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Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Herxheim: Es wird konkret – Landrätin Riedmaier: Offen und transparent informieren

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V. li.: Rainer Zeimentz, (verantwortlicher Mitarbeiter des Führungsstabs Flüchtlinge), Carolin Straub (Pressereferentin SÜW), Kreisbeigeordneter Helmut Geißer, Michael Maurer (Pressereferent Staatskanzlei Rheinland-Pfalz), Landrätin Theresia Riedmaier, Verbandsbürgermeisterin Hedwig Braun, Ortsbürgermeister Franz-Ludwig Trauth und Klaus Knoll (Fachbereichsleiter Bürgerdienste).
Foto und Video: pfalz-express.de/Licht
Video am Textende

Herxheim – Ängsten begegnen und offen und umfassend informieren: So soll die Linie zur geplanten Erstaufnahmeeinrichtung in Herxheim seitens der Politik sein.

Dazu hatte der Landkreis SÜW zu einer Pressekonferenz ins Herxheimer Rathaus eingeladen.

Dort gaben Landrätin Theresia Riedmaier, Verbandsbürgermeisterin Hedwig Braun, Bürgermeister Franz-Ludwig Trauth und der zuständige Kreisbeigeordnete Helmut Geißer Auskunft zum Stand der Dinge.

Vom Land waren Rainer Zeimentz, verantwortlicher Mitarbeiter des Führungsstabs Flüchtlinge, (und Vorstand bei der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz e.V.) und Pressereferent Michael Maurer von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz nach Herxheim gekommen.

Zum besseren Verständnis: Das Land und nicht der Kreis oder die Verbandsgemeinde sucht, begutachtet und eröffnet die Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende (AfA) – aus schierer Not heraus.

Lage ist dramatisch

Maurer und Zeimentz berichteten eingangs über die aktuelle Lage, die sich ständig verändere, so Maurer. Mittlerweile gebe es in Rheinland-Pfalz 23 AfAs, die insgesamt im Schnitt 12.000 Menschen beherbergten.

„Vor drei Tagen kamen 462, gestern 544, heute (Stand 28. 10. 2015) 724. Das ist die Situation, vor der wir täglich stehen. Wir müssen jeden Tag neue Aufnahmeeinrichtungen schaffen, um des Flüchtlingsstroms Herr zu werden.“

Zeimentz berichtete, dass es täglich eine Telefonkonferenz der Länder mit dem Bund gebe. Dort werde der Stand abgeklärt, der Bund informiere die Länder über die voraussichtliche Zahl ankommender Flüchtlinge.

Daraus ergäben sich dann die Prognosen, auch für die einzelnen Bundesländer. „Die Menschen, die wir heute im Fernsehen sehen, sind innerhalb von sieben Tagen hier und müssen verteilt werden“, so Zeimentz.

Früher lief das Verfahren anders ab: Die Länder meldeten ihre freien Kapazitäten – davon kann schon seit einer Weile keine Rede mehr sein. „Bayern ist abgesoffen“, zitierte Zeimentz den Hilferuf aus Bayern vor einigen Tagen.

„Wir können uns das kaum vorstellen, was dort passiert: Aulen werden geschlossen, Schulen sind teilweise belegt und täglich kommen etwa 8.000 weitere Menschen an.“

Davon gelangen über den Bahnhof Mannheim, der für die Verteilerregion Südwest zuständig ist, etwa fünf Prozent der Asylsuchenden nach Rheinland-Pfalz.

Immerhin könnten die Menschen zumindest in geheizten Hallen in Empfang genommen werden: „Sie sind wenigstens warm und trocken. In Nordrhein-Westfalen und Hessen gibt es nicht immer eine Heizung.“

Trotz aller Mühen – die Situation ist angespannt und schwierig.

„Wir verhindern nur die Obdachlosigkeit“

Man wolle die Menschen aus den Zelten bekommen: „Das wird trotzdem nicht klappen. Wir müssen auch über den Winter Zelte nutzen.“

Da die Zahlen konstant gestiegen seien, verhindere man lediglich nur noch die Obdachlosigkeit. Das sei kein Ruhmesblatt, aber: „Mehr schaffen wir nicht mehr.“

500 bis 800 Flüchtlinge kommen alle 24 Stunden in Sonderzügen in Rheinland-Pfalz an. Davon sei ein Drittel Kinder unter 16 Jahren.

Die rund 800 Personen pro Nacht (ungefähre Zahlen) – über 5.000 in einer Woche – müssten untergebracht werden. Irgendwie. Von den wöchentlichen 5.000 gibt das Land 1.000 an Kommunen ab.

Man müsse unbedingt verhindern, dass die Menschen auf der Straße blieben, sagte Zeimentz. Deshalb greife man auf alle verfügbaren Liegenschaften, Konversionsobjekte, alte Industrieanlagen und Ähnliches zurück. Sieben bis acht Immobilien besichtigt der „Führungsstab Flüchtlinge“ pro Woche.

Pläne für Herxheim

In Herxheim hat sich die Technologieanlage als geeignet erwiesen. Es gibt Wasser und Strom, auch der Brandschutz ist weitestgehend vorhanden. Ein paar bauliche Ertüchtigungsmaßnahmen müssen noch vorgenommen werden.

