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Diskussion über IGS Kandel: Polit-Krimi im Verbandsgemeinderat – Tauziehen um Gelder – Landrat lehnt Abstimmung ab – CDU: Falsch gezählt

Verbandsgemeinderat Kandel Sitzung 14.7.2016. Foto: pfalz-express.de/Licht [1]

Verbandsgemeinderat Kandel Sitzung 14.7.2016.
Foto: pfalz-express.de/Licht

Kandel – Der Verbandsgemeinderat stimmt in seiner gestrigen Sitzung (14. Juli) in Sachen IGS ab. Vorausgegangen war eine aufgeregt Diskussion über die Kostenbeteiligung der Verbandsgemeinde an dem geplanten Neubau.

Seit drei Jahren müssen Oberstufenschüler ihren Unterricht in Containern absitzen, nachdem bei einer Überprüfung im Jahr 2013 gravierende Brandschutz- und auch statische Mängel festgestellt wurden. Ein Neubau wurde als die wirtschaftlich günstigere Lösung ermittelt – seither zieht sich das Verfahren in die Länge. Kreis und Verbandsgemeinde werfen sich gegenseitig Verschleppung der Angelegenheit vor. Der Grund: Die Finanzierungsfrage.

Wer zahlt was?

Der Kreis verlangt von der Verbandsgemeinde eine Kostenbeteiligung von 90 Prozent des auf etwa 14 Millionen Euro geschätzten Neubaus (plus Kosten für eine Schulmensa, die von der Kreisverwaltung mit einem „groben Anhaltswert“ von 1,6 bis 1,8 Mio. Euro angesetzt wurde.)

Das stößt bei der Kandeler Verwaltung auf Unverständnis, denn die Schule wurde vor über 20 Jahren, am 1. Januar 1995, mit einem notariellen Vertrag dem Landkreis übereignet. Eine Kostenbeteiligung von 90 Prozent könne von der Verbandsgemeinde Kandel nicht erwartet und erst recht nicht eingefordert werden, sagte Verbandsbürgermeister Volker Poß. Ein Rechtsanspruch hierauf bestehe nicht. Eine mögliche Zahlung stelle ausschließlich eine freiwillige Leistung dar.

Die Verbandsgemeinde Kandel hatte im September 1995 eine erste Zahlung an den Landkreis von 1,3 Millionen DM geleistet, die 1999 um weitere 2 Millionen DM aufgestockt wurden. Mit diesen Mitteln sollten die baulichen Mängel vom Landkreis beseitigt und die notwendigen Sanierungen finanziert werden. Diese habe der Kreis offenbar aber nicht durchgeführt, sagte Poß.

Vielmehr habe der Kreis in den zurückliegenden Jahren die zumindest seit Vorliegen des Gutachtens (1998) bekannten und gravierenden Mängel beim Brandschutz in „grober Fahrlässigkeit unberücksichtigt gelassen“ und erst vor drei Jahren durch die Schließung der alten Gebäudetrakte reagiert.

Wäre zum damaligen Zeitpunkt eine umfassende Sanierung und Mängelbeseitigung vorgenommen worden, hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit der im Januar 2013 angeordneten  Schließung der Klassenräume nicht bedurft. Die jetzt erforderliche Neubaumaßnahme wäre in weiten Teilen entbehrlich gewesen, so Poß.

Auch die Berufung des Kreises auf die IGSen in Rheinzabern, Wörth und Rülzheim, wo sich die Stadt/Gemeinden mit 90 Prozent an den Kosten beteiligt hatten, sei mit der Kandeler Situation nicht vergleichbar.

Ausgangspunkt dort sei gewesen, dass die jeweilige IGS neu eingerichtet worden sei, die IGS in Kandel aber schon 1994 den Schulbetrieb aufgenommen habe und seit dieser Zeit in der Trägerschaft und somit auch in der Baulastverpflichtung des Landkreises stehe.

