dass viele Länder zuvor nicht gefragt wurden, sagte Oettinger. Polen beispielsweise habe über 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge im Land, das sei hier gar nicht so bekannt. Ungarn wiederum habe eine schwierige Geschichte mit dem Osmanischen Reich – zwei der Länder, die Deutschland Alleingänge vorwerfen, teilweise nicht nur in der Flüchtlingsfrage, sondern auch in der Energiepolitik.

„Keine Kanzlerin mit abgesägten Hosen“

Kein Wahlkampf ohne Wahl-Empfehlung: Oettinger lobte Thomas Gebhart als „hochqualifizierten, kompetenten und in der Fraktion und Region anerkannten Politiker.“ Die Kanzlerin schaue schon sehr genau hin, wer Pfunde mitbringe. Deshalb mache es einen Unterschied, ob man mit 34 Prozent gewählt werde oder mit über 40 Prozent: „Diese Abgeordneten haben mehr Gewicht.“

Auch für die Kanzlerin selbst warb Oettinger um viele Wählerstimmen. Ein knappes Ergebnis schwäche ihre Position auch in Brüssel, „wenn sie dort mit abgesägten Hosen auftritt“, so Oettinger, der gerne anschauliche Ausdrücke benutzt. (cli)

Günther Oettinger, Jockgrim, EU-Kommissar - Thomas Gebhart [5]

 

Günther Oettinger, Jockgrim, EU-Kommissar - Thomas Gebhart, [6]

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