Im Inneren liegt eine größere Halle, umsäumt von kleineren ehemaligen Büroräumen, die von Familien mit Kindern belegt werden sollen.

Eingeteilt werden die Flüchtlinge in drei Gruppen: Familien, unbegleitete Kinder und Jugendliche und allein reisende Männer. Diese Gruppen werden in den Schlafräumen getrennt. Die Asylsuchenden bleiben in der Regel zwischen sechs und acht Wochen in einer Einrichtung, dann beginnt der Transfer in die Kommunen.

Die Betreuung vor Ort übernimmt das DRK. Man habe starke DRK-Ortsverbände im Kreis, betonte Landrätin Theresia Riedmaier.

Der Eigentümer hatte das 5.000-Quadratmeter-Anwesen dem Land angeboten und erhält laut Zeimentz eine ortsüblichen Gewerbemiete. Besonders Immobilieneigentümer seien oft sehr engagiert und fair.

Bei einer wiederholten Begehung am 27. Oktober wurde nochmals genau eruiert, wie die Kapazitäten im Technologiezentrum am besten genutzt werden können.

Eine Sache steht jedoch fest: Duschcontainer gibt es keine mehr in Deutschland. Deshalb soll ein Thermo-Zelt zur Hygiene dienen, in dem einzelne Duschkabinen abgetrennt sind. Mit den Betten sieht es momentan noch etwas besser aus. Vorgesehen sind eine Dusche für 25 Personen und eine Toilette für 15 Personen.

Zum Schutz der Flüchtlinge vor Übergriffen bewacht ein privater Sicherheitsdienst das umzäunte Gelände, das – wie Zeimentz betonte – natürlich kein Gefängnis sei. Die Bewohner könnten selbstverständlich die Einrichtung verlassen.

Ob die Polizeipräsenz im Ort verstärkt wird, konnte noch nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden. Es fänden noch Gespräche mit dem Innenministerium statt, so Riedmaier und Maurer.

Man könne aber davon ausgehen, dass die örtliche Polizei das Gelände und auch den Ort verstärkt im Blick behalten werde, ergänzte Zeimentz.

Versorgt werden die Neuankömmlinge mit drei Mahlzeiten täglich, die ein Catering-Unternehmen anliefert. Diese bestehen morgens und abends aus Lunchpaketen, zu Mittag gibt es eine warme Mahlzeit.

Auch eine Sanitätsstation soll auf dem Gelände eingerichtet werden. Ein Landesbediensteter wird als Lagerleiter fungieren.

Das DRK werde weitere hauptamtliche Stellen besetzen, sagte Theresia Riedmaier. Man sei aber nach wie vor auf ehrenamtliche Helfer angewiesen.

Informationsabend für Bürger

Einen Bürger-Informationsabend wird es auf alle Fälle geben. Der Termin steht noch nicht fest, soll aber rechtzeitg bekanntgegeben werden.

Dort sollen Fragen beantwortet, mögliche Bedenken erörtert und Strukturen für Helfer genannt werden, die derzeit aufgebaut und organisiert werden. Man wolle den Bürgern fundierte Antworten bieten können, so Riedmaier.

Ortsbürgermeister Franz-Ludwig Trauth versicherte ebenfalls, dass man alle Vorgänge offen und transparent mitteilen wolle. Bislang seien die Flüchtlinge stets dezentral untergebracht worden: „Nun ist es aber eine veränderte Situation.“

Verbandsbürgermeisterin Hedwig Braun sagte, sie bekomme viele Anfragen von Bürgern, von denen manche natürlich auch Ängste hätten, was angesichts der neuen Lage verständlich sei. „Deshalb informieren wir so schnell und offen wie es geht.“

Die Einrichtung soll voraussichtlich Mitte bis Ende November bezogen werden.

Positive Stimmen überwiegen

Die bisherigen Erfahrungen ließen hoffen, erklärten Michael Maurer und Rainer Zeimentz: „Vor Ort überwiegen bei weitem die positiven Stimmen.“ Die breite Mehrheit sei für Flüchtlinge und bemühten sich zu helfen.

Die Stimmung schlage regelmäßig positiv um „in dem Moment, wenn die Menschen da sind. Es sind keine bösen Kämpfer, sondern es sind die, die vor eben Jenen fliehen. Es sind sehr viele junge Familien dabei.“

Diese seien froh, erst einmal in Sicherheit zu sein, obwohl sie nun keine Privatsphäre mehr hätten „außer dem Beutel unter dem Bett.“

Man könne sich ja mit den Flüchtlingen unterhalten, sie ihre Geschichten erzählen lassen. Zeimentz und Maurer berichteten von einem siebenjährigen Jungen, der mitansehen musste, wie sein Vater geköpft wurde. Die Kinder in diesem Alter hätten nichts anderes als Krieg kennengelernt.

Trotz Krieg und Flucht seien die Menschen aufgeschlossen, die Familien jung und freundlich.

„Lassen Sie sich überraschen!“, empfehlen die beiden Flüchtlingsexperten. (cli)

Landrätin Theresia Riedmaier zur geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Herxheim:

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