Poß plädierte darum, in der Diskussion mit dem Kreis auf eine sachliche Ebene zurückzukehren. Tatsache sei jedoch, dass bereits im Beweisgutachten von 1998 unter anderem „gravierende Beanstandungen innerhalb des Brandschutzes“ dokumentiert worden seien.

Europaweite Ausschreibung dauert Monate

Ein weiteres Problem ist die bei diesen Größenordnungen vorgeschriebene Europäische Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs. Dieser soll laut Kreistagsbeschluss aber erst starten, wenn die Verbandsgemeinde Kandel eine Zusage einer Kostenbeteiligung zusichert. Der Wettbewerb an sich dauert schon neun Monate – wieder eine beachtliche zeitliche Verzögerung. Mit der Vorbereitung wurde das Neustadter Büro Neustadt Becker und Ritzmann beauftragt, das dafür rund zwei Monate benötigt.

Seitens des Landkreises bestehe keine Bereitschaft, planerisch in Vorleistung zu treten und den Realisierungswettbewerb vorab zu beginnen, so Poß. In Kandel wollte man aber bislang nicht „ins Blaue“ hinein ohne genaue Kenntnis der Kosten irgendwelche Zusagen machen – eine Patt-Situation.

Der Kompromiss…

Das sich auf der Verbandsgemeinderatssitzung alle einig waren, dass in der IGS schnellstmöglich Abhilfe geschaffen werden muss, hatte Poß einen in den Ausschüssen erarbeiteten Kompromissvorschlag unterbreitet:

Gesamtkosten Abbruch/Neubau IGS ohne Mensa grob geschätzt 14.000.000 Euro, davon anteilige Kosten Sekundarstufe 1 10.000.000 Euro, abzüglich eines möglichen Landeszuschusses von erhofften und geschätzten 32,5 Prozent (3.250.000 ) ergäben verbleibende 6.750.000 Euro.

Davon würden die Verbandsgemeinde Kandel 50 Prozent übernehmen, in Zahlen: 3.375.000 Euro.

Die bereits geleistete Zahlungen von 1995/1996 und 1998 will man ebenfalls 50-prozentig abziehen (1,7 Mio. Euro, davon 50 Prozent = 850.000 Euro). Damit verbliebe eine Kostenbeteiligung der VG Kandel von 2.525.000 Euro.

Diesen Kompromiss könne man eingehen, sagte Volker Poß. Die Zahlen würden vermutlich dann Zug und Zug im Rahmen des Baufortschritts überwiesen: „Wir reden hier über einen Baubeginn 2019 oder 2020.“

„Wir werden erpresst“

Dem Vorschlag schloss sich eine erregte Debatte an.

CDU-Fraktionsvorsitzender Josef Vollmer sagte, man müsse die Vergangenheit „auch mal ruhen lassen“. Sonst kämen die Schüler wieder in die Warteschleife – gerade in Hinblick auf die neuen Baugebiete müsse man etwas bieten. Deshalb würde man dem Kompromiss zustimmen unter dem Vorbehalt, dass der Landeszuschuss tatsächlich gewährt würde. Andernfalls beantragte Vollmer weitere Gespräche.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Varnay war nicht bereit, den „Kopf hinzuhalten“: Es sei nichts am Brandschutz gemacht worden, wofür das Geld in den 90ern ja eigentlich überwiesen worden sei. „Wir bleiben bei den 2,5 Millionen“, so Varnay.

Monika Schmerbeck (CDU) hatte „Bauchschmerzen“ bei dem Gedanken, über einen „Betrag X“ abzustimmen. Als Beigeordnete der Stadt Kandel müsse sie auch in dieser Funktion mit abstimmen. Die Stadt sei aber mit 12 Millionen hoch verschuldet.

