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Altmaier bestätigt private Nachricht von Böhmermann – Kritik an Bundesregierung wegen Intervention

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan: Ziel von deftiger Satire. Foto: pfalz-express.de/Licht [1]

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan: Ziel von deftiger Satire.
Foto: pfalz-express.de/Licht

Berlin – Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat bestätigt, dass der Satiriker Jan Böhmermann ihn wegen seines umstrittenen Erdogan-Gedichts um Beistand gebeten hat.

„Herr Böhmermann hat mir eine Direktmail übermittelt, die er selbst als privat und nicht öffentlich eingestuft hat“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Zuvor hatte der „Spiegel“ berichtet, dass nach seinen Informationen Böhmermann per Twitter Kontakt zum Kanzleramtschef aufgenommen, dieser aber nach einer kurzen Rückbestätigung nicht mehr wie versprochen ausführlich geantwortet habe.

Zum Gedicht sagte der Kanzleramtschef, „Herr Böhmermann hat selbst gesagt, dass seine Äußerungen über den türkischen Präsidenten als Schmähkritik zu verstehen sind, die in dieser Form gar nicht gestattet sei“.

Altmaier verteidigte die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Verständnis für die Klagen aus der Türkei gezeigt hatte. Gerade die Kanzlerin habe keinen Nachholbedarf, „wenn es um das Eintreten für unsere Werte geht“, sagte Altmaier.

„Nicht nur gegenüber der Türkei, sondern gegenüber vielen Ländern in der Welt.“ Er fügte hinzu: „Für uns war und ist die Pressefreiheit niemals verhandelbar.“

Der Berliner Historiker Hubertus Knabe hat die Bundesregierung dafür kritisiert, dass sie sich in die Debatte um ein Schmähgedicht des ZDF-Moderators Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eingemischt hat.

„Ich kenne den Text des Gedichtes nicht. Aber ich finde es höchst problematisch, wenn die Bundesregierung strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Satiriker befördert oder gar initiiert. Das gibt es sonst nur in Diktaturen oder in Staaten, die auf dem Weg dorthin sind“, sagte der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen dem „Handelsblatt“.

Auch die Grünen-Medienexpertin Tabea Rößner äußerte Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe „bewusst nicht wegen der `Extra 3`-Affäre den Kontakt zu Erdogan aufgenommen, und sich damit nicht persönlich vor unsere Grundrechte gestellt, sondern nur ihre Pressesprecher ritualisierte Bekenntnisse zur Pressefreiheit herbeten lassen“, sagte Rößner.

Im Falle Böhmermanns sei sie dann selbst aktiv geworden, obwohl das ZDF den Beitrag „als unpassend gelöscht“ hatte und nun möglicherweise Gerichte verhandeln werden.

„Wenn die Presse- und Kunstfreiheit für Merkel wirklich so wichtig wären, hätte sie diese Taten für sich sprechen lassen können, anstatt selbst zum Hörer zu greifen“, sagte Rößner.

Gesine Lötzsch, Vorsitzende des Haushaltsauschusses im Bundestag und Mitglied im ZDF-Fernsehrat, hält das Vorgehen des ZDF gegen den Moderator überzogen.

Böhmermann sei „mit der ZDF-Quotenmilch großgezogen worden“, sagte Lötzsch. Bei dem Gedicht sei es weniger um Satire als um Quote gegangen. „Die ZDF-Reaktion auf das Gedicht ist jedoch unverhältnismäßig“, so Lötzsch.

Als ZDF-Chefredakteur Peter Frey im vergangenen Jahr „gegenüber der griechische Regierung ausfällig wurde“ und sie in einem Beitrag für das Debatten-Magazin „The European“ als „Chaostruppe in Athen“ bezeichnet habe, habe das keine Konsequenzen gehabt.

Merkel hatte das Böhmermann-Gedicht jüngst als „bewusst verletzend“ bezeichnet und darüber auch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu telefoniert.

Vor dem Telefonat hatte Medienberichten zufolge das Auswärtige Amt eine interne juristische Prüfung des Falls vorgenommen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Böhmermann höchstwahrscheinlich strafbar gemacht habe.

Böhmermann hatte das Schmähgedicht als Reaktion auf die Kontroverse um einen Satire-Beitrag des NDR-Magazins „Extra 3“ vorgetragen, der sich kritisch mit Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Kurden im Südosten des Landes auseinandergesetzt hatte.

Ankara hatte wegen des „Extra 3“-Beitrags den deutschen Botschafter einbestellt und eine Löschung verlangt. Dies war aber zurückgewiesen worden. (dts Nachrichtenagentur)

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