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„Wir schicken eine Emser Depesche ins Luger Tal“: Kreistag Südwestpfalz nimmt Stellung zu Fusion VG Hauenstein

20. März 2018 | Kategorie: Allgemein, Regional, Südwestpfalz und Westpfalz

Landrätin Ganster:„Eine Ausgliederung der VG Hauenstein schwächt den Kreis“. Von links: Büroleiter Zwing, Susanne Ganster, die Beigeordneten Peter Spitzer (SPD), Christof Reichert (CDU), Martina Wagner.
Foto: Hirschmann

Wann ist es schon einmal vorgekommen, dass ein Kreistag mitten in seiner laufenden Sitzung durch eine Direktbotschaft des Innenministers unterbrochen wird?

So geschehen am Montag dieser Woche bei der Beratung des Kreistages Südwestpfalz über ein Grundlagenpapier zur Gebietsänderung der Verbandsgemeinde Hauenstein, das die Landrätin, Susanne Ganster (CDU), vorgelegt hatte.

Die Beschlußvorlage knüpft an die Resolution vom Dezember 2016 an, in der sich der Kreistag bereits für eine Fusion innerhalb der Kreisgrenzen ausgesprochen hatte.

„Gewichtige Gründe für ein Abweichen vom Inhalt dieser Resolution haben sich auch nach sorgfältiger Prüfung des Sondierungsberichts der VG Hauenstein nicht ergeben“, heißt es jetzt in der Stellungnahme des Landkreises Südwestpfalz an die Adresse der Landesregierung.

In der Begründung dazu führt Ganster an, dass mit einer freiwilligen Teilausgliederung der VG Hauenstein aus dem Gebiet des Landkreises die Entwicklung der Wasgau-Region erschwert würde.

“Aus der Betrachtung aller maßgeblichen Faktoren ergibt sich, dass der Südwestkreis in seiner eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und seinen eigenen Entwicklungsmöglichkeiten erheblich geschwächt würde“.

Dabei wird insbesondere auf die Einwohnerentwicklung und –struktur, eigene Steuer- und Wirtschaftskraft, und auf die Einbindung in die überregionalen Planungs- und Wirtschaftsräume abgehoben.

Dem gegenüber steht das eindeutige Votum der betroffenen Bürger. In einer Abstimmung an der Wahlurne im Mai vergangenen Jahres sprach sich bekanntlich eine überwältigender Mehrheit von knapp 90 % der Bürger in den Ortsgemeinden Lug, Darstein, Dimbach, Schwanheim, Spirkelbach und Wilgartswiesen für eine Eingliederung in die VG Annweiler im Kreis SÜW aus.

Auch in Hauenstein selbst votierten 68,6 % der Bürger für Annweiler. Nur die Ortsgemeinde Hinterweidenthal war überwiegend (56,6%) für eine Fusion mit der VG Dahn.

Damit entstünde allerdings in SÜW eine „VG Annweiler-Hauenstein“ und der Landkreis Südwestpfalz würde seine VG Hauenstein verlieren.

Zwar schreibt das Grundsätze-Gesetz (§2, 4 KomVwRGrG) einen Regelvorrang der landkreisinternen Reform vor, lässt aber ausdrücklich Ausnahmen davon zu. Die betroffenen Gebietskörperschaften, also der aufnehmende (hier: SÜW) und der abgebende (hier: Südwestkreis) müssen vom Gesetzgeber lediglich ordnungsgemäss angehört werden.

BI pro Annweiler im Sitzungssaal: „Keine Zwangsfusion gegen den Willen der Bürger vor Ort“.
Foto: Hirschmann

In ihren Stellungnahmen brachten die Kreistagsfraktionen parteiübergreifend zwar ihren Respekt und ihre Anerkennung des eindeutigen Bürgerwillens zum Ausdruck, den sie dann aber auch im gleichen Atemzug wieder relativierten gegenüber dem Existenzerhaltungs-Interesse des Südwestkreises.

Für Dirk Palm (CDU) ist das vorgelegte Grundlagenpapier, das von der Kreisverwaltung sorgfältig ausgearbeitet worden sei, in all den darin aufgeführten Aspekten nachvollziehbar: „Wir sehen eine Teilausgliederung der VG Hauenstein als eine blauäugige Schwächung des Südwestkreises.

Ein solches Handeln wäre verantwortungslos, denn wir sind für alle Bürger des Kreises verantwortlich“. Nicht verstehen kann Palm, warum das Land nicht längst selbst mit einer Gesetzesvorlage entschieden hat und stattdessen wieder eine erneute Stellungnahme vom Landkreis abfordert: „das schürt nur weitere Unruhe“.

