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Aus für Billigfleisch? – Was Aldis Abkehr vom Billigfleisch bedeutet

Symbolfoto: Pfalz-Express

Für die Firmen Aldi Nord und Aldi Süd ist 2021 die Stunde gekommen, eine Revolution anzukündigen.

Bis 2030 sollen die beiden Unternehmen in ihrem Fleischsortiment nur noch die Haltungsstufen 3 und 4 anbieten. Damit wird der Massentierhaltung erstmals auch von Seiten der Supermarktketten aktiv der Markt entzogen. Ein kühner Schritt, der unter anderem von niemand Geringerem als der Organisation Greenpeace mit Applaus begrüßt wird. Wie kam es dazu?

Bereits seit April 2019 können Verbraucherinnen und Verbraucher in bestimmten Supermärkten Fleisch nach verschiedenen Haltungskategorien kaufen. Folgende Stufen wurden hierbei festgelegt:

• Stufe 1: die reine Stallhaltung, im Volksmund häufig als Billigfleisch bezeichnet.
• Stufe 2: eine Stallhaltung mit höheren Tierschutzmaßnahmen
• Stufe 3: eine Stallhaltung mit Außenbereich
• Premium-Stufe 4: bringt den Tieren noch mehr Platz in Stall und Außengehege. Auch Bio-Fleisch ist in dieser Kategorie zu finden.

Nicht alle Supermarktketten in Deutschland beteiligen sich bislang an dieser von der Initiative Tierwohl (kurz: ITW) gegründeten Kennzeichnung. Einige der Vorreiter waren jedoch auch hier die beiden Schwesterfirmen Aldi Nord und Aldi Süd, die diese Kennzeichnung freiwillig bei sich einführten, was damals jedoch nur als ein zahnloses Zeichen verstanden wurde.

Die Initiative wurde als wenig nützliches Label angesehen, das die Produkte nicht aus den Regalen holt, sondern lediglich für den Verbraucher kenntlich macht.

Dadurch wurde die Verantwortung weiter dem Verbraucher übertragen. Auch die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die ansonsten eher der Wirtschaft zugewandt argumentiert, betrachtete die Kennzeichnung nur als “Sortiersystem” und damit als wenig aussagekräftig. Dazu kommt, dass die Kennzeichnung, die nicht von staatlicher Seite eingeführt wurde, wie im Vergleich etwa das Bio-Siegel, im Ermessen der Supermarktketten liegt.

Der Trend geht zu Bioprodukten

Bis 2020 ist der Verkauf von Fleisch von vormals 7,7 Millionen auf 7 Millionen Tonnen gesunken. Der Biofleisch-Konsum hingegen stieg gleichzeitig deutlich an. Daran ist erkennbar, dass immer mehr Konsumenten auf Fleisch verzichten und wenn nicht, dann auf Biofleisch umsteigen. Dieser Umschwung auf eine ökologische Ernährung ist auch bei anderen Nahrungsmitteln erkennbar. 2020 selbst wurden noch nie so viele Bioprodukte gekauft wie zuvor und das in einem Jahr, das von Zukunftsangst und Kurzarbeit geprägt war, in dem viele Verbraucher den Gürtel deutlich enger schnallen mussten.

Doch der Trend zu einer ökologischen Ernährung kommt nicht von ungefähr. Durch die vielen Skandale rund um das Thema Tierhaltung haben viele Menschen das Vertrauen in die Fleischindustrie verloren.

Auch die Pandemie verschärfte den Vertrauensverlust. Der Ausbruch von Covid-19 wird im Zusammenhang mit einem Fleischskandal gesehen. Und als schließlich auch die skandalösen Zustände der fleischverarbeitenden Betriebe (Stichwort: Tönnies) mitsamt Corona-Ausbrüchen publik wurden, konnte auch hierzulande niemand mehr mit gutem Gewissen billiges Fleisch konsumieren.

Erfolgsmodell Bio-Siegel

Auf der anderen Seite sorgten die Einführung des Bio-Siegels und schließlich auch solche Projekte wie die Tierwohlinitiative für eine bessere Sichtbarkeit von ökologischer Landwirtschaft in den Supermärkten, die sich ebenfalls auf das neue Kaufverhalten der Konsumenten auswirkte. Wer beim Kauf sehen kann, für welche Tierhaltung er oder sie sich entscheidet, greift schneller zum Bioprodukt. Das Gewissen der Verbraucher wurde damit nachhaltig angesprochen.

