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AfD-Veranstaltung mit Bernd Lucke in Landau: „Mit unserer Basisdemokratie sind wir vorbildlich“

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Professor Dr. Bernd Lucke in Landau: „Es muss sich etwas verändern in Europa!“
Fotos: Ahme

Landau. Der Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD), Professor Dr. Bernd Lucke, unternahm gestern im Vorfeld des Hambacher Demokratieforums, das abends stattfand, auch einen Abstecher nach Landau. Hier sprach er auf dem Rathausplatz zu Interessierten, die sich über die Politik der noch jungen Partei informieren wollten. Die Veranstaltung wurde vom Landesverband der AfD organisiert .

Wie oft bei politischen Veranstaltungen der AfD war ein großes Polizeiaufgebot vor Ort. In der Vergangenheit wurden Stände der AfD des öfteren angegriffen. Bernd Lucke selbst war kürzlich erneut Zielscheibe von Tätlichkeiten geworden.

Auch in Landau blieb die Veranstaltung nicht ungestört. Etwa 20 Jugendliche demonstrierten mit einem Plakt, beließen es jedoch nicht dabei: Während Luckes Rede sollte mit  dem Ruf „Scheiß Demokratie“  der Stand mit Infomaterial offensichtlich gestürmt werden.  Ordner und  Polizei verhinderten weitere Ausschreitungen.

Ein besonders rabiater Zeitgenosse ging auf die fotografierende Chronistin los, um ihr die Kamera aus der Hand zu schlagen.

Bevor Lucke sprach, begrüßten der Landesvorsitzende, Prof. Uwe Zimmermann, der Vorsitzende des Kreisverbandes SÜW, Hans-Günter Gerstle, und Oliver Sieh, Kandidat für den Bezirkstag Pfalz, die Zuhörer.

Gerstle wies darauf hin, dass in den letzten sechs Monaten die Kreisverbände SÜW, Landau und GER gegründet worden sind und die AfD in Bad Bergzabern sogar an den Verbandsgemeinderatswahlen teilnehmen werde. Oliver Sieh will sich im Bezirkstag dem Thema Windkraft besonders widmen. Alternative Energien zu fördern sei wichtig, sagte Sieh, jedoch nicht an den ungeeignetsten Stellen im Pfälzerwald.

Mit großem Beifall wurde dann der Hauptredner, Professor Dr. Bernd Lucke, begrüßt.

Luckes etwa einstündige Rede beinhaltete im Wesentlichen drei Kernthemen, die eng mit dem Europawahlkampf zusammenhängen. Die Eurokrise, die Veränderung in der Parteienlandschaft, in der die „Alt“-Parteien keine wirkliche Meinungsvielfalt böten, sowie die Entwicklung hin zu einem europäischen Bundesstaat in dem die Souveränität der einzelnen Staaten immer mehr verschwinden werde und die Länder durch „abstruse und belustigende Beispiele“ immer mehr reglementiert würden (ein Kondom muss mindesten fünf Liter Flüssigkeit aufnehmen können, jedes Bundesland muss ein Seilbahngesetz erlassen.)

Im Vorfeld der Veranstaltung  hatten Desirée Ahme und Claudia Licht vom Pfalz-Express  Gelegenheit, mit Professor Lucke zu sprechen.

Bislang gab es wenig zu hören, wie sich Ihre Partei zu den sozialen Komponenten stellt. Wie ist Ihre Haltung beispielsweise zu Mindestlöhnen?

Einen allgemein verbindlichen Mindestlohn lehnen wir ab.
Unsere Vorstellung geht dahin, dass der Staat Einkommensbeihilfen leisten soll, um denjenigen Menschen Unterstützung zukommen zu lassen, die zu wenig verdienen.
Durch den Mindestlohn entledigt sich der Staat seiner sozialpolitischen Verantwortung und erlegt diese den Unternehmen auf. Das hat den Nachteil, dass die Unternehmen sich dem entziehen können, indem sie Arbeitsplätze abbauen. Deshalb sollte aus dem allgemeinen Steueraufkommen die notwendige Unterstützung finanziert werden. Und zwar nicht nur als Lohnunterstützung, sondern wirklich als Einkommensunterstützung.

Was ist der Unterschied?