Auch Heinrich Hoffmeister (SPD) hebt auf die Gesamtverantwortung der Kreistagsmitglieder ab: „ Mit einer Ausgliederung der VG Hauenstein würden wir die Axt an die Wurzel unseres Kreises legen“.

Man respektiere zwar den Bürgerwillen, aber umgekehrt erwarte man auch Respekt der Bürger vor der Entscheidung der Kommunalpolitiker: „Wir sind in einer repräsentativen Demokratie. Es wird immer vom Bürgerwillen geredet, der allein entscheidend sei.

Dann müssten aber alle Kreisbürger darüber abstimmen, ob sie die VG Hauenstein gehen lassen wollen. Und auch alle Bürger im Kreis SüW und in der VG Annweiler müssten ihr Votum abgeben.

Nur dann wäre der Bürgerwille allein entscheidend“. Dem stimmt Reinhold Hohn (FDP) mit der bemerkenswerten Feststellung zu: „Wenn wir alles dem Bürgerwillen überlassen, dann ist das der Anfang vom Ende unseres Landkreises“.

Und dann die abrupte Unterbrechung. Landrätin Susanne Ganster teilt mit, dass soeben, um 15:21 Uhr, eine Nachricht von Innenminister Roger Lewentz per eMail eingegangen sei, die sich auf den aktuell verhandelten Tagesordnungspunkt 7 (Kommunal- und Verwaltungsreform; Gebietsänderung der VG Hauenstein) beziehe. Sie unterbricht die Sitzung des Kreistages und verlässt den Saal. Allseits ratlose Gesichter. Gespräche und hitzige Diskussionen in kleinen Gruppen.

Nach zehn Minuten setzt der Kreistag die Sitzung fort. Ganster verliest das Schreiben des Innenministers, in dem er zum Ausdruck bringt, dass die Landesregierung ganz ausdrücklich weiterhin eine freiwillige Lösung für die erforderliche Gebietsänderung der VG Hauenstein befürworte.

Grundsätzlich sehe das Landesgesetz zwar vor, dass Verbandsgemeinden innerhalb desselben Landkreises zusammengeschlossen werden sollen. Abweichungen davon, also ein Zusammenschluss über Kreisgrenzen hinweg, lasse das Gesetz aber ausnahmsweise zu.

Das von Hauenstein gewollte 7:1-Aufteilungs-Szenario (Fusion VG Hauenstein-Annweiler, nur Ortsgemeinde Hinterweidenthal in die VG Dahn) sei möglich. Im Abwägungsprozess verlange man aber die Zustimmung der beiden Kreise und der beiden Verbandsgemeinden mit der Mehrheit der jeweiligen Ratsmitglieder.

Sollte es dazu kommen, so würde die zugesagte Entschuldungshilfe des Landes in Höhe von 2 Mio Euro auf die betroffenen Verbandsgemeinden aufgeteilt.

Außerdem würde der abgebende Südwestkreis bis zur zweiten Stufe der Kommunalreform so gestellt, als wäre die VG Hauenstein noch eingegliedert. Der Südwestkreis sei nun heute definitiv aufgefordert, sich eindeutig zu positionieren.

„Es bleibt also dabei, dass wir heute abstimmen“ beschließt die Kreis-Chefin die Verlesung der Botschaft aus Mainz und fügt hintersinnig an: „Wenn sich im weiteren Abwägungsprozess des Landes nochmal eine Situation ergeben würde, dass wir zum dritten Mal eine Stellungnahme abgeben müssen, dann werden wir auch das tun, und eventuell auch noch zum vierten Mal“.

Einig im Willen zur Fusion mit der VG Annweiler. Von links: Anton Scheib (BI pro Annweiler), Werner Kölsch (VG-Bürgermeister Hauenstein), Bernhard Rödig (Ortsbürgermeister Hauenstein).
Foto: Hirschmann

Im weiteren Verlauf der Aussprache gibt Bernhard Rödig (FDP), Hauensteins Bürgermeister, eine andere Sichtweise der Angelegenheit zu Protokoll: „Wer kann verantworten, dass der Wille der unmittelbar betroffenen Bürger ignoriert wird?

Der Rest des Kreises ist nur mittelbar finanziell betroffen. Welchen Stellenwert messen wir dem Votum der Bürger bei, das sie an der Wahlurne abgegeben haben?“, fragt Rödig und betont, dass der Bürger der Souverän sei: „Wir sollten alles tun, um dem Bürgerwillen gerecht zu werden“.