Sogar beim Thema Fisch, das bislang noch kein Siegel hervorbringen konnte, das dem des Bio-Siegels der Bundesregierung gleichkommt, wird seither mehr auf die Herkunft geachtet. Das sieht man zum Beispiel bei der Debatte um das MSC-Siegel, das derzeit stark in die Kritik geraten ist.

Durch die belasteten Meere wird momentan sogar ganz vom Verzehr von Meerestieren abgeraten, weshalb sich Liebhaber ozeanischer Welten die faszinierenden Wesen lieber in Spielen wie Fishing Frenzy [1] anschauen sollten.

Beim Glücksspiel in einem Internet Casino tun Sie mehr für die Umwelt als beim Kauf von Lachs und Makrele im Supermarkt, wenn man die Berichte über den Zustand der Meere verfolgt.

Bis 2030 nur noch Premium-Fleisch

Mit der Ankündigung von Aldi Süd und Nord, nunmehr ganz aus dem Verkauf von dem billigsten aller Fleischprodukte auszusteigen, wurde ein neuer Schritt getan. Branchenkenner mutmaßen, dass Lidl und andere Supermarktketten diesem Beispiel bald folgen werden, denn die Meinung des Discounters zählt in der Branche. Schließlich haben die Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht das Discount-Prinzip in Deutschland erfunden. Sie waren die ersten, die Billigfleisch und andere Produkte von Tieren zu Dumping-Preisen anbieten konnten und damit Milliarden machten.

Dass jetzt ausgerechnet das Unternehmen, das vom Billigfleisch-Konsum mit am meisten profitierte, diesem Treiben ein Ende bereiten will, kann wohl kaum nur am ökologischen Gewissen der Betreiber liegen.

Viel eher wittern die Konzerne auch hier ein Milliardengeschäft. Laut Firmenseite zählt Aldi Süd mittlerweile über 450 Bioprodukte im Sortiment [2], ein Zuwachs um 100 neue Produkte allein im Jahr 2020, und das trotz allgemein sinkender Verkaufszahlen im ersten Corona-Jahr.

Der Schritt ist somit vor allem aus ökonomischem Interesse der Firmen gegangen worden. Dass er jedoch trotzdem Auswirkungen auf den Konsum von sogenanntem Billigfleisch insgesamt hat, zeigen die Antworten vieler anderer Ketten, die ebenfalls nachziehen wollen. Aldi Nord und Süd haben damit eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die sich auf die ganze Branche ausbreitet, zumindest was Deutschland angeht.

Denn der Trend hört bislang an den Landesgrenzen auf. Österreichische Konzerne wie Hofer, Spar und Rewe Österreich, dessen Fleischwirtschaft eng mit der deutschen verknüpft ist, haben bereits verlauten lassen, dass ein Ausstieg aus dem Billigfleisch nicht geplant sei.

So hat eine Recherche von oekoreich deutlich gemacht, dass die österreichischen Konzerne die Verantwortung des Kaufs weiter beim Konsumenten sehen. Es wird vermutlich abgewartet, ob das deutsche Modell mehr als nur ein intelligenter Marketing-Coup der Aldi Gruppe ist und auch weiterhin hohe Profite garantiert.

Tierwohlabgabe

In Deutschland wird derweil bereits der nächste Schritt eingeläutet. Eine Expertenkommission zum Thema Tierschutz unter der Schirmherrschaft des Ex-Agrarministers Jochen Borchert stellte im Februar dazu ein neues Modell vor. So sollen die Standards in deutschen Ställen bis 2040 erhöht werden. Um die dazu nötigen Umbauten nicht allein den Landwirten aufzubürden, soll eine sogenannte Tierwohlabgabe [3] eingeführt werden. Die würde etwa 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und etwa zwei Cent pro Liter Milch und Milchprodukte bedeuten.

Der Bundestag verabschiedete Anfang Juli die Umsetzung des Konzepts. Die Tierwohlabgabe wird also kommen. Ein bedeutender Schritt, der nicht zuletzt mit dem Ausstieg von Aldi tatsächlich echte Veränderungen bringen kann.

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