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Annweiler: Vier Bewerber wollen Stadtbürgermeister werden

Abweichend vom sonst Üblichen hatten sich die Kandidaten an die Tische zwischen die Bürger gesetzt und beantworteten von dort aus die Fragen. Hintere Reihe v.l.: Matthias Tönsmann, Dirk Müller-Erdle, Benjamin Burckschat, Carmen Winter, Benjamin Seyfried, Artur Bretz, Karl Martin Weißenbach (verdeckt). Vorne stehend: Walter Herzog.
Fotos (4): hi

Annweiler. Unter der Überschrift „Fokus Stadtentwicklung“ hatte der Verein Zukunft Annweiler eine Mitgliederdiskussion mit den drei Bürgermeisterkandidaten, Dirk Müller-Erdle (FWG), Benjamin Seyfried (parteilos), und Karl Martin Weißenbach (ebenfalls unabhängig), angekündigt.

Man habe ihnen dazu einige Themen übermittelt und wolle wissen, was sie für die Stadtentwicklung tun wollten.

Der Veranstaltungsraum im Café Escher war proppevoll. Zahlreiche Vereinsmitglieder und Interessenten sowie Stadtrats-Kandidaten aus allen Parteien waren gekommen. Darunter unter anderem auch die auf den vorderen Listenplätzen kandidierenden Benjamin Burckschat (CDU), Matthias Gröber (FWG), Emil Straßner (FDP), Wolfgang Karch (Grüne) und Anna Botham-Edighoffer (SPD).

Aus drei wird vier

Was die Anwesenden dann aber erlebten, war einigermaßen verwirrend. Nach der Begrüßung durch den Vereinsvorsitzenden, Walter Herzog, präsentierte das Moderatoren-Duo (Wolfgang Weiner, Walter Herzog) „vier unabhängige Kandidaten“, wie sie sagten. Im Verlauf der Frage-und-Antwort-Prozedur stellte sich allerdings heraus, dass der überraschend hinzugekommene Bürgermeisterkandidat, Matthias Tönsmann, AfD-Mitglied ist.

Finanzielle Spielräume für Stadtentwicklung?

Inwieweit die Aufmerksamkeit der Kandidaten darauf gerichtet sei, Fördermöglichkeiten auszuloten, um angesichts des defizitären Stadthaushalts finanzielle Spielräume zu schaffen, wurde von Michael Schindler gefragt.

Dazu Seyfried: „Stadtentwicklung kann auch heißen, mit einfachen Mitteln Abhilfe zu schaffen bei Problemen“.

Und dass man etwas bewegen kann, wenn der politische Wille da ist, sehe man am Beispiel Bad Bergzabern: „Die leisten sich eine eigene Personalstelle, damit sich die Verwaltung um die vielfältigen und undurchsichtig-verstreut liegenden Informationen zu allen möglichen Fördertöpfen kümmern kann“.

Müller-Erdle stimmte dem grundsätzlich zu, meinte aber: „Seien wir ehrlich, der  Haushalt bietet wenig Spielraum. Alleine durch sparen werden wir nicht weiter kommen. Vielmehr braucht es strukturelle Maßnahmen, Engagement und Kreativität.

Das Wichtigste aber wird sein, einen Plan zu entwickeln, wohin wir uns in Annweiler in den nächsten Jahren entwickeln wollen. Kurz-, mittel- und langfristig.

Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft solle künftig verstärkt in die Stadtentwicklung eingebunden werden, so Müller-Erdle weiter: „Ein zweites Scharfeneck darf in Zukunft nicht mehr passieren. Damit meine ich, dass sich Bürgermeister und Stadtrat mit innerstädtischen Gebäuden, welche zum Verkauf stehen, befassen und auch frühzeitig das Gespräch mit den Eigentümern suchen“.

Auch Karl Martin Weißenbach war sich mit den anderen Kandidaten darin einig, dass die Stadtverantwortlichen „mehr mit den Bürgern zusammenarbeiten müssen. Dann lässt sich auch mit wenig Geld viel erreichen. Ich bin Handwerker und kann die Schaufel auch selbst in die Hand nehmen“.

Müller-Erdle und Seyfried vertraten weitgehend übereinstimmende Positionen, als Dagmar Lange danach fragte, was die Kandidaten für die Stadtentwicklung tun würden, wenn sie – rein hypothetisch – das Geld dafür hätten.

„Keine Spielräume haben, heißt nicht“ so Müller-Erdle, „dass wir nicht doch auch investieren können“. Und weiter: „Was wir an finanziellen Mitteln haben, müssen wir so einsetzen, dass es auch was für die Bürger bringt“.

Seyfried setzte hinzu, dass es darum gehe, die Bürger daran zu beteiligen, wie die Stadt mit konkreten Projektideen umgehen wolle: „Das Wir-Gefühl muss wieder kommen, in unserer Stadt. Ich werde einen Beteiligungsleitfaden für Bürgerinnen und Bürger dazu gemeinsam mit dem Stadtrat entwickeln“.

Helmut Seebach aus Queichhambach wollte wissen, wie man sich eine Umänderung des Flächennutzungsplans vorstelle, um das Potential für die Entwicklung von Gewerbeflächen zu heben (siehe Bild).

Foto: hi

Dorothy Kennedy gab ihren Unmut kund, dass in diesem Zusammenhang immer wieder auf die „oberen Behörden“ verwiesen werde, ohne die man nichts machen könne.