Keine Fusion habe bisher in der Summe ihrer Fakten Vorteile für die Betroffenen gebracht. „Warum also sollen wir uns dem Diktat einer sicheren Fehlentscheidung beugen?“

Darin war er sich mit Markus Pohl (CDU), Beigeordneter in Hauenstein, einig: „Die Bürger haben an der Wahlurne abgestimmt. Mit solchen überwältigenden Mehrheiten kann man Verfassungen ändern. Im übrigen glaube ich nicht, dass mit der zweiten Stufe der Kommunalreform innerhalb der nächsten zehn Jahre begonnen wird“.

Ortsbürgermeister diskutieren in der Pause. Von links: Thomas Funck (Dimbach), Herbert Schwarzmüller (Schwanheim), Armin Ladenberger (Darstein), Bürger (Spirkelbach).
Foto: Hirschmann

Rödig brachte dazu den Beschlussvorschlag ein, dass der Kreistag der Landesregierung und den Landtagsfraktionen vorschlagen möge, die VG Hauenstein bis auf Weiteres vom Fusionsprozess auszunehmen, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt für alle Beteiligten keine Vorteile erkennbar seien. Dies wurde abgelehnt.

Bernd Schuhmacher, Fraktionsvorsitzender der Grünen, beklagte, dass man vor dem Hintergrund der Bürgerbefragung leider nicht um die Köpfe und Herzen der Bürger geworben habe: „Auch nach 50 Jahren fehlt es wegen fehlender Integration noch immer an Bindungen zum Kreis.

Der Fokus der Kreispolitik lag bisher auf den parteipolitischen Hochburgen in Dahn und anderswo. Das Randgebiet Luger Tal fühlt sich zu Recht vernachlässigt. 80 % der Menschen dort haben den Kreispolitikern eine Rote Karte verpasst“.

Und an die Landrätin gewandt donnerte Schuhmacher: „Mit Ihrem Beschlussvorschlag schicken wir eine Emser Depesche ins Luger Tal. Nämlich die Botschaft: Ihr bleibt bei uns. Basta. Oder wir klagen vor Gericht.“

Ein von den Grünen dazu eingebrachter Änderungsantrag wurde abgelehnt. Darin war eine Präambel zum Grundlagenpapier verlangt worden, in der Respekt vor dem Bürgervotum bekundet und eine konstruktive Begleitung der kreisinternen Fusion angeboten werden sollte.

Das Grundlagenpapier wurde mit 6 Gegenstimmen vom Kreistag angenommen. Der Landkreis hat sich eindeutig positioniert. Damit droht also jetzt die Zwangsfusion. Die VG Hauenstein kann dagegen den Klageweg beschreiten. Man darf gespannt sein, wie es jetzt weiter geht. |hi

 

 

 

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3 Kommentare auf "„Wir schicken eine Emser Depesche ins Luger Tal“: Kreistag Südwestpfalz nimmt Stellung zu Fusion VG Hauenstein"

  1. Seibel Erwin sagt:

    Die Landrätin hat in der Sitzung den Gemeinden der VG Hauenstein „blühende Landschaften“ versprochen, wenn die VG in Kreis bleibt. Mal sehen ob es so kommt. Das hat schon mal jemand versprochen.

  2. Manfred Weber sagt:

    Am 26. Mai 2019 ist Tag der Abrechnung! Dann sind auch Kommunalwahlen. Ich persönlich werde mithelfen, damit die „Verräter des Bürgerwillens“ ihren „Lohn“ erhalten.

  3. Karl Betz sagt:

    diese kommunal- und verwaltungsreform verdient noch nicht mal das wort „reförmchen“.
    größe allein ist kein kriterium für eine bürgernahe, kostengünstige und effektive verwaltung. eine zwangsfusion z.b. mit dahn, hätte zur folge, die wirtschafts- und finanzstarke vg hauenstein käme in einen topf mit den werken der vg dahn. dazu muss man wissen, die werke der vg dahn sind das höchstverschuldete kommunale unternehmen in ganz rheinland-pfalz!!! tolle aussichten! um ein bett zu sparen, legt man einen gesunden zu einem kranken ins gleiche bett. wird dadurch der kranke gesund?, oder eher der gesunde krank? bei fragen kontaktieren sie einen arzt oder apotheker, keinesfalls einen politiker. lieber keine politik und keine politiker als solch ein mist.