Lohn reicht ja nicht, wenn man nicht genügend Arbeitsstunden hat. Wenn man nur vier Stunden Arbeitszeit am Tag hat, nützt der Mindestlohn auch nicht viel. Man muss wirklich das Einkommen stützen in den unteren Lohngruppen.
Wir würden das Steuersystem so umgestalten, dass die Bezieher niedriger Einkommen nicht Steuern zahlen müssten, sondern vom Staat Beihilfen bekommen. Eine Art negative Steuer.

Konkretes Beispiel: Altenpflegerin, Frisörin, Bäckereifachverkäuferin – da würden Sie das Gehalt aufstocken? Wie kann man das auf einen Stundenlohn umrechnen?

Da muss man immer die Situation berücksichtigen. Wenn es eine Bäckereifachverkäuferin ist, die drei Kinder zuhause hat, muss sie natürlich mehr an Gehaltsaufstockung bekommen als eine ledige Person.

Müsste man dann nicht jeden Fall einzeln prüfen?

Nein, das ist wie im Steuerrecht. Dorrt gibt man ja auch an, man ist verheiratet, hat drei Kinder, usw.
Wenn nun ein Monatsgehalt 3.000 Euro Brutto beträgt, müsste man Steuern bezahlen, wenn es nur 1.200 Euro sind, bekommt man noch etwas drauf. Damit kann man die notwendige soziale Unterstützung viel besser leisten als mit dem Mindestlohn.

Und Hartz IV?

Hartz IV würde dann abgeschafft werden. Wenn man die Unterstützung in das Steuersystem integriert, dann braucht man das Arbeitslosengeld II – die alte „Sozialhilfe“ nicht mehr. Das hätte man dann im Steuerrecht drin.

Wie wichtig ist das Internet für Sie und die Partei?

Das Internet ist ganz wichtig für uns. Die Nachricht über unsere Gründung hat sich per Internet in Windeseile verbreitet. Die AfD wäre in internetlosen Zeiten sicher nicht so erfolgreich gewesen. Es ist als Medium wichtig, weil wir damit direkt mit den Wählern kommunizieren können.
Wir sind nicht darauf angewiesen, dass die Presse über uns berichtet, die oft Falschinformationen verbeitet und uns in die rechte Ecke rückt. Ja, das  Internet ist wirklich Gold wert. Auch bei Facebook sind wir sehr erfolgreich. Der Erfolg der Partei lebt ganz stark davon.

Fühlen Sie sich von der Presse missverstanden?

Das kann man nicht so pauschal sagen. Sicherlich gibt es auch faire Presseberichte über uns. Aber viele Medienberichtertstattung ist auch sehr negativ gefärbt, indem sie auf Fehlinformationen beruht und einfach falsche Sachverhalte  über uns behauptet werden.

Wie war das denn bei „Studio Friedmann“, da sind Sie gegangen?

Bei Friedmann war die Grenze überschritten. Er hatte ein Zitat vorgelegt, das angeblich von einer Kandidatin von uns stammte, mit einer Wertung. Das stammte gar nicht von ihr. Das war falsch, was er gesagt hat und er hat gleich eine Wertung angefügt.
„Das ist ja Rassismus“, hat er gesagt. Ich wollte zunächst auf die Wertung eingehen. Aber er wollte mich nicht Stellung nehmen lassen. Da er mir ständig ins Wort gefallen ist und mich nicht antworten ließ, bin ich gegangen. Das war kein fairer Umgang, finde ich.

Was hat die AfD Ihrer Meinung nach, was andere Parteien nicht haben?

Viel mehr Basisdemokratie. Wir sind sehr erfolgreich darin, unsere Mitgliedschaft einzubeziehen, wenn es um unsere programmatischen Stellungnahmen geht. Wir haben zwei große Programme veranschiedet in den letzten vier Monaten, das Europawahlprogramm und die politischen Leitlinien. Diese sind durch Eingaben der Mitglieder gestaltet worden.

Die Mitglieder konnten abstimmen zu jedem einzelnen Punkt, konnten zwischen unterschiedlichen Alternativen wählen und danach noch einmal abstimmen. Tausende von Mitgliedern haben teilgenommen, das ist einmalig in der deutschen Parteiengeschichte. Ich war 33 Jahre in der CDU und bin kein einziges Mal gefragt worden, wie ich das Parteiprogramm finde, geschweige denn, dass ich hätte darüber abstimmen können. Da sind wir vorbildlich mit unserer Basisdemokratie.