Markward-Anlage. Und was die Bürger sonst noch alles erwarten

Wie es gelingen könne, die Markward-Anlage noch besser zu nutzen, und welche Erwartungen die Bürger an ihre Stadt hätten. Das war ein weiteres Thema, zu dem die Kandidaten sich äußern sollten.

Die vielfältigen Diskussionsbeiträge dazu zeigten, dass damit ein Nerv getroffen war. Christina Schramm beispielsweise regte an, das einstmals beliebte Open-Air-Kino, an das sich längst nicht mehr jeder erinnern kann, wieder zu beleben.

Und Dagmar Lange erwartete von dem neuen Bürgermeister, dass er sich auch um eine „ökologische Aufwertung des hinteren Bereichs bei Bindersbach“ kümmere: „Wir leben nicht nur in der Natur, wir leben mit der Natur“.

Edith Kurzmeier bemängelte, dass die Markwardanlage abends nicht ausreichend beleuchtet sei, was unangenehme Umstände nach sich ziehe. Iris Grötsch wollte von den Kandidaten wissen, wie sie dazu stehen, den dort vorhandenen Spielplatz wieder attraktiv zu gestalten.

Müller-Erdle ebenso wie Seyfried betonten, dass sie den Zustand der Markward-Anlage positiv sehen: „Der Park ist in einem Top-Zustand“, und: „so gut war der Zustand noch nie“. Dessenungeachtet müsse man darüber sprechen, was noch besser zu machen sei. Warum nicht mit dem Inhaber der „Pfalz-Lamas“, der ohnehin diese touristische Attraktion in Annweiler weiterentwickeln wolle, darüber sprechen, ob er auch die seit einiger Zeit vor sich hindämmernde Minigolf-Anlage betreiben wolle.

Tönsmann meinte, es ließen sich bestimmt einige Ideen umsetzen, wenn man dazu die verfassungsmässigen Instrumente von Bürgerentscheid und Bürgerbegehren anwende. Er sei für mehr direkte Demokratie. So hätte man beispielsweise auch über den RLP-Tag eine direktdemokratische Bügerbefragung herbeiführen müssen.

Ein besonderes Augenmerk hatte Seyfried auf den fließenden Verkehr rund um den Schwanenweiher. Fußgänger, die von der Innenstadt aus in die Markwardanlage laufen, seien vielfach verunsichert von den aus verschiedenen Richtungen kommenden Fahrzeugen. Kleinere bauliche Maßnahmen, Zebrastreifen o.ä. würden hier bereits spürbar zu mehr Verkehrssicherheit beitragen.

Foto: hi

Bürgerbefragung, Zusammenarbeit mit Vereinen, Jugendarbeit

Viel Übereinstimmendes war von den Bürgermeisterkandidaten auch über die Einbeziehung der Bürger in die Arbeit der stadtpolitischen Gremien zu hören, wobei den jüngeren Mitbürgern eine wichtige Rolle zukomme.

Seyfried: „Eines meiner großen Ziele ist die Wiederbelebung des Jugend-Stadtrats“.  Müller-Erdle betonte: „Es muss das Ziel sein, das Jugendhaus Lemon langfristig zu erhalten“. Auch eine Online-Übertragung von Stadtratssitzungen könne er sich vorstellen.

Dieses IT-technisch in Gang zu bringen, sei doch ein wunderbares Projekt für die Jungendarbeit im Lemon. Auf diese Weise könne man das Interesse der „Digital-Generation“ an der kommunalpolitischen Arbeit befördern.

Aus der Sicht der Kandidaten …

Wir haben bei den Bürgermeisterkandidaten nachgefragt, was sie aus der Diskussion mitgenommen hätten.

Benjamin Seyfried zog das Fazit: „Einmal mehr wurde deutlich, dass die Bürger viele Fragen haben, auf die sie vernünftige Antworten erwarten. Wir brauchen mehr und öfter solche Veranstaltungen. Nicht nur vor der Wahl, sondern auch nachher“.

Dirk Müller-Erdle resumierte: „Die Veranstaltung war eine sehr gute Sache. Das vom Veranstalter gewählte Format des offenen Dialogs ist ein Modell für die Zukunft. Ich habe – wie so oft – auch hier wieder erlebt, dass es viele gute Ideen in der Bevölkerung gibt, wie man unsere Stadt weiterentwickeln kann, damit sie noch schöner und lebendiger wird. Jede Idee dazu muss angehört, viele davon aufgenommen und vom Bürgermeister an die zuständigen Gremien weitergegeben werden. Wenn wir es schaffen, diese mit engagierten und fachkundige Bürgerinnen und Bürgern zu besetzten, dann können wir alle gemeinsam etwas für Annweiler und seine Ortsteile erreichen.

Andererseits aber gebietet es die Ehrlichkeit, auch zu sagen, dass manche Erwartungen, wie beispielsweise die Wiederbelegung eines Open-Air-Kinos in der Markward-Anlage, ohne einen Betreiber unrealistisch sind. Ob das aber durch ehrenamtliches Engagement leistbar wäre, sei einmal dahingestellt“.

Matthias Tönsmann kommentierte: „Der Abend hat gezeigt, dass es für die Wähler bei dieser Bürgermeisterwahl endlich eine echte Alternative gibt. Sie können sich entscheiden zwischen einem „weiter so“, mit einer leicht abgewandelten Öffentlichkeitsarbeit, oder sie entscheiden sich mit mir für einen echten Neuansatz, mit direktdemokratischer Innovation“. Von Karl Martin Weißenbach gab es dazu keine Äußerung. (hi)

Foto: hi

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