Peter Fuhr von der Linken war dafür: „Wir setzen ein Zeichen in Richtig Kreisverwaltung.“

Beigeordneter Norbert Knauber warf ein, dass Verfahren in Deutschland sehr zeitintensiv seien (Der Berliner Flughafen lässt grüßen“). Die Ausgabe schmerze, aber: „Sie wird uns finanziell nicht über den Haufen werfen, wir können das hinbekommen, möglicherweise mit einer Umschichtung.“

Verärgert zeigte sich Martin Volz (FWG): „Man hat uns Pistole auf die Brust gesetzt, alle werden mit der Angst konfrontiert. Wenn wir nichts tun, sind wir die Bösen und die IGS wird geschlossen.“ Man werde die Summe mittragen, aber das Verhalten der Kreisverwaltung störe ihn sehr. Verbandsbürgermeister Poß spreche er ausdrücklich sein vollstes Vertrauen aus.

Einen drauf setzte Klaus Böhm (SPD): Lautstark warf er Landrat Dr. Fritz Brechtel vor, den Schulstandort Kandel zu vernachlässigen, und brachte die Wahlen zum Verbandsbürgermeister im September ins Spiel: Böhm mutmaßte, der CDU-Mann Brechtel wolle mit Druck auf den SPD-Bürgermeister Poß die Wahlen indirekt beeinflussen: „Ein Schelm, der Böses dabei denkt.“

Und weiter: Der Landrat wolle bestehende Verträge nicht einhalten und die VG Kandel in die Enge treiben. Man könne ja erst die Bezuschussung beantragen, wenn ein Raumprogramm vorliege. Aber man müsse den Streit beenden und deshalb trage auch er die vorgeschlagene Summe mit.

Noch direkter äußerte sich Markus Schowalter (FDP), der sogar von Erpressung sprach. Dennoch stimme er dem Kompromiss zu, „auch wenn der ganze Vorgang absolut nicht korrekt ist.“

Rainer Zimmermann und Ursula Wagner (Grüne) schlossen sich ebenfalls dem Kompromiss an: „Die Schule ist enorm wichtig, auch für die Verbandsgemeinde und die Stadt.“ Man müsse den Knoten lösen: „Wer etwas will, findet Wege.“

Der Steinweilerer Ortsbürgermister Michael Detzel indes verteidigte den Landrat und die Kreisverwaltung gegen die Vorwürfe Böhms: Es gebe keine Beispiele für die Anschuldigungen. Im Gegenteil, man habe sich in Germersheim immer stark gemacht für den Schulstandort Kandel.

Tielebörger: „Ende der Fahnenstange

Unter den Zuschauern war auch der Kandeler Stadtbürgermeister Günther Tielebörger, der vor 20 Jahren den Deal mit der Kreisverwaltung abgewickelt hatte.

Auch er argumentierte recht emotional: In den 90ern habe es dieselbe Diskussion gegeben. Vereinbart worden sei ein gedeckelter Betrag. Außerdem gebe es einen Vertrag – „mit Siegel“ – dass der Kreis keine weiteren Kosten erheben würde.

Der Landrat sei nie auf die Idee gekommen, für andere Schulbauten Beteiligungen der Gemeinden einzufordern. Außerdem habe er es „pflichtwidrig“ unterlassen, die Gelder, die er bekommen habe, für den Brandschutz auszugeben, sagte Tielbörger.

Die Turnhalle der IGS sei ohne Probleme neu gebaut worden: „Warum also zum jetzigen Zeitpunkt der Antrag? Natürlich hat das etwas mit der Wahl (Verbandsbürgermeisterwahl, Anm.d.Red.) zu tun.“ Nach der Wahl sehe alles ganz anders aus, meint Tielebörger, „denn der Landrat will im nächsten Jahr auch wieder gewählt werden.“

Der alte Vertrag sei wasserdicht, aber mit dem Kreistagsbeschluss sei eine Tür aufgemacht worden und nun sei man erpressbar: „Jetzt ist Ende der Fahnenstange.“

Diese Äußerungen riefen Michael Gaudier (CDU) auf den Plan: Immer wieder werde der „böse Landrat“ erwähnt, aber: „Er setzt nur den einstimmigen Beschluss um, an dem auch die SPD-Fraktion beteiligt war.