Gibt es auch Themen, die sich nicht eignen für basiasdemokratische Entscheidungen?

Die gibt es. Satzungsfragen sind kaum basisdemokratisch zu regeln, weil juristische Kenntnisse erforderlich sind, die nicht Jeder hat.

Welche Bedeutung messen Sie Kommunalwahl und Europawahl zu?

Kommunalwahlen sind wichtig, weil das die Möglichkeit für den Bürger ist, unmittelbar Einfluss zu nehmen auf sein unmittelbares Lebensumfeld.
Man kann sich aufstellen lassen für Gemeinderat oder Stadtrat und in Ausschüssen mitarbeiten. So kann direkte Demokratie erlebt und gestaltet werden. Das ist wichtig für die Bürger und auch unsere Partei, die dann lokal verortet ist und bürgernähe zeigt.

Die Europawahl ist in diesem Jahr besonders wichtig, weil sich die europäische Union verändert. Bislang war sie ein Staatenbund von unabhängigen Staaten mit gemeinsamem Binnenmarkt.

Seit der Eurokirse ändert sich das. Man versucht, die EU in einen Bundesstaat zu verändern, wo massiv Geld umverteilt wird von den reichen Staaten zu den ärmeren, die wegen des Euros in einer schlechten Wirtschaftssituation sind. Das ist gefährlich, weil Deutschland die Souveränität aufgibt.  Das halte ich nicht für gut.

Was muss sich denn in Europa grundlegend ändern?

Da gibt es zwei Sichtweisen. Zur Demokratie: Zur Zeit entstehen sehr viele Institutionen wie Rettungsschirme, die europäische Zentralbank, die Geld in Umlauf bringt, oder die Bankenunion, und nichts davon ist demokratisch kontrolliert.

Es ist nicht vorgesehen, dass das europäische Parlament irgendeine Kontrolle über diese  Rettungsschirme oder über die Bankenunion hat, die über Milliardensummen verfügen wird und darüber entscheidet, ob eine Bank fortbesteht oder ob die Sparer ihr Geld kriegen. Das müsste dringend kontrolliert werden.
Wir bauen einen Staat auf wie im Deutschland des 19. Jahrhundert, der Kontrolle der Parlamente entzogen. Wir treten für eine demokratische Kontrolle ein.

Die andere große wirtschaftliche Fehlentwicklung ist der Euro. Der Euro schadet den Ländern in Südeuropa. Sie sind wirtschaftlich ruiniert worden in den letzten vier Jahren. Obwohl wir Rettungspolitik gemacht haben, sind die Staastschulden weiter angestiegen. Jetzt gehen einzelne Länder aus dem Rettungsschirm raus, aber deren Schuldenstände sind höher als damals, als sie reingegangen sind.

Die Arbeitslosigkeit ist höher, die Wettbewerbsfähigkeit hat sich nicht verbessert und die Bankschulden, die faulen Kredite der Banken, sind höher, als sie zu Beginn der Krise gewesen sind. Es hat sich überhaupt nichts verbessert. Man hat nur mit viel, viel Geld an den Symptomen rumkuriert, ohne dass man die Ursachen der Krise beseitigt hat.

Was macht Sie so sicher, dass die Finanz-und Wirtschaftskrise nicht auch ohne den Euro aufgetreten wäre?

Früher konnte man mit Ab- und Aufwertung der jeweiligen Währung Schwankungen auffangen. Das ging mit dem Euro nicht mehr – die Defizite haben sich immer weiter hochgeschaukelt.

Es wurden öfter mal Stände  der Partei angegriffen…

Ja, leider. Aber oft haben sogar türkische Mitbürger, das möchte ich ausdrücklich betonen und dafür danken, eingegriffen und die Leute festgehalten, bis die Polizei kam.

Haben Sie vor einem Jahr damit gerechnet, dass Sie einen solchen Erfolg haben würden?

Ich hätte mit einem Größeren gerechnet.

 Vielen Dank für das Gespräch. (desa/cli)

 


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