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Alexander Schweitzer: Die SPD und ich passen zusammen

Fotos: Rolf H. Epple/Pfalz-Express

Durchsetzungsfähig, eloquenter Redner, eine der größten Stützen von Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Alexander Schweitzer, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz und Abgeordneter aus Bad Bergzabern, ist ein Schwergewicht in der Landespolitik.

Dass er keiner Diskussion aus dem Weg geht, verbale Schlagabtausche im Landtag geradezu liebt, prädestiniert ihn zum Lenker der größten Fraktion im Parlament. „Ich bin ein großer Anhänger von spannenden und bunten Parlamentsdebatten“, sagt der 47-Jährige. „Themen zuzuspitzen, Unterschiede deutlich werden zu lassen, in einer Sprache, die nicht aus dem Standardwerk der politischen Rhetorik stammt – das ist wichtig für die Demokratie.“

Als sturer Parteisoldat sieht sich Schweitzer nämlich keinesfalls. „Man muss seine Position ständig überprüfen, auch gegen die Argumente der Oppositionsfraktionen. Sonst gäbe es Stillstand in der Politik.“ Ein Ausnahme macht er: Die AfD. „Ich sehe keine Veranlassung, mit einer rechtsradikalen Partei zusammenzuarbeiten – so sehen das auch die anderen Parteien.“ Die Radikalisierung habe auch vor der rheinland-pfälzischen AfD nicht Halt gemacht, so Schweitzer im Gespräch mit dem Pfalz-Express.

Politische Heimat SPD

Dafür brennt er umso mehr für „seine“ SPD. Warum gerade diese Partei? „Da bin ich sehr durch meine Herkunft geprägt, ein politikinteressiertes, aber nicht parteipolitisches Elternhaus. Ich komme aus Arbeitnehmerverhältnissen, wo es nicht selbstverständlich ist, dass man Abitur macht.“ Schweitzer ist der erste Abiturient in seiner Familie, geht anschließend studieren, Jura, 1. Staatsexamen. Der Vater war Schiffsführer auf einem Binnenschiff, die ersten Lebensjahre verbringt Schweitzer mit den Eltern auf dem Schiff kreuz und quer durch Europa. Später wird die Familie in Billigheim-Ingenheim sesshaft, mit Frau und Kindern lebt Schweitzer heute in Bad Bergzabern.

Dort sorgt  der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler für ein Schlüsselerlebnis. Bei einem Vortrag in Schweitzers Schule, dem Gymnasium Bad Bergzabern, lästert Geißler über SPD und Grüne – der „Schwarze General“ nannte man ihn damals. „Das war nicht der Heiner Geißler der späteren Jahre“, erinnert Schweitzer. „Sein Vortrag hatte den Effekt, dass ich mich nicht für die Partei, die er repräsentierte, interessierte,  sondern für die, auf die er so schimpfte – die musste spannend sein.“

Gesagt, getan – der junge Schweitzer schrieb an Oskar Lafontaine, damals SPD-Vorsitzender, erkundigte sich nach der Jugendorganisation der SPD (Jusos) und „dann war ich angesteckt. Die Leidenschaft hat mich gepackt und nie wieder losgelassen. Politische Leidenschaft hat man in sich, die Politik wird immer eine große Rolle in meinem Leben spielen. Ich werde nie ohne Politik sein können. Und ich war quasi von klein auf Sozialdemokrat – ohne dass ich es wusste.“ Dennoch sieht Schweitzer bei sich keine parteipolitischen Scheuklappen: „Die Grundwerte der SPD und ich passen zusammen. Auch wenn man nicht immer 100 Prozent von seiner Partei überzeugt ist – die Grundausrichtung muss stimmen. Wenn einer behauptet, seine Partei mache immer alles richtig, macht mich das eher misstrauisch.“

Viel Gesprächsbedarf in Coronazeiten

In Corona-Zeiten ist praktische Politik in vielen Bereichen anders – Telefonschalten, Videokonferenzen, vieles sei recht gut übertragbar ins Digitale, sagt Schweitzer. Mit seinen „Zaungesprächen“ und seinem Bürgerhandy hält er weiter direkten Kontakt zur Bevölkerung in seinem Wahlkreis. Momentan gebe es besonders bei Unternehmen einen verstärkten Gesprächsbedarf wegen des Shutdowns. Was überrascht: Schweitzer berichtet von „viel Verständnis“ für die Corona-Maßnahmen. Die Unternehmer wollten jedoch eine Perspektive haben, einen Planungs-Plan gewissermaßen, oder zumindest endlich die in Aussicht gestellten Hilfen des Bundes erhalten.

