SÜW. Vor ein paar Tagen feierte die Südpfalzwerkstatt ihren 40. Geburtstag mit einer Feier und einem Tag mit einem bunten Programm und vielen Angeboten für die Besucher. Auch Georg Rothöhler, 1. Vorsitzender des Vereins Lebenshilfe Landau-SÜW, erinnerte sich beim Festakt gerne als Zeitzeuge an die Anfänge der Lebenshilfe vor 50 Jahren und die Gründung der Südpfalzwerkstatt zehn Jahre später.
Im Pfalz-Express-Interview (PEX) wird er noch einmal konkreter.
PEX: Landrätin Riedmaier hat Sie einmal „Kämpfer in der Sache“ genannt. Was war denn Ihr größter Kampf?
GR: Vieles, was in den letzten 40 Jahren entstand , war neu und alles musste neu erkämpft werden. Die größte Herausforderung war sicher die Gründung der Südpfalzwerkstatt- GmbH : es mussten drei Kommunen und zwei Lebenshilfevereine zusammengebracht werden und es waren viele Vorbehalte und auch viel Misstrauen zu überwinden. Gott sei Dank waren fast alle Kämpfe schließlich erfolgreich.
PEX: Die Lebenshilfe wurde vor 50 Jahren gegründet. Sie sind nun 1.Vorsitzender. Erzählen Sie uns von damals und Ihrer familiären Situation?
GR: Der Verein wurde vor 50 Jahren gegründet. Vor 42 Jahren, Mitte November 1973, bin ich zur LH gekommen und am 23.November 1973 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden, im Jahr 1986 zum Vorsitzenden. Ich war in dieser Zeit Dezernent des Landkreises SÜW für Jugend, Soziales und Gesundheit sowie das Bauwesen; ich bin verheiratet und habe drei Kinder, die damals noch zur Schule gingen. Meine ehrenamtliche Tätigkeit hat mich sehr viel Zeit gekostet, vor allem an den Abenden und am Wochenende und meine Familie musste oft auf mich verzichten. In den ersten Jahren waren auch Vorbehalte in der Bevölkerung zu erkennen, wenn es z.B. um den Bau von Wohnheimplätzen in der Nachbarschaft ging . Oft war eine gewisse Angst erkennbar, die dann abnahm, wenn erste Kontakte auch mit behinderten Menschen entstanden.
PEX: Die Lebenshilfe unterteilt sich ja in Konrad Lerch-Wohnheim GmbH, Förderkindergarten Südpfalz, Südpfalzwerkstatt, Offene Hilfen und Integrationsunternehmen (Cap-Markt und Hotel Kurpfalz). Hätten Sie gedacht damals, dass die Lebenshilfe solche Dimensionen annehmen würde?
GR: Niemand hat sich zu Anfang vorstellen können , dass ein relativ kleiner und auch unbedeutender Verein, eine Selbsthilfe-Gemeinschaft, solche Bedeutung bekommen könnte . Es ist wie ein Traum, den man damals gar nicht zu träumen gewagt hat.
PEX: Haben Sie denn alle Bereiche abgedeckt?
GR: Die LH deckt nicht alle inhaltlichen Bereiche für geistig behinderte Mitbürger ab.
In Absprache mit den öffentliche Kostenträgern und anderen Anbietern wird das Angebot an Tagesförderplätzen für Mehrfachschwerstbehinderte und auch die Frühförderung von andern freigemeinnützigen Trägern aus der Region vorgehalten.
Aber , was das regionale Angebot angeht, gibt es doch noch etwas zu tun. Es ist uns leider trotz hohem personellen und finanziellen Einsatz nicht gelungen , unser Projekt in Edenkoben , also im Nordteil des Landkreises durchzuführen und einen integrativen Kindergarten zu eröffnen, so dass dieses Angebot, das gerade für kleinere Kinder so außerordentlich wichtig ist, nicht zum Tragen kam, und die behinderten Kinder dort weite Fahrtstrecken in Kauf nehmen müssen.
PEX: Wie haben sich denn die Bedürfnisse in der Lebenshilfe gewandelt seit damals?
GR: Während früher weitgehend institutionelle Hilfe gefordert war, stehen heute die erforderlichen Einrichtungen weitgehend zur Verfügung. Heute liegt ein Schwerpunkt auf den ambulanten Angeboten, insbesondere bei der Hilfe zur weitgehenden Integration und auch Inklusion in den Bereichen Kindergarten, Schule und Arbeit.