Abstimmungswirrwarr

Am Ende wurde ein weitergehender Antrag von Josef Vollmer (CDU) abgelehnt. Eine Pauschale von 2,5 Millionen plus die Bereitschaft einer erneuten Beratung in den Gremien, falls der Landeszuschuss ausbleibt, und maximal gedeckelt bei  4, 1 Millionen.

Am nächsten Tag zweifelte die CDU-Verbandsgemeindefraktion das Abstimmungsergebnis an. Vollmer hat dazu bei Bürgermeister Poß und dem Schriftführer der Sitzung seine Beschwerde schriftlich eingereicht.

Der von der CDU-Fraktion eingebrachte Antrag wurde nach Zählweise von Bürgermeister Poß mit 11 Ja-Stimmen, 13-Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen abgelehnt.

Tatsächlich seien aber zum Zeitpunkt der Abstimmung 29 stimmberechtigte Ratsmitglieder und Bürgermeister Poß anwesend gewesen.

Der von der CDU-Fraktion eingebrachte Antrag hat nach Zählweise von Josef Vollmer 14 Ja-Stimmen , 13 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen erhalten. Der im 2. Antrag gefasste Beschluss müsse ausgesetzt werden und die Beschlussfassung des 1. Antrags wiederholt werden, so Vollmer.

Brechtel: „Nicht an Absprache gehalten“ – Abstimmung abgelehnt

Auch Landrat Dr. Fritz Brechtel meldete sich heute in einer Mitteilung zu Wort: Er bedauere den mit knapper SPD-Mehrheit gefassten Beschluss des Verbandsgemeinderats Kandel, dem zuvor mit Bürgermeister Volker Poß gemeinsam entwickelten Kompromissvorschlag zur Finanzierung des Neubaus der IGS Kandel nicht zu folgen.

Denn wenige Tage zuvor habe man sich bei einem Gespräch, an dem auch die Beigeordneten von Verbandsgemeinde und Landkreis teilnahmen, auf eine gemeinsame Lösung zur Finanzierung des IGS Neubaus verständigt. An den erwarteten 14 Millionen Gesamtkosten sollte sich die Verbandsgemeinde, abhängig vom Landeszuschuss, mit 2,5 bis maximal 4,1 Mio. Euro beteiligen Alle Gesprächsteilnehmer hätten dieser Lösung zugestimmt und wollten in ihren Fraktionen dafür eintreten.

Leider habe die SPD Kandel gegen diesen Vorschlag gestimmt. „Bedauerlicherweise haben auch Bürgermeister Poß und die Beigeordnete Jordan entgegen ihrer Zusage gegen die mit ihnen gemeinsam entwickelte Lösung gestimmt und damit die äußerst knappe Mehrheit erst möglich gemacht“, so Brechtel.

„Die Ablehnung ist schade, denn dieser Kompromissvorschlag wäre in meinen Augen eine tragfähige Grundlage zur Finanzierung der IGS Kandel gewesen, der auch den Anforderungen des Kreistags entsprochen hätte“, so der Landrat. „Zum Verständnis muss man wissen, dass die Restfinanzierung des Schulneubaus, aktuell ca. 11,5 Mio. Euro ohne Landeszuschuss, beim Landkreis verbleibt, der sich wiederum Großteils über die Kreisumlage von den Gemeinden refinanziert.“

Das bedeute, dass alle Gemeinden im Kreis den Neubau der IGS Kandel mitfinanzieren müssten, selbst die Gemeinden, die bereits ihre eigene IGS  finanziert hätten.

„Vor diesem Hintergrund hatte der Kreistag einstimmig gefordert, dass sich die Verbandsgemeinde Kandel an der Finanzierung beteiligen solle, „vergleichbar wie die anderen IGS-Gemeinden, so Brechtel. (cli)

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