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Erdogan proklamiert Sieg bei Referendum – Entsetzen bei Opposition – Europapolitiker Brok: „Nicht gleich alle Türen zumachen“

Erdogan hat seine Macht weiter ausgebaut. Foto: dts nachrichtenagentur [1]

Erdogan hat seine Macht weiter ausgebaut.
Foto: dts nachrichtenagentur

Ankara – Nach dem Referendum über eine Verfassungsreform in der Türkei hat Präsident Erdogan den Sieg für sein „Ja“-Lager proklamiert.

Er wird damit künftig deutlich erweiterte Befugnisse bekommen. Jeder sollte die Entscheidung der türkischen Nation respektieren, sagte Erdogan am Sonntagabend. Das gelte vor allem auch „für die türkischen Verbündeten“. Das Land werde nun die wichtigste Reform in seiner Geschichte angehen.

Als erste Aufgabe kündigte Erdogan am Abend in Istanbul an, die Einführung der Todesstrafe wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Kritik kam von der Opposition und aus dem Ausland: „Die Verfassungsänderung besiegelt das Ende von Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Parlamentarismus in der Türkei“, sagte FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff.

Mit der Entscheidung für den „Ein-Mann-Staat“ signalisiere Erdogan, dass er kein EU-Beitrittskandidat mehr sein wolle.

Die größte türkische Oppositionspartei CHP sprach unterdessen von Wahlmanipulation. Sie warf der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Weitergabe falscher Auszählungsergebnisse vor. Die HDP kündigte an, gegen das Ergebnis von zwei Dritteln der Wahlurnen Beschwerde einzulegen.

Nach offiziellen Angaben und nach Auszählung von 99,45 Prozent der Stimmen votierten 51,4 Prozent für die Verfassungsänderung und damit im Sinne Erdogans. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei rund 85 Prozent.

Foto: dts nachrichtenagentur [2]

Foto: dts nachrichtenagentur

Brok: Bei Einführung der Todesstrafe ist EU-Beitritt der Türkei gescheitert 

Elmar Brok (CDU), Außenexperte im Europäischen Parlament, hat die Türkei vor der Wiedereinführung der Todesstrafe gewarnt: „Dann ist der EU-Beitritt der Türkei gescheitert“, sagte Brok der „Welt“.

Der Ausgang des Referendums allein ist für Brok noch kein Grund, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei offiziell abzubrechen. „Man soll nicht Türen endgültig zuschlagen.“

Er verwies darauf, dass die Beitrittsgespräche seit einem halben Jahr wegen des von Erdogan ausgerufenen Notstands eingefroren seien, „und jetzt werden sie nicht weitergehen, weil die Bedingungen nicht mehr erfüllt sind“.

Brok, seit 1980 Mitglied des Europäischen Parlamentes und bis zum Januar 2017 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, wandte sich auch gegen Forderungen, die Rüstungskooperation mit der Türkei zu beenden oder die im Rahmen des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens angestrebte Visafreiheit auszusetzen.

Wegen des Referendums könne man nicht „gleich sämtliche Beziehungen zur Türkei abbrechen. Mit einem totalen Bruch würden wir uns an der anderen Hälfte der türkischen Bevölkerung versündigen, die mit Nein gestimmt hat.“

Die Visafreiheit sei derzeit schwierig auszuhandeln. Aber wenn sie käme, bringe sie auch für Deutschland mehr Sicherheit, sagte Brok. „Denn sie ist an fälschungssichere biometrische Pässe und an die zwingende Prüfung des individuellen Aufenthaltsstatus nach drei Monaten geknüpft. Wir wissen dann also sehr genau, wer zu uns kommt.“ (dts nachrichtenagentur)

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