„Vieles muss man differenziert betrachten“

Als Fraktionsvorsitzender ist Schweitzer natürlich auch die Speerspitze, um Entscheidungen der Landesregierung gegen Kritik zu verteidigen. Zwei Beispiele seien genannt, die im letzten Jahr für viel Missmut bei der Opposition gesorgt hatten: Das „Kita-Zukunftsgesetz“ und der Dauerbrenner Finanzausstattung der Kommunen. Das Kita-Gesetz nennt Schweitzer das „fortschrittlichste Kita-Gesetz, das man in ganz Deutschland findet.“ Es sichere Rechtsansprüche ab und finanziere den Personalaufwand. Bis zu 90 Erzieherinnenstellen mehr seien dadurch im Landkreis Südliche Weinstraße möglich. In Gesprächen mit Verantwortlichen vor Ort höre er von sehr vielen „Aha-Erlebnissen“ seitens der Erzieherinnen und Erzieher bei der Vorstellung des neuen Konzepts.

Für vielerorts dazu notwendige Umbauten der Kitas sieht Schweitzer vor allem die Träger in der Pflicht. „Dabei bekommen sie Unterstützung durch das Land. Ich kenne viele Bürgermeister, die sagen: Klar kostet es Geld, aber es ist eine Investition in eine lebendige Gemeinde.“

Dass man Pflichtaufgaben wegen unzureichender Finanzausstattung häufig nicht erfüllen könne, beklagen zahlreiche meist CDU-geführten Kommunen im Land. Das Geld fehle an allen Ecken und Enden. Am 16. Dezember 2020 hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in einem Urteil festgelegt, dass der kommunale Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz neu geregelt werden muss – der aktuelle ist demnach verfassungswidrig [1].

Das Urteil will Schweitzer „differenziert“ verstanden wissen. „Die Schlussfolgerung aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs ist nicht allein: Das Land muss mehr Geld geben. Vielmehr sollen sich die Zuweisungen des Landes an die Kommunen künftig an deren konkreten Bedarfen und finanziellen Möglichkeiten orientieren. Hierbei wird auch in den Blick zu nehmen sein, ob Städte und Gemeinde ihre Einnahmepotenziale bereits optimal ausschöpfen, etwa bei Kreisumlage oder Hebesätzen.“ Rheinland-Pfalz weise etwa noch immer die geringsten Hebesätze in ganz Deutschland auf. Und dass beispielsweise der Landkreis Südliche Weinstraße einen ausgeglichenen Haushalt vorweise, sei auch dem Finanzausgleich des Landes zu verdanken.

„Problem der medizinischen Versorgung löst sich nicht von selbst“

Ein weiteres Thema, das Schweitzer sehr beschäftigt, ist die medizinische und pflegerische Versorgung in den Landkreisen. Sein Vorschlag: Die Landkreise SÜW und Germersheim und die Stadt Landau sollen die Hausärzteversorgung an einem runden Tisch koordinieren, zusammen mit Ärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung etc. „Die Fragestellung muss sein: Wie viele Hausärzte gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand? Wie können wir südpfalzweit eine gute ärztliche Versorgung organisieren?“ So soll  – auch mit Rückmeldungen von Niedergelassenen – eine Datengrundlage und ein Lagebild entstehen. „Das Thema sollte jetzt offensiv angegangen werden und nicht erst in ein paar Jahren, wenn es zu spät ist.“ Diesen Vorschlag habe er  auch schon den beiden Südpfälzer Landräten und dem Landauer Oberbürgermeister unterbreitet, sagt Schweitzer. „Bisher ohne Resonanz.“ Dabei sei es von großer Wichtigkeit, ein klares Bild den notwendigen Versorgungsstrukturen zu haben. „Ich habe den Eindruck, dass man hofft, das Problem löst sich von selbst. Das wird aber nicht passieren.“

Toleranter Veganer

In die Landtagswahl am 14. März geht Schweitzer zuversichtlich: „Malu Dreyer hat einen klaren Kurs. Die Landesregierung hat vieles richtig gemacht.“ Zum Abschluss des Gesprächs im Bürgerbüro in Bad Bergzabern gab es selbstgebackenen Plätzchen – vegan, denn Schweitzer ist seit etwa fünf Jahren Veganer. „Es tut mir gut und passt zu meinen Überzeugungen“. Bewusste Ernährung und Tierschutz seien ihm wichtig, sagt er. „Allerdings mag ich keine ´Missionare`. Ich rede niemanden in den Teller.“ (cli) 

 

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