- Pfalz-Express - https://www.pfalz-express.de -

Appell zum respektvollen Umgang: Landrat Brechtel: „Kreisverwaltung vertritt geltendes Recht und verhält sich neutral“

Landauer Straße in Kandel am 3. November 2018.
Foto: Pfalz-Express

Kreis Germersheim – Die Kreisverwaltung hat sich in einer Pressemitteilung zu den Vorkommnissen während der Demonstrationen in Kandel am 3. November geäußert.

Im Vorfeld hatte es viel Missmut darüber gegeben, dass kleinere Mahnwachen weitab vom eigentlichen Geschehen platziert wurden. Eine spontane „Solidarisierungskundgebung“ von Parteifreunden und Bündnis-Vertretern am Haus von Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD) endete mit der Auflösung, als zwei Kripo-Beamte Kenntnis von einem „Verstoß gegen das Versammlungsrecht“ erhielten.

Die Empörung ist groß, sieht man dadurch doch vielerorts in der Maßnahme eine Schikane von behördlicher Seite. Man habe sich auf einem privaten Grundstück befunden, so die Argumente der konsternierten Teilnehmer.

Der Pfalz-Express hat zu dem Geschehen am Montag eine offizielle Anfrage an die Kreisverwaltung gestellt, die Antworten stehen derzeit noch aus.

„Demonstrationen müssen angezeigt werden“

Unterdessen hat die Kreisverwaltung mitgeteilt, dass „die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht ist, für dessen Ausübung keine Genehmigung erteilt werden muss. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug veranstalten möchte, muss dies grundsätzlich bei der zuständigen Behörde anmelden. Dies gilt für jedermann und somit natürlich auch für Mandatsträger. In Rheinland-Pfalz muss diese Anmeldung bei der Kreisverwaltung erfolgen.“

Landrat Dr. Fritz Brechtel appelliert an alle, sich an das für jeden gleichermaßen geltende Recht und Gesetz zu halten. „Wird eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder ein Aufzug ohne Anmeldung durchgeführt, ist dies nach § 26 Nr. 2 Versammlungsgesetz strafbewährt. Die strafrechtliche Prüfung und Verfolgung obliegt den Strafverfolgungsbehörden“, so Brechtel.

„Sobald Versammlungen im öffentlichen Raum (Gehweg, Straße, Verkehrsinseln usw.) stattfinden, gelten die vorgenannten Grundsätze. Sollten öffentliche Versammlungen ganz oder teilweise auf einer geplanten Aufzugsstrecke einer zuvor angemeldeten und bestätigten Versammlung stattfinden, darf diese Demonstration nicht zielgerichtet in der Wahrnehmung und Ausübung ihrer Versammlungsfreiheit gestört werden.“

Zum Versammlungsrecht

Weiter heißt es in der Meldung der Kreisverwaltung (im Wortlaut): „Durch die Anmeldung einer Versammlung – die spätestens 48-Stunden vor der Bekanntgabe zu erfolgen hat – wird die Behörde insbesondere in die Lage versetzt, Auflagen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu prüfen und vor einer Versammlung zu erlassen.

Die Behörde kann das Versammlungsrecht einschränken, muss dabei immer das mildeste Mittel wählen. Verbot oder Auflage sind nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der entsprechenden Verfügung klar zu erkennen ist, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch diese Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Es müssen konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

Behörde und Anmeldende sollen nach Versammlungsrecht und einschlägiger Rechtsprechung miteinander kooperieren. In der Regel weist die Versammlungsbehörde in Kooperationsgesprächen auf unterschiedliche Interessenslagen hin und sucht mit den Beteiligten nach Lösungen, um einen möglichst störungsfreien Verlauf zu gewährleisten. Es soll dabei ein Kompromiss gefunden werden, der allen Interessen/Beteiligten gerecht wird. Es ist dabei das Recht auf Durchführung einer Versammlung sowie das Recht auf Durchführung einer Gegen-Versammlung mit dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Ausgleich zu bringen.

Kooperationsgespräche können entfallen, wenn es aufgrund der Anzahl der Anmeldungen und/oder bei kurzfristigen Anmeldungen unmöglich ist, diese noch stattfinden zu lassen. Nach einer Anmeldung muss die Versammlungsbehörde für jede einzelne angemeldete Versammlung einen entsprechenden Bescheid erstellen, in dem u.a. alle Auflagen deutlich formuliert sind.

Die nötige Gefahrenprognose obliegt der Kreisverwaltung als Versammlungsbehörde. Dabei bedient sich die Kreisverwaltung des Sachverstands der Polizei. Die Leitung des Polizeieinsatzes am Tag der Versammlung/en obliegt der Polizei.

Kollidieren verschiedene Grundrechte oder stehen sich unterschiedliche Interessenslagen gegenüber, muss die Versammlungsbehörde abwägen und einen entsprechenden Kompromiss herbeiführen. Beeinträchtigte Rechte Dritter können dann in die Abwägung mit einfließen, wenn hierzu konkrete Tatsachen bekannt und nachgewiesen sind. Das BVerfG hat hierzu entschieden, dass solche Beeinträchtigungen, die typischerweise mit der Massenhaftigkeit der Ausübung der Versammlungsfreiheit einhergehen, von der Allgemeinheit ertragen werden müssen.“

„Sehen Probleme der Menschen in Kandel“

„Wir sehen die Problemlage der Menschen in Kandel“, schreibt Brechtel, „und wir wissen, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dort stark strapaziert wird. Die Stadt Kandel kann die Häufigkeit, aber auch die Anzahl an Demonstrationen kaum mehr ertragen. Die Menschen in Kandel sind stark beeinträchtigt und haben aus Angst vor den Demonstranten schon Veranstaltungen abgesagt. Auch Handel und Gewerbe sind betroffen.“

Appell zum respektvollen Umgang miteinander

Brechtel weist nochmals deutlich darauf hin, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Versammlungsbehörde neutral nach Recht und Gesetz handelten – nach Recht und Gesetz, das für alle gleichermaßen gelte: „Auch wenn Emotionen nicht ausgeschlossen werden können, so fordere ich dazu auf, sich gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung so zu verhalten, wie man es doch sicherlich in seiner eigenen guten Kinderstube mal beigebracht bekommen hat. Jedes Aufeinandertreffen, jedes Gespräch sollte wohl in einem sachlichen und respektvollen Miteinander stattfinden können!“

Auf der Homepage der Kreisverwaltung Germersheim gibt es Informationen zum Thema Versammlungen auf www.kreis-germersheim.de/versammlungsrecht [1].

Print Friendly, PDF & Email [2]