PEX: Sie führten ja bei der Geburtstagsfeier ein leidenschaftliches Plädoyer für die Arbeitsbedingungen in der Südpfalzwerkstatt. Wie weit kann denn Inklusion in allgemeiner Schule und „normalem“ Arbeitsplatz gehen?
GR: Die Inklusion ist für uns ein oberstes Ziel. Wir haben über 50 Integrationshelfer beschäftigt, die behinderte Kinder in Kindergärten, Schulen , auch weiterführende Schulen begleiten.
Wir haben zwei große integrative Kindergärten, wir haben ein eigenes Integrationsmanagement in der Werkstatt, das behinderte Menschen auf den freien Arbeitsmarkt begleitet und wir haben zwei Integrationsbetriebe, in denen behindere und nicht behinderte Menschen zusammen gleichberechtigt arbeiten. D.h. wir wollen jedem behinderten Menschen das für ihn größtmögliche Maß an Inklusion anbieten und ermöglichen.
So wie aber im Bildungsbereich der jeweilige Schulweg auch eines nicht behinderten Menschen von den ganz individuellen Fähigkeiten abhängt, so ist gerade auch im Arbeitsbereich die Möglichkeit der Beschäftigung auf dem freien Arbeitsmarkt auch von den individuellen und ganz persönlichen Fähigkeiten eines behinderten Menschen abhängig.
Unsere über 850 behinderten Mitarbeiter leisten im Rahmen ihrer jeweiligen persönlichen Fähigkeiten hervorragende Arbeit, sie sind für ihre Leistungen anerkannt und wissen dies auch. Sie haben bei uns ihren Lebensmittelpunkt und ihre Freunde. Ihre Arbeit ist nicht nur Beschäftigung, sie hat einen wirtschaftlichen Effekt und somit einen Sinn. Das ist für das Selbstwertgefühl außerordentlich wichtig.
Auf dem freien Arbeitsmarkt werden die meisten unserer behinderten Mitarbeiter dies nicht erreichen. Wir wissen dies, weil wir mit großer personeller Unterstützung immer wieder neue Versuche der Eingliederung mit einzelnen Mitarbeitern machen und leider erfahren, dass dies nur in einigen wenigen Fällen gelingt. Jeder Versuch ist für den Betroffenen eine große Herausforderung, und es ist schmerzhaft, wenn er fehlschlägt.
Leider wird immer wieder der Eindruck erweckt, als sei jeder behinderte Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte integrierbar in eine private oder öffentliche Firma oder Einrichtung. Dies ist sicher für Körperbehinderte weitgehend möglich und ein dort wichtiges Ziel der Inklusion. Für die bei uns arbeitenden Mitarbeiter ist dies oft nicht möglich. Für sie ist die Werkstatt in der heutigen Form der beste Weg einer gemeinsamen Inklusion in die Arbeitswelt, einer Arbeitswelt, in der sie gemeinsam anerkannt sind und in der sie gemeinsam etwas leisten und sich auch dabei zuhause fühlen.
PEX: Wie wichtig ist eigentlich der Sport für die „Lebenshilfler“? Mit den Judokas haben Sie ja bei den Special Olympics einige Eisen im Feuer, oder?
GR: Im Rahmen des arbeitsbegleitenden Dienstes hat neben vielen andern Angeboten, der Sport eine große Bedeutung.Wir haben Gruppen, die Schwimmsport betreiben, Tischtennis spielen, Rad fahren, Tanzsport ausüben. Wir haben eine hervorragende Fußballmannschaft, und wir sind stolz auf unsere Judoka. Der Sport ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in der Werkstatt.
PEX: Wie kann die Politik verstärkt Unterstützung bieten?
GR: Wir haben einen großen Rückhalt und großes Verständnis bei unseren regionalen Politikern.
Ich würde mir wünschen, dass dies auch in anderen Regionen so wäre, und ich wünsche mir, dass mehr noch als bisher die Mitbürger die Gelegenheit nehmen, z.B. an Tagen der offenen Tür sich einmal selbst zu überzeugen, was unsere Mitarbeiter in der Werkstatt leisten und wie wohl sie sich bei ihrer Arbeit fühlen. (desa)